Wayne of Gotham

Seit er 1939 in Ausgabe 27 des Comic-Magazins „Detective Comics“ erstmals in Erscheinung trat, hat Batman Bruce Wayne, der Mitternachtsdetektiv, der Dunkle Ritter, bereits viel erlebt und erlitten. Er musste zusehen, wie Batgirl Barbara Gordon vom Joker rollstuhlreif geschossen wurde („The Killing Joke“), bekam von Bane das Rückgrat gebrochen („Knightfall“), er sah Geliebte sterben und Freunde zu Feinden werden. Sein letzter Rettungsanker mag da manchmal der Gedanke an seine ermordeten Eltern gewesen sein, insbesondere an das Vorbild seines Vaters, eines wahrhaft guten Mannes. In „Wayne of Gotham“ bekommt dieses Marmorstandbild jetzt Risse.

von Frank Stein

„Wayne of Gotham“, ein „Batman“-Roman aus der Feder von Fantasy-Altmeister Tracy Hickman („D&D Drachenlanze“), wirft ein verstörendes Schlaglicht auf die Geschichte der Wayne-Familie. Dabei bedient sich der 316 Seiten umfassende Roman, der bei Panini Books als Klappbroschurband herausgekommen ist, konsequent einer zweisträngigen Erzählweise.

In der Vergangenheit der 1950er-Jahre wird die Geschichte von Thomas Wayne, dem Vater von Bruce Wayne, erzählt. Wir erleben, wie er unter einem strengen Vater aufwächst und wie er heimlich die rebellische Martha Kane, Tochter reicher Nachbarn, liebt. Um ihr zu gefallen – und vielleicht auch in einem Akt der persönlichen Rebellion –, lässt Thomas sich mit ihren fragwürdigen Freunden ein, dem Freigeist Denholm Sinclair und dem Mobster-Sohn Lewis Moxton, der eine Bar führt und gerne aus dem Sumpf des Verbrechens ausbrechen würde. Als er auf Drängen seines Vaters ein Medizinstudium beginnt, ist er bald von den Gen-Experimenten und Theorien des Altnazis Dr. Richter fasziniert, der Verbrechen schon im Kopf, durch „viral implantierte Moral“, bekämpfen will. Zusammen beginnen sie im Arkham Sanatorium Versuche anzustellen, die schreckliche Folgen haben sollen.

In der Gegenwart wird Bruce Wayne von diesen Folgen heimgesucht. Zum einen taucht eine verwirrte Frau namens Amanda Richter auf, die einiges über die Vergangenheit von Bruces’ Vater zu wissen scheint. Darüber hinaus lädt ihn ein geheimnisvoller Schurke „zum Tanz“ ein, wozu er sich auch zahlreicher persönlicher Feinde Batmans bedient, bis hin zum Joker persönlich. Dem Puzzle aus Rätsel und Andeutungen folgend, begibt Bruce sich auf eine metaphorische Reise in die Vergangenheit, wobei er zum seinem Schrecken erkennen muss, dass sowohl sein Vater als auch der seines langjährigen Begleiters Alfred dunkle Geheimnisse hat – Geheimnisse, die Batmans Welt in ihren Grundfesten erschüttern.

Batman-Comics, das ist man als genre-affiner Leser ja längst gewöhnt. Einige von ihnen besitzen regelrecht Kultstatus – etwa „The Dark Knight Returns“ oder die oben genannten. Romane zum Dunklen Ritter, oder überhaupt zu Superhelden, gehören dagegen hierzulande eher zur Ausnahme in der Belletristik. Entsprechend liegen Vorbehalte nahe. Kann die Dynamik eines Comics, die Energie explodierender Panels, die den typischen Superhelden-Comic von Marvel oder DC auszeichnen, tatsächlich mit reinen Worten und ohne Bilder transportiert werden?

Um es ganz ehrlich zu sagen: Nein, das geht nicht. So sind die Kampfszenen innerhalb des Romans noch die irritierendsten Momente, denn im Gegensatz zu Comic-Panels befinden wir uns hier in Batmans Sicht und die besteht oft genug aus Infraschall oder Wärmebildern, fragmentarischen Gedanken und dem Berechnen von komplexen Kampfabläufen. Doch glücklicherweise ist sich Tracy Hickman dessen auch bewusst und setzt das so ikonische Duell Held gegen Schurke(n) nur sehr sparsam ein. Überhaupt spielt Action eine untergeordnete Rolle.

Stattdessen werden auf der einen Stück für Stück Einsichten in die Vergangenheit von Bruce Waynes Vater geboten und auf der anderen die Detektivarbeit, der Batman nachgeht, um eben diese Vergangenheit zu enthüllen und seinen aktuellen Gegner aus der Reserve zu locken. Das liest sich erstaunlich kurzweilig, wenngleich man sich die Frage stellt, ob es wirklich nötig gewesen wäre, Batman/Bruce Wayne noch mehr persönliche Konflikte – hier mit Alfred und eben durch die Vergangenheit seines Vaters – auf den Leib zu schreiben. Das machte die Figur unnötig unsympathisch. Und eigentlich sind wir aus der Phase der ultrakaputten Helden langsam wieder heraus – zumindest wenn man die aktuellen Kinoblockbuster anschaut.

Am Ende nimmt das Buch dann zwei sehr haarsträubende Wendungen. Eine davon finde ich persönlich durchaus genial und eine hübsche Erklärung für die enorme Anhäufung an schrägen Gestalten in Gotham City. Die andere ist schlichtweg überflüssig und betont leider sehr, dass „Wayne of Gotham“ natürlich nur ein für sich existierendes Werk im „Batman“-Universum ist und in keinerlei Zusammenhang mit auch nur einer der aktiven Comic-Reihen steht. Man kann es lesen und an dem Gedankenspiel seinen Spaß haben, aber mehr auch nicht.

Fazit: „Wayne of Gotham“ punktet mit einer interessanten Reise in Bruce Waynes Vergangenheit, die ein neues Licht auf seinen Vater Thomas Wayne wirft und in einem irren Finale gipfelt. Das Figurenensemble hat Autor Tracy Hickman dabei leider nicht so souverän unter Kontrolle. Bruce Wayne, Alfred und Comissioner Gordon wirken unnötig unsympathisch, einige Nebenschurken bleiben charakterlich absolut blass, ähnlich wie bei einem Comic-Cameo. Die Action entfaltet natürlich auch nicht ganz die explosive Wirkung, die man aus Comic-Panels kennt. Zum Glück setzt der Roman Kämpfe nur sparsam ein und baut stattdessen auf ein großes Geheimnis. Insgesamt ein Lesevergnügen mit Stärken und Schwächen gleichermaßen.


Wayne of Gotham
Urban-Fantasy-Roman
Tracy Hickman
Panini Books 2014
ISBN: 978-3-8332-2874-2
320 S., broschiert, Deutsch
Preis: EUR 12,99

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