von Kurt Wagner
Ich muss gestehen: Ich kenne die Hintergründe nicht. Mein letzter „Supermen“-Comic liegt ein paar Tage zurück. So war ich doch ein wenig überrascht, als mich im Vorwort zu diesem „Band 1“ der neuen „Superman“-Reihe erst einmal ein umfangreicher Rückblick empfing, der zudem eher Fragen aufwarf als Antworten lieferte. Ich will nicht zu sehr ins Detail gehen, aber offenbar war Superman zuvor eine Weile im All unterwegs – und jetzt ist er nach Metropolis zurückgekehrt. Allem Anschein nach ist er nicht nur mit seiner großen Liebe Lois Lane zusammen, sondern hat auch noch eine Horde von fünf Familienmitgliedern am Frühstückstisch sitzen, von denen mindestens einer sein Sohn Jon Kent ist. Darüber hinaus schmort Erzfeind Lex Luthor im Knast, redet aber unablässig mit Supi, dessen Gehör offenbar (auch) auf Luthor geeicht ist. Und Lois Lane ist aktuell die Chefin vom Daily Planet, weil Perry White fast gestorben wäre. Das ist ziemlich viel zu verdauen für Neueinsteiger.
Die Beziehung zwischen Superman und Luthor schlägt übrigens recht schnell eine interessante Richtung ein, denn Luthor stellt Superman während seiner Zeit im Knast seine komplette LexCorp zur Verfügung, die kurzerhand in SuperCorp umgetauft wird. Alle Ressourcen sollen dabei helfen, Metropolis zu einer besseren Stadt zu machen. Kann Lex wirklich so ein Menschenfreund geworden sein oder welcher perfide Plan steckt dahinter?
Sehr klassisch wirken dagegen zunächst die Konfrontation mit den normalen Verrückten der Stadt. So macht eine wütende Super-Influencerin namens Livewire dem Stählernen – zugegeben eher kurz – die Hölle heiß, außerdem stößt er mit einem roten Energie-Saug-Monster zusammen, das er offenbar von früher kennt und Rudy nennt. Auch hier hat man als unbedarfter Leser kurz einen Irritationsmoment. Dieses Ungeheuer, Straßenname „Parasit“, wird sich übrigens zwischenzeitlich zu einer veritablen Plage entwickeln, die geradezu seuchen-ähnliche Züge annimmt, während sie Metropolis heimsucht, doch das wirklich Böse offenbart sich an anderer Stelle. Ich will nicht spoilern, aber diese Fieslinge sind echt kranke Geister.
Der Comic hat freilich noch mehr zu bieten. Zum einen gelingt ihm der nette Dreh, dass Bösewichte nicht gleich Bösewichte sind. Mit manchen von ihnen kann man reden, man kann verhandeln, kann ihnen helfen, sich zu bessern. Das ist eine schöne Idee, die zu dem sonnigen Cover und dem positiven Hauch passt, der im Konzept „Dawn of DC“ mitschwingt. Außerdem bekommt Lex Luthor eine neue Seite und Vergangenheit zugeschrieben, die frisches Interesse an dieser Figur weckt, die lange nur Supermans erfolgreichster Gegner war. Dann taucht eine neue Heldin auf, Marylin Moonlight, eine schwarze Revolverschützin auf einem weißen Pferd, die wie ein Geist durch die Straßenschluchten streift. Und zu guter Letzt legt der Comic noch eine galaktische Schippe drauf und präsentiert zum Schluss gleich zwei Cameos, mit denen zu dem Zeitpunkt wohl niemand gerechnet hätte.
Man merkt: Die Story gibt eine Menge her und weiß über 176 Seiten sehr gut zu unterhalten. Als Gelegenheits-Superman-Leser muss man über einige Informationslücken hinwegsehen, aber das geht leidlich gut. Die vorliegende Story selbst beeinträchtigt dieses Nichtwissen nicht. Kenner ziehen natürlich noch mehr Genuss aus der Geschichte von Joshua Williamson.
Die Illustrationen von Jamal Campbell verdienen eine besondere Erwähnung, denn sie gefallen mir wirklich gut. Mit feinem Strich und genauem Auge für die Figuren gestaltet Campbell eine sehr schön anzusehende, wenn auch stilistisch deutlich eigene Version von Superman (er kommt ziemlich wuchtig rüber). Nicht zuletzt aufgrund der Farbgebung (auch Campbell) und der sehr dynamischen Panelstruktur weht da viel Hauch von moderner Digitalkunst durch die Seiten. Aber wie gesagt: Ich finde es gelungen.
Fazit: Der „Superman“-Neustart weiß sowohl inhaltlich als auch optisch zu überzeugen. Wenn man darüber hinwegsieht, dass eine ganze Menge Dinge, wie Supermans Familie oder Luthors Gefängnisaufenthalt, einfach als gegeben vorausgesetzt werden – der Comic beginnt nicht wieder mit Supis Origin Story, sondern mit einer Zäsur in seinem Leben –, dann kann man auch als Gelegenheitsleser gut in dieses Abenteuer einsteigen, das neben Humor und Action nicht zuletzt mit interessanten Ideen punktet, wie dem Umgang mit „kleineren“ Schurken oder einer bislang unbekannten Vergangenheit für Lex. Ein Einstieg, der Lust auf mehr macht. Die Morgendämmerung im DC Universum hat allerdings trotzdem ziemlich düstere Seiten …
Superman 1 – Die Stadt der Geheimnisse (Dawn of DC)
Comic
Joshua Williamson, Jamal Campbell u.a.
Panini Comics 2024
ISBN: 978-3-7416-3507-6
176 S., Softcover, deutsch
Preis: 23,00 EUR
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