World of Warcraft – The Burning Crusade

Zurück in der Welt von Warcraft hat sich das Dunkle Portal zum Scherbenreich geöffnet. Neue Overlords werden die Allianz- oder Horde-Spieler vernichten. – Mit dieser opulenten Erweiterung gewinnt das Brettspiel eine neue Tiefe und neue Spielkonzepte werden eingeführt; wenn der heimische Tisch groß genug ist…

von Lars Jeske

 

Wenn FFG etwas kann, dann qualitativ und quantitativ gewichtige Spiele designen. Obwohl ich es also hätte besser wissen können, war ich vom Umfang der großen Erweiterung „The Burning Crusade“ dennoch überaus positiv überrascht. Nach der ersten Erweiterung „Shadow of War“ (die eine reine Karten-Erweiterung war) gab es jetzt gut 2,5 kg an Nachschub. Oftmals soll ja die Masse konzeptuelle Mängel kaschieren, aber bei „World of Warcraft“ ist das nicht nötig. Es ist eine ideale Erweiterung für die erfahrenen „WoW“-Spieler; denn einfacher ist das Spiel nicht geworden.

Packungsinhalt

Während der Originalspielplan von Lordaeron mit 55x75 cm schon recht groß war, kommt nun ein verhältnismäßig kleiner (55x55 cm) Plan mit der Karte der Outlands dazu, dem Gebiet, auf dem es einen der neuen Endgegner zu schlagen gilt. Hinzu kommen neue Karten mit Gegenständen, Questkarten, zwei neue Heldenfiguren, aktualisierte Kreaturenübersichten, Giftmarker, Levelerweiterungen, zusätzliche Würfel, Flugtier-Karten, Plastikminiaturen von alten und neuen Monstern und Karten für das neue Konzept der Dungeons. Alles in allem ein echter Augenschmaus, und man macht sich gern in die neuen Gebiete auf, um auch aus diesen das Unheil zu vertreiben. Das reich bebilderte Regelbuch ist wie immer einfach gehalten und leicht verständlich verfasst.

Einfügung des Neuen in das bisherige Spielmaterial


Das größte Problem dürfte der zusätzliche Spielplan sein, der nun auch noch auf dem schon überladenen Tisch Platz finden muss. Die in der Beschreibung mitgelieferten Tipps zur Platzoptimierung klangen da schon beinahe ironisch, aber Spielwilligen wird wie immer eine Lösung einfallen (müssen). Wenn das geschafft ist, kann man eigentlich wie gewohnt sofort loslegen, allein das Konzept der Dungeons ist grundlegend neu, jedoch einfach gehalten und (etwas langatmig) eindeutig beschrieben.

Das generelle Spielprinzip (erschlage Questmonster für Erfahrungspunkte und Belohnung) wurde selbstverständlich nicht geändert, durch die Dungeons erhält das Spiel jedoch im wahrsten Sinne des Wortes eine neue Spieltiefe. Um es nicht zu knifflig zu machen, wurden die bisherigen 15 Fraktionsrunden, um den Overlord zu erledigen, dahingehend erweitert, als dass der alternativ das Spiel entscheidende PvP-Kampf nach Ablauf der 30 Runden entfällt. Nunmehr wird der Rundenmaker einfach wieder vorn aufgesetzt und das Spiel somit nur noch dadurch zu gewinnen, dass irgendwann der gewählte Endgegner vernichtet wird. (Also eine Spielvariante des Basisspiels.)

Auch andere marginale Änderungen gegenüber dem Originalspiel fallen positiv auf. Die folgenreichste dieser ist die Anhebung des maximalen Levels auf nunmehr Stufe 6. Jede der neun Klassen bekam dafür auch jeweils drei Stufe-6-Kräfte und -Talente spendiert. Um vor allem letztere anzulegen, wurden kleine Pappstreifen beigelegt, die bei den bisherigen Charakterübersichten einfach angelegt werden. Sieht zwar nicht besonders elegant aus, ist aber zweckdienlich. Zumal der gewählte Standardkarton nicht groß genug gewesen wäre, um die größeren Übersichten unterzubringen.

Dem entsprechend gibt es auf dem neuen Spielbrett eine Erfahrungsleiste, welche bis Level 6 reicht. Allerdings wurden nicht einfach nur ein paar Felder angefügt, sondern die Erfahrungsleiste modifiziert, und nunmehr sind max. 31 (vorher 28) Erfahrungspunkte erreichbar. Durch diese Varianz dauert das Spiel nicht noch zwei Stunden länger und der schnellere Stufenanstieg am Anfang jeder Partie fördert den Spielfluss.

Um den neuen Fähigkeiten der Figuren gerecht zu werden, wurde das Limit von 7 Würfen pro Farbe auf 10 erhöht. Des Weiteren sind jetzt für beide Seiten alle neun Heldenklassen verfügbar, da es nunmehr den Gegenpart zu dem Horden-Schamanen gibt (Draenei-Schamane) und auch der Allianz-Paladin kann nunmehr als Blutelfen-Paladin auf Seiten der Horde gespielt werden.

Die angenehmste Änderung ist jedoch die veränderte Monsterreferenz, auf der einige Anpassungen der Gegner vorgenommen wurden. Vor allem in höheren Stufen waren Gegner wie etwa der Oger bisher zu leicht. Dieser hat nunmehr bis zu vier zusätzliche Lebenspunkte und wird dadurch endlich ein ernst zu nehmender Gegner.

Das ist natürlich noch nicht alles, denn ausreichend Neuerungen beschert diese Expansion natürlich auch. Zum Beispiel gibt es drei neue Endgegner-Sheets (Lady Vashj, Kael’thas, Illidan Stormrage) oder, wenn man ohne den neuen Landstrich spielen will, alternativ zu den bisherigen drei Endgegnern (Lord Kazzak, Nerarian, Kel’Thuzad) jetzt auch Ragnaros. Allesamt viel schwieriger niederzuringen.

Neben gleich neun neuen Monsterklassen mit zum Teil fiesen Spezialfähigkeiten gibt es sogar noch eine weitere Farbe. Neben den bisherigen blauen (unabhängigen) Kreaturen gibt es jetzt Questkreaturen in den drei Farben grün, rot und lila. Figuren in lila sind noch stärker als die in rot und nunmehr die härtesten Herausforderungen. Die Modelle der Figuren kann man fast ausnahmslos als gelungen bezeichnen, so dass man sich noch mehr auf die neuen Quests freut. Mit den neuen 51 Miniaturen wurde der Gesamtpool an Monstern ordentlich aufgestockt, fast um die Hälfte.

Neben den neuen Quests in den Outlands (ausschließlich dort treiben sich die neuen Gegner herum), gibt es auch neue Quests für Lordaeron, vor allem um die lila Figuren ins Spiel zu bringen. Es gibt auch neue Quests für die unabhängigen Kreaturen (diese wurden in der ersten Erweiterung eingeführt), welche jedoch ohne diese erste Erweiterung nur begrenzt einsetzbar sind.

Ebenso neu sind ein weiterer Kartenstapel mit Gegenständen und die neu eingeführten Poison-Tokens. Auch liegen Karten mit Flugtieren zur schnelleren Bewegung bei, allerdings handelt es sich hierbei um ein automatisches Upgrade ab dem 6. Level, mit welchem man drei Felder weit reisen kann.

Das konzeptuelle Highlight an Neuerungen ist jedoch die Variante jetzt auch Dungeons erforschen zu können. Drei dieser befinden sich in den Outlands (in denen auch die Endgegner in der dritten Ebene warten), die anderen vier zweistufigen Dungeons werden durch Marker an festen Orten auf dem Originalspielplan symbolisiert. Jeweils ebenenweise kämpft man sich dort Runde um Runde nach der Aktionsphase der eigenen Fraktion vorwärts. Hierbei deckt man vom Kartenstapel des entsprechenden Dungeons in der Regel so lange Karten auf, bis man auf einen Hauptgegner trifft. Meist stehen zwei Gegner pro Ebene zur Verfügung. Durch dieses Zufallsprinzip weiß man vorher nie, auf wen man trifft, was für zusätzliche Ausrüstungsgegenstände man gegebenenfalls findet, ob es sonstige Boni gibt oder ob der Boss durch spezielle Schergen sogar noch unterstützt wird. Vor allem Letzteres kann zu einem unerwarteten und frühen Ableben der Helden führen, vor allem wenn mehrere der Minions als Unterstützung für ihren Boss auftauchen, da deren Boni zumeist dessen kleine Schwachstellen weiter minimiert.

Praxistest
(Vorbemerkung: „The Burning Crusade“ wurde zusammen mit dem Basisspiel getestet, ohne die Erweiterung „Shadow of War“ zu verwenden.)

Trotz der zusätzlichen Spielkomponenten wird das Spiel nicht unübersichtlicher, da sich alles gut hinzufügen lässt. Einzig ein Pappuntersetzer, um den Ausflug in einen Dungeon stimmungsvoller zu gestalten (dafür werden die Figuren nämlich vom Brett genommen) wäre eine weitere sinnvolle Ergänzung gewesen.

Das Spiel an sich dauert jetzt ca. 1 Stunde länger als vorher, was jedoch zu ungefähr gleichen Anteilen auf die Spielvorbereitung, Erklärung der neuen Komponenten, Regelnachfragen der Mitspieler während der Partie und des 6. Levels entfällt.

Da man leichter beziehungsweise schneller in den Stufen aufsteigt (bis zur 4. ohne Probleme), kommt einem das Spiel jedoch schneller/flüssiger als bisher vor. Das liegt auch daran, dass man nicht mehr jeder Mission hinterherrennen muss, sondern nunmehr auch alternativ einen in der Nähe gelegenen Dungeon zum Aufsteigen benutzen kann. Auch blaue Kreaturen sind jetzt leichter zu umgehen. Eine weitere sinnvolle konzeptuelle Änderung (neben den Quests für die blauen Kreaturen) ist die Möglichkeit, Lordaeron-Quests zu tauschen, das heißt so lange neue zu ziehen, bis man anstatt dieser nun eine in den Outlands erledigen muss. – So weit, so gut.

Auf dem neuen Spielbrett der Outlands kommen dann die negativen Aspekte der Erweiterung zum Tragen.

Zum einen sind die neuen Miniaturen mitunter etwas zu groß geraten und stehen dann anstatt in den kleinen Gebieten oft schon gleichzeitig in dreien. Trübt etwas die Stimmung und wirkt vor allem etwas befremdend da neben diesen neuen ein Drache des Originalspiels viel zu winzig aussieht und keine Erfurcht mehr hervorruft, obwohl er nicht minder schwer zu besiegen ist. Aber daran gewöhnt man sich vielleicht und die neuen Orte findet man auch bald auf der Karte.

Was die Erweiterung etwas zwiespältig erscheinen lässt, ist jedoch der Aspekt, dass man nun richtig leveln muss, das heißt sich schon frühzeitig für die „richtigen“ Talente und Kräfte entscheiden muss, um gegen den Endgegner wenigstens den Hauch einer Chance zu haben. Gegen einen der Gegner im Grundspiel war es relativ egal, was man sich anschaffte, ab Level 4 rannte man einfach zu diesem hin und konnte ihn in der Gruppe recht einfach umhauen. Der Endkampf gegen die andere Fraktion war da schon weitaus schwieriger zu gewinnen.

Das Spielkonzept, nur als Gruppe gewinnen zu können, kommt nunmehr überproportional zum Tragen, als dass man genauestens darauf achten muss, welche Fähigkeiten man braucht und was die anderen zum Gruppenerfolg beisteuern können. Denn der neue Endgegner wartet nicht nur erst in der dritten Ebene nach mitunter verlustreichen Kämpfen auf einen, sondern ist einfach übermächtig. (Egal auf welchen der dreien die Wahl fiel.) Vor allem dann, wenn man sich nicht extra gegen dessen Spezialfähigkeit ausgerüstet hat. Aber selbst dann braucht man eher sehr viel Würfelglück, um wenigstens ein paar Treffer zu landen, bevor sich die ersten Fraktionsmitglieder auf dem nächsten Friedhof wiederfinden. (Nach dem zweiten erfolglosen Angriff haben wir dann einfach die Kampfwerte des Gegners reduziert, um nicht umsonst gespielt zu haben.) Auch ist es anscheinend nicht mehr möglich, in jeglicher Gruppenkombination das Spiel zu gewinnen. (In einem 4-Personen-Spiel machte ich persönlich die Erfahrung, dass die neu ausprobierten Klassen Schurke und Hexer zusammen erst gar nicht versuchen brauchen, sich mit dem Endgegner zu messen – eine bittere Pille nach über sechs Stunden Spielzeit.)

Fazit:
Für die qualitativ und quantitativ hochwertige Erweiterung „The Burning Crusade“ braucht man für eine bloße Erweiterung relativ viel zusätzlichen Platz und man sollte mit einer erhöhten Spielzeit von mindestens einer Stunde rechnen. Dieser Mehraufwand ist durch die erhöhte Spieltiefe und größere Abwechslung aber mehr als gerechtfertigt und fällt nicht weiter ins Gewicht. Mit dieser guten Erweiterung ist man jetzt wirklich Held für einen Tag.

Allerdings sind es für Neueinsteiger in das Brettspiel vielleicht mittlerweile schon zu viele Regeln. Leider ist nun auch das „richtige Upgrade“ für alle Helden zwingend notwendig, da die neuen Endgegner nur sehr schwer zu besiegen sind. Somit ist diese Erweiterung eher für erfahrene Spieler geeignet, welche mehr Abwechslung wollen und neue Herausforderungen suchen, welche sie hier definitiv finden werden.


World of Warcraft – The Burning Crusade
Brettspiel für 2 bis 6 Spieler ab 12 Jahren
John Goodenough
Fantasy Flight Games/Heidelberger Spieleverlag) 2007
ISBN: 978-1-58994-322-3
Box mit Spielplan, 53 Plastik-Miniaturen, 2 Charakterbögen, 9 Charakterbögen-Erweiterungen, 390 Karten, 55 Marker, 9 Würfel, 6 Übersichtstafeln, Regelwerk, englisch
Preis: $ 49,95

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