World of Warcraft TCG: Marsch der Legionen

Es gibt einige Millionen Menschen, die süchtig nach dem Computerspiel sind. Es wäre doch gelacht, wenn es nicht möglich wäre, auch die Fantasy-affinen Gesellschaftsspieler in diese Welt hineinzuziehen. Die Mechanismen sind ähnlich, und wenn zwei so erfolgreiche Firmen wie UDE und Blizzard zusammenarbeiten, muss es doch möglich sein, die Faszination Azeroth zu transportieren. Und genau so ist es.

von Kai Melhorn

 

In dieser Rezension soll es um das Sammelkartenspiel „World of Warcraft: Marsch der Legionen“ gehen. Für jene, die das Spielkonzept der Sammelkartenspiele noch nicht kennen, sind die nächsten Zeilen. Ist man mit dem Konzept vertraut und kennt die Grundregeln des „World of Warcraft“-TCG, kann man getrost direkt ein Kapitel weiter springen und dort weiterlesen.

Für den TCG- oder WoW-Neuling

Das bestechende Rezept von Sammelkartenspielen (Trading Card Games) ist eigentlich schon komplett im Namen zu finden. Es ist ein Kartenspiel, bei dem sich meistens zwei, aber manchmal auch mehrere Gegner gegenübersitzen und zu gewinnen versuchen. Soweit ist dies für ein Spiel wahrlich nichts besonderes, aber bei diesem Konzept bringt jeder Spieler seine eigenen Karten mit, die er speziell und individuell zusammengestellt hat. Man beginnt als normaler Spieler mit einem so genannten Starter-Deck. Dies enthält eine gewisse Anzahl von Karten (in diesem Falle 33), mit denen man das Spiel schon sehr gut testen kann.

Nun sind diese Spiele allerdings so ausgelegt, dass sie zwar auch mit einem Starter-Deck Spaß machen, aber viele Konzepte nur angedeutet werden. Möchte man bessere Chancen zu gewinnen haben, muss man sich so genannte Booster-Packs kaufen. Diese enthalten auch wieder eine bestimmte Anzahl von Karten und sind im Allgemeinen für einen nicht allzu hohen Preis zu bekommen. Im Falle eines Boosters von „Marsch der Legionen“ bekommt man 19 Karten in einer zufälligen Zusammenstellung. Das heißt, man kauft die Katze im Sack oder hier die Horde im Schlafrock.

Die Faszination entspringt der Vielzahl der Möglichkeiten, die gesammelten Karten zu einem schlagkräftigen Deck zusammenzustellen. Wie in jeder Situation in der man einen Kampf bestreiten muss, entscheidet man sich für eine Strategie, die es dann gilt mit den Karten bestmöglich umzusetzen, die man bereits besitzt. Hat man mit dieser Strategie keinen Erfolg, versucht man es mit einer anderen. Oder aber man ist überzeugt, dass man einfach noch nicht genug Karten hatte, um mit dieser Strategie zu gewinnen und kauft sich noch mehr Karten. Ein Teufelskreis also, der viel Geld kosten, aber mit Sicherheit auch genau so viel Spaß bieten kann.

Wie Spielt man nun dieses „World of Warcraft“-Kartenspiel? Jeder Spieler übernimmt die Rolle eines Helden, den man sich selbst aussucht und der von Anfang an offen auf dem Tisch liegt. Die Aufgabe eines jeden Spielers ist es nun, alle anderen Helden zu vernichten. Im Spiel 1-gegen-1 heißt das also, dem gegnerischen Helden alle Lebenspunkte zu entziehen. Spielen mehr als zwei Spieler, gibt es die Möglichkeit eines „Team-Play“ oder „Jeder gegen jeden“.

Unabhängig vom Spielmodus muss man seinen Helden mit Waffen, Rüstungen und Alliierten versorgen, damit er sich gegen seine Feinde zur Wehr setzen kann. Sind die ersten Truppen auf dem Schlachtfeld verteilt, kann es auch schon losgehen und gezielte Angriffe gegen den Helden seine Verbündeten können losgetreten werden. Doch Vorsicht: Ist man zu ungestüm, ist man im Gegenzug ein leichtes Opfer für den Feind. Es gilt also immer abzuwägen, welche Kräfte man für die Vernichtung des Gegners und welche zum eigenen Schutz einsetzt. Denn hat man mehr Schaden erlitten, als der eingesetzte Held Lebenspunkte zur Verfügung hat, ist man unwiderruflich ausgeschieden und hat das Spiel verloren.

Der Marsch der Legionen

Als ich das Starter-Pack von „Marsch der Legionen“ in den Händen hielt, war ich angetan. Eine Box hat in etwa der Größe einer Videokassette, ist von einem dämonisch ansprechenden Design und überzeugt durch die hohe Robustheit. In dieser Packung findet man dann eine Anleitung, drei übergroße Heldenkarten, ein Starter-Pack mit 33 Karten und zwei Booster-Packs mit jeweils 19 Karten darin. Die Box ist so ausgelegt, dass man ohne Probleme sein Deck, Side-Deck und genug Counter darin transportieren kann und keine Angst haben muss, dass sie sich im Rucksack oder im Koffer versehentlich öffnet.

Die Anleitung macht einen guten Eindruck. Verständlich geschrieben, nettes Design und genug Zeichnungen, um die Regeln zu verdeutlichen. Die übergroßen Heldenkarten fand ich zunächst unnötig und dachte, sie wären sicher nur dazu da, um die Sammelleidenschaft noch mehr anzuregen. Das kann durchaus auch so sein, aber einige der Illustrationen der Helden sind so stimmungsvoll und phantastisch gezeichnet, dass es Spaß macht, sie in etwas größer zu betrachten. Ich wünschte, man hätte sich bei der Übersetzung der Kartentitel ähnlich viel Mühe gegeben. Hier hat man ab und zu das Gefühl, dass tatsächlich ein Wörterbuch zu Rate gezogen wurde, anstatt die eigene Kreativität walten zu lassen. So wurde für einen Ork-Hexenmeister eine geniale Zeichnung herbeigezaubert und dann ist der Name dieses dunklen Helden… Forang Todesröcheln. Also wirklich! Das gibt einen klaren Punktabzug.

Was ist neu in „Marsch der Legionen“? Das Rufsystem im Computerspiel, auf welches dieses Kartenspiel massiv aufbaut, basiert auf dem Konzept, dass jeder Spieler gegenüber computergesteuerten Figuren einen Feind oder einen Freund repräsentiert. So kann ein Spieler A, der eigentlich im selben Team ist, wie Spieler B, von einer Figur angegriffen werden, während der andere mit dieser Handel treibt. Im Falle der Aldor und Seher, die mit dieser Erweiterung des Spiels auch hier als Fraktionen eingeführt wurden, muss man sich für eine Seite entscheiden und wird bei den einen immer willkommen sein, währenddessen die anderen für immer Feinde sein werden.

Die Umsetzung im Kartenspiel ist sehr einfach. Man kann Verbündete der Aldor oder Seher im Spiel haben, aber eben nicht beide. Beide Fraktionen kommen mit Spezialfertigkeiten daher. So haben die meisten Aldor-Verbündete die Möglichkeit, sich mittels Inspiration stärkend auf die Gruppe auszuwirken, währenddessen die Seher ihre Fähigkeiten der Sabotage ausnutzen, um den Gegnern zu schaden. Wie auch im Computerspiel gibt es keine Bindung der beiden Fraktionen an Horde oder Allianz.

Als weitere Neuerung bleibt noch die Beidhändigkeit bei Distanzwaffen zu erwähnen. Es wird also einem Helden unter Umständen möglich sein, zwei Distanzwaffen anzulegen und im Kampf zu gebrauchen.

Insgesamt kommen 319 neue Karten auf den Sammler zu. Darunter 16 epische und 80 rare Karten, die es zu sammeln gilt. Weiterhin gibt es insgesamt drei Beutekarten, die zusätzlich im Computerspiel genutzt werden können, um speziell für die Kartenspieler besondere Gegenstände freizuschalten. Dies bringt mich auch schon zu meinem Kritikpunkt an dem „World of Warcraft“-TCG: der exzessive Sammleraspekt. Sammelkartenspiele sind schon von Natur aus darauf ausgelegt, die Spieler zum Kauf von Booster-Packs zu überreden, indem immer neue Spielkonzepte vorgestellt werden, bei denen ist keinen Sinn macht, sich einen oder zwei Booster zu kaufen. Es müssen schon ein paar mehr sein, damit es etwas bringt. Die übergroßen Heldenkarten appellieren noch weiter an die Sammlerherzen. Weiterhin werden auch noch die Computerspieler belohnt und über diese Karten an das Spiel herangeführt, um noch mehr Kunden zu gewinnen. Und zu guter Letzt finden sich auch noch in jedem Booster so genannte Punktekarten, die für Gimmicks von Upper Deck Entertainment (UDE) eingetauscht werden können. Das ist aber noch nicht alles. Die Karten haben neben dem Punktewert auch die Eigenschaft, einen Rohstoff zu repräsentieren, von denen es einige verschiedene gibt. Hat man nun eine bestimmte Kombination von Rohstoffen beisammen, dann kann man diese wieder gegen besondere Karten eintauschen. Natürlich ist bei diesen Rezepten immer ein sehr seltener Rohstoff von Nöten, damit es die Sammler auch nicht zu einfach haben.

Fazit: Dieses Spiel macht Spaß. Es ist einfach zu lernen, erfordert im Spiel selber keine übermenschlichen Leistungen, und wie immer ist es sehr verführerisch, viel über Taktiken und Variationen nachzudenken und diese je nach Kartenstand umzusetzen und in einem Spiel auszuprobieren. Dabei ist die Bindung an das Computerspiel sehr eng. Viele Waffen, Quests und Texte sind dem Fan schon längst bekannt und erzeugen ein gutes Gefühl der Authentizität. Das ist nicht nur schön für den Spieler, sondern auch sehr angenehm für die Designer. Weiterhin gibt es eine sehr aktive Szene mit Turnieren und jeder Menge Veranstaltungen, bei denen man um seltene Karten kämpft. Insgesamt fällt es mir also schwer, nicht begeistert zu sein. Nur der Holzhammer, der um jeden Preis die Sammelleidenschaft entfachen soll, entspricht nicht meiner Vorstellung eines Spiels, das für die Spieler gemacht ist. Das geht mir ein klein wenig zu weit.


World of Warcraft TCG: Marsch der Legionen
Sammelkarten-Erweiterungsset
Upper Deck 2008
319 Karten, deutsch
Preis: ca. 10 EUR (Starter) / ca. EUR 3,99 (Booster)

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