Stephens

Wir befinden uns in Portugal. Nach dem verheerenden Erdbeben von 1755 gilt es Aufbauarbeit zu leisten. William Stephens, ein englischer Unternehmer, witterte hohe Gewinne und kauft mit seinem Bruder eine Glasfabrik, die Marinha Grande. Du schlüpfst in „Stephens“ in die Rolle eines Glasmachermeisters und willst eine gut funktionierende Engine aufbauen, um William Stephens beim Aufbau der Glasindustrie zu unterstützen.

von Sabrina

Inhalt

1 Spielplan
4 Spieltableaus
46 Handwerkskarten
4 Starthandwerkskarten
39 Auftragskarten
32 Investitionskarten
26 Solo-Partie-Karten
4 Kartenschachteln
48 Münzen
24 Zubehörplättchen
60 Transparente Spielsteine (Cubes)
60 Holzspielsteine (Cubes)
1 Französischer Armee-Marker
84 Holzscheiben
4 Einflussmarker

Zum Spiel

„Stephens“ wird über eine unbestimmte Anzahl an Runden gespielt. In jedem eurer Züge stehen zwei Aktionen zur Auswahl. Nur zwei? Ja, tatsächlich.

Erstens: Ihr entnehmt einen oder mehrere Cubes (Waren) von einer Fabrik und legt sie in euren persönlichen Vorrat. Danach führt ihr zusätzlich die entsprechende Aktion aus, die durch das Herausnehmen getriggert wurde.

Oder zweitens: Ihr nehmt eine Scheibe von eurem persönlichem Spieltableau, um einem Handwerk eine neue Arbeitskraft zuzuweisen und schaltet damit eine dauerhafte Fähigkeit auf eurem Spieltableau frei. Außerdem gewährt euch das Handwerk, welches ihr neben eine Fabrik oder einen Schmelzofen legt, einen dauerhaften Effekt. Und zwar sobald ein oder mehr Cubes, egal von wem, von einer angrenzenden Fabriken genommen werden.

Kernstück des Spiels ist in erster Linie der gemeinsame Spielplan. Dort befinden sich Plätze für die Handwerks-, Investitions- und Auftragskarten. Es gibt einen Wald- und Dünenpfad, die die Ausbeutung von Holz und Sand bei der Herstellung von Glas symbolisieren. Außerdem gibt es einen Siegpunktepfad, auf dem sich die französische Armee unaufhaltsam auf Lissabon zubewegt. Und schließlich gibt es selbstverständlich kleine Fabriken, welche ihr in der Ruhephase mit von euch produzierten Waren (durch Investitionskarten in eurem Spielbereich) beliefert. Durch das Liefern von verschiedenen Waren (Holz, Textil und Töpferwaren, sprich braunen, rosa und schwarzen Cubes) erhaltet ihr den abgebildeten Ertrag wie Münzen, Einflusspunkte und derlei. Entnehmt ihr in der Aktionsphase Cubes aus den kleinen Fabriken, erhaltet ihr, wie bereits erwähnt, nicht nur die Waren zum Erfüllen von Auftragskarten, nein, ihr aktiviert auch die daneben platzierten Handwerke. Und zwar nicht nur eure eignen, sondern auch die der Mitspielenden.

Die große Stephens-Fabrik produziert Glaswaren. Wie viel sie produziert, hängt von der Rundenzahl und der Anzahl der Spielenden ab. Zu Beginn liegen in allen vier Schmelzöfen vier Waren (blaue, grüne und weiße Cubes). Diese symbolisieren Glaswaren, Flaschen und Glasplatten. Entnehmt ihr einen Cube aus einem der Schmelzöfen, nehmt ihr diese, wie bei den kleinen Fabriken, und platziert sie in euren Vorrat. Neben den grünen und blauen Schmelzöfen können ebenfalls Handwerke platziert und getriggert werden. Die weißen Schmelzöfen geben euch entweder Auftragskarten oder Investitionskarten, welche ihr in euren Spielbereich legt. Investitionskarten bringen euch in der Ruhephase gegebenenfalls Siegpunkte und produzieren Waren. Wie bereits oben beschrieben, behaltet ihr diese Waren nicht für euch, sondern ihr liefert sie in der Ruhephase an die kleinen Fabriken. Die Auftragskarten bezahlt ihr mit den aus den Fabriken und den Schmelzöfen entnommenen Cubes, die in eurem persönlichen Vorrat liegen. Sie generieren am Ende wie üblich Siegpunkte.

Sind zwei von vier Schmelzöfen aus der Stephens-Fabrik von euch geleert worden, beginnt die Ruhephase.

Zu Beginn der Ruhephase rückt die französische Armee in Richtung Stadt vor. Dann werden die zwei leeren Schmelzöfen der Stephens-Fabrik aufgefüllt und die kleinen Fabriken, sofern sich dort noch Cubes befinden, geleert. Besitzt ihr Investitionskarten, werden diese nun aktiviert. Mit den so erhaltenen Waren versorgt ihr jetzt die kleinen Fabriken und erhaltet ihren Bonus. Zum Ende der Ruhephase könnt ihr noch Aufträge erfüllen. Es beginnt eine neue Runde, in der ihr wieder Cubes aus den Fabriken nehmt oder Handwerken eine neue Arbeitskraft zuweist. Das Spiel-Ende wird ausgelöst, sobald die französische Armee auf ein Feld trifft, auf dem die Scheibe einer mitspielenden Person liegt. Es werden noch reichlich Siegpunkte vergeben und dann steht der oder die Glasermeister*in fest.

Spieleindruck

Klingt erst mal alles verwirrend? Keine Sorge, dies legt sich nach dem ersten Spiel. „Stephens“ ist bezüglich seiner Mechaniken etwas ungewöhnlich und somit tatsächlich neu auf dem Brettspielmarkt. Zwar will ich mir bei diesem Spiel eine gut funktionierende Engine aufbauen, aber diese nutze ich nicht alleine. Ich bin stark von dem abhängig, was meine Mitspielenden machen. Und da überlege ich mir schon gut, ob ich einen Cube aus Fabrik XY nehme und (auch) die Handwerke meiner Mitspielenden triggre oder ob ich doch erst mal selbst noch ein Handwerk auslege. Entscheide ich mich dafür, muss ich überlegen, welchen Vorteil ich durch die Entnahme einer Scheibe von meinem persönlichem Spieltableau haben möchte: lieber zu Beginn mehr als nur einen Cube aus einer Fabrik entnehmen können oder doch erst einmal die Möglichkeit zu besitzen, auf meinem Einflusspfad voranzuschreiten. Ohne Einfluss geht bei „Stephens“ auch nicht viel. Und so habe ich einige Entscheidungen zu treffen. Durch die Interaktion und die zufällig aufgedeckten Karten wird jedes Spiel etwas anders verlaufen, was den Wiederspielreiz erhöht. Grundsätzlich macht „Stephens“ aus meiner Sicht vieles richtig und vor allem bringt es Neues mit. Ich kann mir gut vorstellen, dass es Spieler*innen gibt, die mit „Stephens“ zunächst warm werden müssen. Daher kann ich wirklich empfehlen, auch nach einem etwas holprigen Start dem Spiel eine oder zwei weitere Chancen zu geben.

„Stephens“ bedient sich einem für mich interessanten, unverbrauchten Themas mit geschichtlichem Hintergrund. Daher finde ich es klasse, dass ein Begleitheft mit Hintergrundinformationen beigelegt wurde. Auch der Aktionsmechanismus des Fabriken beliefern und das Herausnehmen der Cubes mit Effekten ist, wie gerade erläutert, erfrischend neu. Thematisch gelungen finde ich zudem den Wald- oder Dünenpfad. Das Cover von Lukas Siegmon ist wieder eine Augenweide. Das alles gefällt mir schon mal richtig gut und war auch ein Grund, warum ich „Stephens“ unbedingt genauer betrachten wollte.

Die Anleitung ist manchmal etwas holprig, aber schlussendlich findet man, was man zum Nachlesen sucht, recht gut. Um den geschichtlichen Hintergrund bei den Aktionen zu verstehen, hätte ich mir, wie bei „Barcelona“, mehr Hinweise in der Anleitung gewünscht. Warum mache ich was? Warum ist das spielmechanisch so umgesetzt? Da ergeben sich für mich doch hin und wieder Fragezeichen. Bei den Investitionskarten und den Pfaden wurde dies wunderbar umgesetzt.

Die Zeitangabe ist realistisch. Hat man sich einmal durch „Stephens“ durchgearbeitet, sind 30 Minuten pro Person gut zu erreichen – je nachdem, welche Taktiken angewendet werden. Zur Erinnerung: Das Spiel endet, sobald die französische Armee auf einen Mitspielenden stößt. Wenn niemand im Verlauf des Spiels Siegpunkte sammelt und alle praktisch stehen bleiben, schaut es ganz anders aus, als wenn jemand auf Investitionskarten mit Siegpunktproduktion geht und sich Runde für Runde auf die Armee zubewegt.

Das Material ist hochwertig, da gibt es nichts auszusetzen. Nur die Pappboxen für die Karten sind leider schwer zu öffnen.

Grafisch wurde zu meinem Bedauern und für meinen Geschmack nicht das Optimale rausgeholt. Warum werden nur Cubes als Symbol auf den Fabriken, den Auftragskarten und auf den Investitionskarten angewendet und nicht das „echte Material“ grafisch dargestellt? Es wäre zum Beispiel sehr gut möglich gewesen, neben dem einen Cube in der Ecke der Fabriken und Öfen, die Waren, Flaschen und Glasscheiben einzuzeichnen. Oder auf den Auftragskarten anstelle der großen Symbole auf der linken Seite ein wirkliches Produkt, welches ich liefere. So schiebe ich am Ende tatsächlich auch sprachlich „nur Cubes“ hin und her. Ein weiteres Dilemma ist, dass sich auf den Investitionskarten rechts oben die Aktivierungskosten befinden. So kann ich die Karten nicht wie die Auftragskarten überlappend stapeln und brauche auf dem Tisch mehr Platz als nötig wäre.

Wer übrigens verwundert ist, warum die Grafiken so unterschiedlich daher kommen. Es waren unterschiedliche Personen am Werk. Da muss ich für meinen Geschmack und wegen der gerade genannten Punkte sagen: Schade, dass Lukas Siegmon „nur“ das Schachtelcover gestaltet hat.

Fazit: „Stephens“ bringt interessante neue Mechaniken mit. Es gibt verschiedene Taktiken, welche ausprobiert werden können. Wer sonst über zu wenig Interaktion in Brettspielen klagt, findet hier welche, aber ohne wirklich böse zu sein. Man wird nie zum Nichtstun verdonnert, und das fühlt sich für mich gut an. Schade finde ich, dass die Grafik das Thema aus meiner Sicht nicht ausreichend unterstützt. Noch ein kleiner Tipp: Wenn ihr „Stephens“ testet und es nicht sofort Begeisterungsstürme auslöst, belasst es nicht bei der einen Partie. Das Spiel will erobert werden. Viel Spaß dabei!

Stephens
Brettspiel für 1 bis 4 Spielende ab 14 Jahren
Rola & Costa
The Game Builders 2024
EAN: 4260617190037
Sprache: Deutsch
Preis: 79,00 EUR

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