von Frank Stein
Autorin Delilah S. Dawson legt der Geschichte gleich ein schweres Gewicht um den Hals. „In diesem Roman nimmt sich eine Figur das Leben – etwas, das wir bei Star Wars nicht oft erleben“, schreibt sie in einer Vorbemerkung und lässt uns dann an ein paar sehr persönlichen Suizid-Erfahrungen teilhaben. Da heben sich unwillkürlich die Augenbrauen und man erwartet wahrlich tragische Lektüre – was allerdings durchaus zu einer Handlung, die sich um eine der dunklen Seite verfallenen Figur widmet, passen könnte.
Dann lernen wir Iskat Askari kennen. Sie ist ein Jedi-Padawan, der nach der Katastrophe von Geonosis und dem Beginn der Klonkriege gewissermaßen per Feldbeförderung zur Ritterin geschlagen wird. Iskat ist praktisch von Seite 1 an eine tragische Figur. Sie möchte so gern eine vorbildliche Jedi sein, aber zum einen macht ihr ihre emotionale Natur immer wieder einen Strich durch die Rechnung, zum anderen wird sie auch aktiv von Gleichaltrigen gemieden. Die starren, auf Ruhe und Ausgeglichenheit ausgerichteten Tempelstrukturen engen sie ein. Dazu kommen die schwierigen Zeiten der Klonkriege, in denen vieles im Orden auf der Strecke bleibt, nicht zuletzt die gütige, geduldige Betreuung von Mitgliedern, denen es nicht so leicht fällt, auf Gefühle wie Liebe oder Wut einfach so zu verzichten.
Es ist kein sehr freundlicher Blick, den die Autorin hier auf den Jedi-Orden wirft. Tatsächlich bekommt man das Gefühl einer relativ gefühlskalten und teilweise auch ignoranten Hierarchie der Weisheit, in denen Padawane und Ritter sich gleichermaßen ihren Meistern ohne Widerspruch beugen müssen. Das fühlt sich von der Darstellung her stellenweise ein wenig unfair an, aber man darf nie vergessen, dass wir die ganze Geschichte aus der personalen Sicht von Iskat geschildert bekommen, die natürlich eher auf die negativen Seiten als die positiven schaut. Dabei geht Dawson sehr geschickt vor. Oft kann man Iskats Gedanken und Gefühle gut nachvollziehen. Nur manchmal blitzt bereits ein Verhalten auf, das einem als Leser vages Unbehagen bereitet und einen daran erinnert, dass aus Iskat irgendwann eine Inquisitorin werden wird.
Dieser Wechsel auf die Dunkle Seite erfolgt spät, erst nach 350 Seiten. Und selbst dann dauert es noch eine ganze Weile, bis sich Iskat wirklich der Inquisition verschreibt. An diesem Punkt wird ihr Hass dann tatsächlich irrational und man verliert fast alle Sympathien für sie. Ich schreibe „fast“, denn es bleibt ein Rest von Unsicherheit in Iskat. Im Dienst der Dunklen Seite mag sie zwar ihre Gefühle voll und ganz ausleben können, aber sie merkt recht schnell, was jeder Kenner schon weiß: Die Inquisition ist ein Schlangennest, in der jeder gegen jeden kämpft. Auch hier findet Iskat keine Freunde und keinen Halt.
Und jetzt muss ich SPOILERN, denn dieser Punkt schmälert leider das bis dato starke Psychogramm einer einsamen, unverstandenen Machtnutzerin. Denn Iskat Askari ist nicht Dawsons Figur. Zum Zeitpunkt der Lektüre wusste ich das noch nicht, darum war ich über das hastige und etwa erzwungen wirkende Ende bloß irritiert. Aber dann habe ich herausgefunden, dass Iskat und ihr im Roman immer wieder auftretender Freund Tualon zwei Figuren sind, die Autor Charles Soule in dem „Vader“-Comic „Vaders Festung“ (aus dem Jahr 2018) als namenlose Inquisitoren eingeführt hat, die in einer damals wirklich unbedeutenden Mini-Handlung als Verräter von Vader enttarnt und getötet wurden. Genau das passiert auch hier, praktisch im Epilog. Wer den Comic kennt, der kennt also bereits von Anfang an das Schicksal von Iskat. Dann weiß man eben auch, dass nicht sie es ist, die sich das Leben nehmen wird. Damit hat die Autorin ein emotional extrem starkes Ende verschenkt. Wie viel eindrücklicher wäre es gewesen, wenn Iskat hätte erkennen müssen, dass der Wechsel zur Dunklen Seite die falsche Wahl war – und die Konsequenzen daraus gezogen hätte? Aber es hat nicht sollen sein. So verpufft die bedeutungsschwere Einleitung ins Leere, denn der Suizid wird nur mit großem zeitlichen Abstand erzählt und betrifft auch eine gar nicht persönlich auftretende Figur, zu der man als Leser also keinerlei Bindung hegt. Und Iskats Schicksal, nun ja, ist halt eine immerhin leidlich gut vorbereitete Nacherzählung der jahrealten Comic-Handlung. SPOILER ENDE
Wenn man noch etwas kritisieren möchte, dann vielleicht, dass der Inquisition selbst relativ wenig Platz eingeräumt wird. Dadurch, dass wir immer sehr nah an der Hauptfigur bleiben und diese eigentlich den ganzen Roman eine Außenseiterin ist – erst bei den Jedi, dann unter den Inquisitoren –, bekommt man wenig Einblicke in das Leben und die Struktur von Vaders dunklen Jedi-Jägern. Es wäre eine schöne Chance gewesen, hinter die Kulissen dieser Organisation zu blicken, die sich auch super für einen Intrigenplot geeignet hätte. Aber darum ging es Dawson nicht. Ihr ging es ausschließlich um den unaufhaltsamen Abstieg von Iskat Askari. Der ist durchaus stark inszeniert, aber wer sich nicht für dieses Einzelschicksal interessiert, der ist mit diesem Buch falsch beraten.
Fazit: Der Roman „Die Inquisitorin“ ist eine über weite Strecken sehr überzeugende und spannende Charakterstudie einer Frau, die sich nicht in den Jedi-Orden einfinden kann und dadurch immer mehr der Dunklen Seite verfällt. Geschickt gelingt es Delilah S. Dawson immer wieder, Verständnis und Mitgefühl beim Leser zu wecken, obwohl sich Iskat Askari zunehmend dem Bösen öffnet. Leider wird Iskats Zeit im Orden überproportional viel Raum gegeben, wodurch die Handlung in den Reihen der Inquisition etwas zu kurz erscheint. Dazu kommt ein leicht gehetzt wirkendes Ende, das nicht die Kraft entfaltet, die möglich gewesen wäre, wenn Iskats Schicksal nicht bereits durch den Comic „Vaders Festung“ entschieden worden wäre. Empfehlenswert für Leserinnen und Leser, die eine sehr persönliche und durchaus tragische „Star Wars“-Geschichte lesen wollen. Wer sich primär für das Leben in der Inquisition und deren finstere Machtstrukturen interessiert, wird eher enttäuscht sein.
Star Wars: Die Inquisitorin
Film/Serien-Roman
Delilah S. Dawson
blanvalet 2024
ISBN: 978-3-7341-6380-7
560 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: 12,00 EUR
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