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George Lucas – Der lange Weg zu Star Wars

„Star Wars“ ist das Popkultur-Phänomen schlechthin. Nicht nur die Geschichten im „Star Wars“-Universum sind mittlerweile Legion, sondern auch die Geschichten über das „Star Wars“-Universum, also „Making of“-Bände, „Art of“-Bücher, Biografien und wissenschaftliche Analysen zu jedem nur denkbaren Aspekt der Filme. Auch „George Lucas – Der lange Weg zu Star Wars“ erzählt einmal mehr, wie einer der bekanntesten Filme aller Zeiten das Licht der Welt erblickte. Neu und spannend aber hier: Es handelt sich um einen Comic – und zwar einen Sachcomic! Macht so etwas überhaupt Spaß oder liest sich das Ganze am Ende so trocken wie der Sand auf Tatooine? Mal sehen …

von Bernd Perplies

Ich gestehe, anfangs war ich skeptisch. Darum bin ich nicht etwa spät dran mit meiner Rezension – das Comic ist bereits im Mai 2024 erschienen –, sondern ich bin lange drumherum geschlichen. Ein Sachcomic? Ein Making-of in Bilderform? Und dann auch noch weitgehend in Schwarz-Weiß (mit akzentuierenden Farbtupfern) und in einem eher stilisierten als realistischen Stil? Macht das überhaupt Spaß? So fragte ich mich, nicht zuletzt, weil der Comic 29,80 Euro kostet, was angesichts eines knapp DIN A4 großen Hardcoverbands mit 207 Seiten jetzt kein Wucher ist, aber auch kein Schnäppchen. Zum Vergleich: ein typischer „Star Wars“-Comic bei Panini mit 112 Seiten kostet aktuell um die 16 EUR – also relativ gesehen etwa das Gleiche – und kommt in Vollfarbe daher, mitunter sogar ebenfalls im Hardcover, man denke an die „Star Wars Marvel Comics-Kollektion“.

Lange Rede, kurzer Sinn: Es hat ein halbes Jahr gedauert, bis die Neugierde letztlich den Skepsis zu überwinden vermochte.

Gelesen hatte ich den Comic dann binnen eines halben Tages!

Kein Witz. Und wahrscheinlich wäre es noch schneller gegangen, wenn ich zwischendurch nicht sechs Stunden hätte schlafen müssen. Ein paar Seiten lang mussten der Comic und ich uns aneinander gewöhnen – die Optik von Renaud Roche folgt (naheliegend) halt wirklich eher der französischen Schule als dem heroischen Stil von Marvel und DC –, aber dann hatte er mich so unausweichlich im Bann wie der Todesstern den Millennium Falken im Traktorstrahl.

Dabei beginnt die Geschichte, die Laurent Hopman erzählt, gleich mit einem Knall. „Wir stecken in der Scheiße – bis zum Hals“ eröffnet Produzent Gary Kurtz dem jungen George Lucas im August 1976. Damit lügt er nicht. Ihnen fehlen Unmengen an Spezialeffekten. Fast unmöglich, diesen Film bis zur Eröffnung im Mai 1977 fertig zu bekommen. Und dabei liegen zu dem Zeitpunk schon Monate, nein: Jahre, voller Mühsal und Ärgernissen hinter ihnen. Für Lucas wird es zu viel. Er klappt zusammen. Verdacht auf Herzinfarkt! In Tränen aufgelöst konstatiert seine Frau Marcia: „Er hat einfach zu lange mit dem Feuer gespielt.“

Dann ein Schnitt – und wir blicken zurück. In Form geschickt montierter Anekdoten wird uns die Kindheit und Jugend von George Lucas präsentiert. Dass er, um sein Ziel zu erreichen, auch mal sein ganzes Erspartes auf den Kopf gehauen hat. Dass er einen ausgeprägten Spürsinn dafür hatte, wie man Leute unterhält. Dass er rücksichtslos bis zum Leichtsinn in Bezug auf sich selbst war. Ein fast tödlicher Autounfall verändert schließlich sein Leben und lockt ihn in die Welt des Films.

Dort lebt er Ende der 1960er/Anfang der 1970er in einem Umfeld explodierender Kreativität, umgeben von jungen „Wilden“ (oder Nerds) wie Francis Ford Coppola, Brian de Palma, John Milius und Steven Spielberg. Doch sein Wunsch, ein Science-Fiction-Epos im Stil der von ihm geliebten „Flash Gordon“-Geschichten zu drehen, war den Studios dann doch zu verrückt, was wohl nicht zuletzt daran lag, dass Lucas zwar ein begnadeter Visionär war, aber leider kein talentierter Drehbuchautor. Aufgeben wollte er aber ganz gewiss auch nicht. Und so beginnt der lange Weg – oder eher noch: der lange Kampf –, um „Star Wars“ Wirklichkeit werden zu lassen.

Dass dieser Weg, dieser Kampf vor Anekdoten nur so strotzt – heiteren wie qualvollen –, ist zweifellos das große Glück dieses Comics. Wie viele andere Geschichten wären langweilig, wenn sie im wesentlichen chronologisch, mit einem sehr präsenten Erzähler und gewissermaßen von Episode zu Episode springend präsentiert würden. Nicht so die Entstehung von „Star Wars“! Vielmehr sind die Seiten randvoll mit kleinen und großen Katastrophen, gepaart mit kuriosen Momenten und intensiven Gefühlen, und über allem schwebt der große Traum eines jungen Burschen aus Modesto, den kaum jemand – außer anderen Nerds wie Steven Spielberg und Mark Hamill – so richtig einordnen konnte. Entsprechend liest sich das Ganze wirklich flott und kurzweilig weg und wegen des Zeitdruck, der durch den festen Eröffnungstermin aufgebaut wird, gibt es sogar eine Art Spannungskurve.

Die wirklich große Leistung der Macher besteht letztlich darin, die enorme Menge an Quellenmaterial gesichtet und in eine konzentrierte, unterhaltsame Form gebracht zu haben. Ganze zwei Seiten kleingedruckten Textes umfasst die Bibliographie am Schluss. Wie schön, dass sich hier jemand die Mühe für die Fans gemacht hat, das Wesentliche auf so anschauliche Art und Weise aufzubereiten.

Nichts von dem ist wirklich neu. Langjährige Kenner haben einige der präsentierten Anekdoten schon mehrfach anderswo gelesen (berühmt etwa ist der Sturm in Tunesien, der das halbe Set weggepustet hat), andere kennt man, wenn man sich die entsprechenden Bücher und Artikel zu Gemüte geführt hat (beispielsweise die Details der Affäre zwischen Harrison Ford und Carrie Fisher, die spürbar dem von Fisher selbst verfassten Buch „The Princess Diarist“ entnommen wurde). Dennoch: Wohl niemand dürfte alle Hintergründe kennen, sodass sich selbst für Fans der ganz alten Garde noch nette Infoschnipsel im Text finden. Für Fans der jüngeren Generation ist das Ganze sowieso eine wahre Fundgrube an Wissen über die Produktionsumstände der berühmten „Episode IV“.

Das Buch endet mit dem Überraschungserfolg von „Star Wars“ an der Kinokasse und den Verhandlungen über mögliche Sequels. „Fortsetzung folgt …“ heißt es auf der letzten Seite vielversprechend. Ich wünsche mir sehr, dass das keine leere Phrase war, sondern dass Roche und Hopman mit ihrem „Making of“ von „Das Imperium schlägt zurück“ einen Folgeband schreiben werden. Diesmal, das verspreche ich, werde ich den Comic gleich am Premierentag lesen!

Fazit: „George Lucas – Der lange Weg zu Star Wars“ ist ein bisschen wie der Film, über den es erzählt, damals war: ein Produkt, auf das man als Außenstehender anfangs etwas skeptisch schaut – und das einen dann absolut positiv überrascht! Kann ein Sachcomic in Schwarz-Weiß und relativ simplem (wenngleich absolut prägnantem) Strich überzeugen? Oh ja, er kann! Zugegeben, das Thema „Star Wars“ ist ein dankbares, denn das Projekt strotzt vor unterhaltsamen Anekdoten. Aber Roche und Hopman gelingt es, die Fülle an Material elegant zu konzentrieren und zu fokussieren, sodass man sich auf keiner Seite langweilt, sondern voller Spannung dem Ende entgegenfiebert, das – obwohl hinlänglich bekannt – geradezu einem Befreiungsschlag gleicht. Erfolg! Nach all den Mühen, nach diesem langen Weg. Nie hat man es einem jungen Träumer mehr gegönnt, als in diesem Augenblick. Ein ganz großartiger Comic, der jedem „Star Wars“- oder Film-Fan nur ans Herz gelegt werden kann.

George Lucas – Der lange Weg zu Star Wars
Comics
Laurent Hopman, Renaud Roche
Splitter Verlag 2024
ISBN: 978-3-9821-382-3
207 S., Hardcover, deutsch
Preis: 29,80 EUR

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