Will Eisner’s The Spirit 1

In der Geschichte des US-amerikanischen Comics besetzt Will Eisner einen Ehrenplatz. Seine berühmteste Schöpfung ist „The Spirit“. Nach dem Tod des Ausnahmekünstlers hat sich DC die Rechte an der Figur gesichert und lässt nunmehr Darwyn Cooke eine eigene Serie schreiben und illustrieren. Die deutschen Fans können sich die übersetzten Bildergeschichten in Sammelbänden von Panini Comics zu Gemüte führen.

von Simon Ofenloch

 

Maskierte Verbrechensbekämpfer gibt es viele. Zumindest in der amerikanischen Comic-Landschaft. „The Spirit“ ist einer von ihnen, tatsächlich einer der ersten. Das Licht der Öffentlichkeit erblickte „The Spirit“ 1940. Bis 1952 erschien die Comic-Serie, die heute ein absoluter Klassiker ist, als wöchentliche Sonntagsbeilage verschiedener Zeitungen.

Hinter der Maske von The Spirit verbirgt sich der ehemalige Polizist Denny Colt, der in der ersten Folge der Comic-Reihe bei einem Einsatz mit einer tödlichen Chemikalie in Berührung kommt und daraufhin für tot gehalten wird. Doch nicht nur sein Geist lebt weiter, nein, Denny Colt übersteht den Zwischenfall völlig unbeschadet. Aber das Leben als Toter hat seinen Reiz: keine Steuern, keine Verpflichtungen, keine Regeln. Und die Möglichkeit, als unabhängiger Privatdetektiv durch die Unterwelt zu geistern.

Zur Unterkunft und Einsatzbasis des neu geborenen, nicht unfehlbaren Helden, der seine Abenteuer mit einer Augenbinde, Hut und Trenchcoat und ohne besondere Superkräfte bestreitet, wird ein verborgenes Labor unter dem Friedhof, auf dem er begraben wurde. Ein Refugium, das an die Bat-Höhle von Bruce Wayne alias Batman erinnert. Überhaupt gibt es einige Parallelen zwischen dem geisterhaften Ex-Polizisten und dem flatterhaften Multimillionär und ihren jeweiligen Comic-Universen. Eine besonders auffällige Ähnlichkeit ist der väterliche Vertraute bei der Polizei. Bei „The Spirit“ ist das Commissioner Dolan, im Fall von Batman Commissioner Gordon.

Die Abenteuer von The Spirit sind Detektivgeschichten, Kriminalgeschichten, die allerdings auch Elemente der Fantasy nicht ausklammern, insbesondere in der Gestaltung der kriminellen Gegner. Einflüsse des Gangsterfilms und Aspekte, die heute als „Film Noir“-Charakteristika bekannt sind, sind ebenfalls unverkennbar. Ein besonderes Interesse besteht an der Abbildung von und der Auseinandersetzung mit menschlichen Schicksalen in einem primär bedrohlichen, urbanen Umfeld. Was Will Eisners Comic-Reihe von jeher so besonders machte, war ihre grafische und erzählerische Qualität. Eisner war stark vom Medium Film beeinflusst. Daher rührte seine Freude am Experimentieren mit gestalterischen Mitteln. Bedeutungsschwangere Schattenwürfe, unkonventionelle Bildkompositionen und ungewöhnliche Blickwinkel gab es bei ihm zuhauf. Zum Markenzeichen wurden seine Titelseiten, die Schrift und Bild stets originell miteinander verbanden.

Darwyn Cooke ist nicht Will Eisner, obwohl er bereits mehrfach mit dem renommierten Preis der US-Comic-Branche ausgezeichnet wurde, der den Namen des geistigen Schöpfers von „The Sprit“ trägt, dem Eisner Award. Die graphische Gestaltung der neuen „The Spirit“-Reihe orientiert sich an den Bildern der Originalcomics. Doch Cookes Zeichenstil ist weicher, feinfühliger, runder als der des Vorreiters Eisner. Auch die Farbgestaltung der neuen Bildergeschichten wirkt anders als die der früheren Zeichnungen, weil sie heute natürlich computergestützt vorgenommen wird. Cookes Bilder sind so gefällig wie vieles, was heute in breiter Masse auf dem US-Comic-Markt produziert wird. Das heißt nicht, dass sie schlecht sind. Man vermisst in ihnen nur den Detailreichtum, die Tiefe und die eigene Handschrift, die ein Will Eisner noch zu realisieren wusste.

Insgesamt sechs Originalcomics aus der Feder von Darwyn Cooke haben in deutscher Übersetzung Eingang gefunden in den ersten „Will Eisner’s The Spirit“-Band von Panini Comics. Inhaltlich erkennt man vieles aus den frühen Comics wieder. Zahlreiche alte Bekannte aus Central City sind vertreten. Und auch die „Origin Story“ von The Spirit wird noch einmal erzählt. Darwyn Cooke variiert subtil das Gesamtumfeld und einzelne Szenarios, interpretiert Eisners Geschichten behutsam neu und modernisiert sie dabei. Die einzelnen Abenteuer reihen sich schließlich zu einer groß angelegten Gesamtgeschichte, die mit diesem ersten Sammelband noch nicht ihren finalen Abschluss findet.

Fazit: Es hat etwas von Blasphemie. Doch eines muss man neidlos zugesehen: Darwyn Cooke ist allen Grundelementen treu geblieben, sowohl inhaltlich als auch zeichnerisch. In seinem ganz eigenen Stil hat er viele „Einstellungen“ und Bildideen von Eisner übernommen. Das Ergebnis: kein Ersatz für die Originalcomics, aber eine durchaus bemerkenswerte Hommage.


Will Eisner’s The Spirit 1
Comic
Darwyn Cooke
Panini Comics 2008
ISBN: 978-3-86607-589-4
148 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 16,95

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