Wege der Alchimie

Die Kunst und Macht des Gegenständlichen wird in der Alchimie wahr, wenn Helden oder Schurken magische Schwerter oder Zauberschilde nutzen, sich mit Krafttränken stärken oder den Gegner mit Giften nahe rücken. Magier und Beschwörer nutzen Bannkreise und arkane Glyphen, um Dämonen zu bannen oder Eindringlinge abzuwehren. In dieser Spielhilfe werden die großen Bereiche Alchimie, Artefakte sowie Runen- und Glyphenmagie vorgestellt und mit vielen Rezepten, spielbaren Artefakten und Zauberrunen ergänzt.

von Ansgar Imme

Nach der Neuordnung der Grundregeln von „Das Schwarze Auge“ über die vier sogenannten „Wege“-Bände musste auch ein Nachfolger zum Ergänzungsband „Stäbe, Ringe, Dschinnenlampen“ her, da „Wege der Zauberei“ schon so umfassend gewesen war, dass erneut die Themen Alchimie, Artefaktmagie und Runenmagie in einen extra Band ausgegliedert wurden. Mit „Wege der Alchimie“ wurde der obige Vorgänger auf einen aktualisierten Regelstand gebracht und zudem umfassend erweitert und mit vielen neuen Rezepten, Artefakten und Runen versehen. Mit Chris Gosse, Uli Lindner und Thomas Römer waren nicht nur drei der beliebtesten Autoren des Rollenspiels „Das Schwarze Auge“ beteiligt, sondern mit Römer auch der Verfasser unzähliger Erscheinungen rund um die Magie sowie mit Chris Gosse einer der Regelexperten überhaupt.

Von magischen Umhängen, Unsichtbarkeitselixieren und leuchtenden Runen


Der Band ist vor allem in die drei großen Bereiche zu den genannten Themen gegliedert, die zwischen 35 und 60 Seiten umfassen. Nach einem kurzen Vorwort und Hinweisen zur Verwendung des Bandes beginnt der eigentliche Inhalt mit allgemeinen Informationen zur Alchimie, die sowohl geschichtliche Daten, die Vermischung mit Quacksalberei und vor allem Hinweise zu wichtigen Büchern und Werken der Alchimie bereitstellt. Dazu wird auf das alchimistische Labor bzw. dessen unterschiedliche Ausprägungen und auf alchimistische Symbolik und Schriften eingegangen. Ausführlichen wird der Prozess der Herstellung von Elixieren und Tränken bei unterschiedlichen Laborstufen, die Beschaffung von Materialien dafür und der Brauprozess an sich mit verschiedenen Expertenregeln erläutert. Das erste Kapitel schließt mit Geheimnissen der Alchimie, zu denen der Einsatz der Alraune, das Erfinden neuer Rezepte, große Werke der Alchimie und legendäre Rezepte sowie die Alchimie im Spiel gehören. Das anschließende umfassende Kapitel widmet sich den verschiedenen Rezepten Aventuriens und dabei auch den Folgen misslungener Elixiere. Neben einfacher Alchimie aus dem Handgelenk, wie Geheimtinte oder Augentropfen zur Nachtsicht, finden sich bekannte Elixiere, die Eigenschaften verbessern, Brandöle, aber auch Gifte verschiedener Art, Heilmittel, Rauschmittel, Verwandlungstränke und Zaubermittel in einer großen Fülle.

Im zweiten großen Teilbereich wird auf die Artefakte eingegangen und wie sie sich in der Wirkweise unterscheiden (einmalige oder mehrmalige Wirkung, wiederaufladbar, dauerhaft wirkend etc.). Die Artefaktherstellung wird auf mehreren Seiten erläutert und umfasst neben Grundlagen die Entwicklung der Thesis des Artefaktes, die Probe mittels des Zaubers Arcanovi selbst inklusive der Zahl und Komplexität wirkender Sprüche, Anzahl der Ladungen und der für den Magier entstehenden Astralpunkte-Kosten mit den zugehörigen Regelkonstrukten, die sehr individuelle und einzigartige Artefakte ermöglichen. Im Folgenden wird genauso auf die Entzauberung von Artefakten eingegangen sowie auf den Nutzen von reinen Kraftspeichern von Astralenergie. Das Wissen um magische Werke wird mit dem Zauber „Infinitium Immerdar“ als dauerhafte Verzauberung vertieft. Dazu werden verschiedene Expertenregeln vorgestellt: Varianten der Herstellung von Artefakten, misslungene, beseelte und besessene Artefakte und magische Nebeneffekte. Ergänzt wird dies durch die Betrachtung der gegenständlichen Zauberei der verschiedenen Zaubertraditionen und Hinweise für den Spielleiter im Umgang mit Artefakten im Spiel. Wie auch bei der Alchimie wird dieser Themenbereich durch eine große Auswahl von verschiedenen Artefakten abgeschlossen, z.B. magische Waffen oder Rüstungen, Kleidung, Behälter, Werkzeuge, Edelsteine, Möbel und Fallen, aber auch legendäre Artefakte wie Schwarze Augen oder ganz besondere Artefakte wie Bauwerke oder Lebewesen.

Im dritten Themenabschnitt werden die magischen Zeichen in Form von Runen und Zauberzeichen beschrieben, die irdisch als auch aventurisch erst in den jüngeren Jahren bekannt wurden. Auch hier erklärt ein Regelteil das Erlernen, Erstellen und Aktivieren der magischen Zeichen sowie deren Effekte und Auswirkungen und Reaktivierungen. Ebenso werden Expertenregeln zu Materialien, unterschiedlichen Größen und Schnellanfertigungen aufgeführt. Es erfolgt eine Unterscheidung in Glyphen und Kreise, die jeweils auf unbelebtem Material angebracht werden, sowie die auch auf Menschen anwendbaren Runen. Nach einer kurzen Einleitung zu den jeweiligen spezifischen Anwendungen und Wirkungen und bildlichen Beispielen erfolgt eine alphabetisch geordnete Aufführung, die beispielsweise Fallensiegel, Siegel der Stille, Schutzkreise gegen Dämonen oder Geister, Runen der Stärke, der Entgiftung oder der Wandlung von Salz- und Süßwasser beschreibt. Beendet wird dieser Abschnitt mit Geheimschriften der Alchimie und Magie, die sowohl mit echten Schriftzeichen vorgestellt, als auch inhaltlich und vom Hintergrund her beschrieben werden.

Neben den drei großen Themengebieten wird der Band durch zwei Kapitel zur magischen Analyse von Artefakten, Zauberzeichen und Alchimika sowie die Beschreibung magischer Materialien und alchimistischer Zutaten ergänzt. Die magische Analyse besteht aus einem großen Regelteil, der die Ergebnisse einer Analyse darstellt und verschiedene Analysemöglichkeiten erklärt. Bei den Materialien und Zutaten, die im Vergleich zum Vorgängerband eine Verdopplung von 10 auf Seiten 20 erfahren haben, werden einerseits Affinitäten von Materialien zu bestimmten Zauberwirkungen oder Grundlagen aufgeführt, als auch vor allem die vielen Ingredienzen ausführlich beschrieben: von den klassischen, über die magischen Metalle, Gesteine und Mineralien, Edelsteine, Hölzer, Kräuter und Pflanzen, bis zu Exotica werden sowohl Regelelemente und -verfeinerungen wie auch Aussehen oder Eigenschaften aufgeführt. Ein umfassendes Tabellenwerk mit Angabe von Typ, Verarbeitungsschwierigkeit und Preis für die Zutaten, das Glossar und der Index runden den über 200 Seiten umfassenden Band ab.

Aus der Tiefe des Kessels … die Kritik: Aufmachung, Layout, Inhalt

Die generelle Aufmachung und das Layout halten sich an die Vorgaben anderer Spielhilfen, wobei hier verstärkt graue Kästen mit Expertenregeln genutzt werden. Ansonsten ist dies auf einem hohen Niveau, wobei das Cover sowohl qualitativ als auch vom Ausdruck exzellent ist. Es trifft ideal den Kern des Bandes und ist gleichzeitig wunderschön anzuschauen. Eine Anekdote am Rande: Es gab zuerst ein anderes Cover, welches aber doch trotz ebenso hoher Qualität nicht genutzt wurde, da es vermutlich an manchen Stellen zu modern wirkte (der Alchimist trug dort eine eher in den Bereich Steampunk passende „Brille“).

Inhaltlich wird ein Füllhorn an Informationen über dem Leser ausgeschüttet. Vergleicht man dies mit dem Vorgänger „Stäbe, Ringe, Dschinnenlampen“, welches auch immerhin schon 136 Seiten umfasste, so wurde der Inhalt noch einmal um knapp 50% aufgestockt. Vor allem der Bereich der Alchimie hat eine große Aufwertung bekommen. Neben dem geschichtlichen Abriss wurden viele kleine (Regel-)Erweiterungen im Bereich des Brauens von Tränken, wie Verdünnen oder Haltbarkeit erhöhen, hinzugefügt, außerdem Rezepte und die alchimistische Bibliothek ergänzt. Dazu haben die Autoren eine sehr schöne Lösung für das Abenteurerleben und die Alchimie gefunden: Ideal erweist sich nämlich die Aufteilung in die drei Laborstufen: „archaisch“, „Hexenküche“ und „Alchimistisches Labor“. Je nach Ausstattung sind bestimmte Rezepte gar nicht oder nur mit Erschwerung oder umgekehrt mit Erleichterung möglich. Zudem sind die Labore auch nur beschränkt mobil und unterschiedlich teuer, sodass auch die Herstellung von Alchimika ein ganz eigenes Abenteuer werden kann, wenn auch noch bestimmte Zutaten beschafft werden müssen. Das Regelgerüst hält sich zudem für „DAS“-Verhältnisse in Grenzen bzw. wird erst durch Expertenregeln komplizierter.

Das größte Kapitel des Vorgängerbandes war die Artefaktmagie, und auch hier wurde kaum gekürzt. Leider auch nicht beim Regelteil, bei dem die Liebe des zuständigen Autors Thomas Römer zu detaillierten Regelkonstrukten zum Vorschein kommt. Schon die Grundlagen sind durchaus kompliziert und erfordern immer wieder Boni und Mali auf die Proben je nach Kategorie, Auslöser des Artefaktes, komplexe Auslöser, Varianten des Auslösers, Materialien, Zahl und Komplexität der wirkenden Sprüche usw. Positiv gesehen hat man hier tolle Möglichkeiten, auch die Artefaktmagie je nach Wunsch des Spielers sehr detailliert zu gestalten und alle möglichen Eventualitäten zu berücksichtigen. Allerdings kann man sowohl für die Probenberechnung als auch die notwendigen Astralpunkte ein paar längere Berechnungen einkalkulieren. Man hat den Eindruck, dieser Teil wurde im Vergleich zum Vorgänger noch verkompliziert. Dabei hätte man hier die Chance gehabt, den Prozess einfacher zu machen. Vor allem wäre es übersichtlicher, die verschiedenen Erschwernisse tabellarisch zu präsentieren und diese nicht im Fließtext und in grauen Kästen zu verstreuen. Der inhaltliche Teil abseits der Regeln und die vorgestellten Artefakte sind hingegen sehr gut und bieten einen hohen Spielnutzen.

Lobenswert ist auch der massive Ausbau der magischen Zeichen und Glyphen: Von ehemals 16 Seiten haben die Autoren diesen Themenfokus auf 35 Seiten ausgebaut und dabei vor allem weitere Runen und Zauberzeichen entwickelt, während der Regelteil weitestgehend gleich blieb und nur durch einige Expertenregeln ergänzt wurde. Ebenso verhält es sich mit der magischen Analyse, die bisher knapp auf 1-2 Seiten behandelt wurde und jetzt einen eigenen Part bekommen hat. Dieser ist zwar durchaus regellastig, aber trotzdem noch einfach genug gehalten und betont vor allem die unterschiedlichen Ergebnisse und damit Auslegungen der Analyse. Abschließend kann zudem das achtseitige anhängende Tabellenwerk gelobt werden, das Zutaten, Proben etc. auflistet.

Fazit: Wer gerne Alchimisten, Artefaktmagier oder ähnliches spielt oder Erzeugnisse aus diesen Bereichen als Spielleiter einsetzt, kommt um diese Spielhilfe nicht herum. Zwar sind manche Regelelemente sehr detailliert, aber im Notfall kann man diese auch mal kürzen oder weglassen. Ansonsten bietet der Band eine Fülle und Unmenge an neuen alchimistischen Erzeugnissen, Artefakten und magischen Zeichen und damit verbunden auch schöne Abenteueraufhänger. Der Mehrwert gegenüber dem Vorgänger ist immens, einem Kauf steht – außer Alchimiehassern – nichts im Wege!


Wege der Alchimie
Regelwerk
Chris Gosse (Red.), Uli Lindner, Thomas Römer
Ulisses Spiele 2011
ISBN: 978-3868890679
215 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 35,00

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