WARS TCG: Incursion (2/2)

"WARS TCG" ist das neue Sammelkartenspiel aus dem Hause Decipher, die erste völlig eigene Weltenschöpfung der Kartenspezialisten. In zwei Artikel stellen wir euch dieses Spiel vor. In Teil 2 geht es um die Spielmechanismen.

von Michael Wilhelm

 

Auch Jahre später noch zählt der dem „Star Wars CCG“ aus dem Hause Decipher zugrundeliegende Mechanismus zu den besten aus dem Bereich Trading Card Games. Die Schwäche des Systems lag gegen Ende vielmehr in der Komplexität und der hohen Zahl an Sonderregeln, die immerhin ein über 100-seitiges Glossar füllten. Als dann im Jahre 2001, nach sechs Jahren als Sammelkartenspiel ein echter Dauerbrenner, Decipher kurz nach Erscheinen von „Reflections III“ die Lizenz verlor, kam das Ende für manchen Spieler nicht ganz überraschend. Welche Gründe auch immer für die Zuteilung der Lizenz an Wizards of the Coast sprachen, das „Star Wars CCG“ hatte zu diesem Zeitpunkt bereits seinen Zenit überschritten. Mit den Karten zu Episode 1, die so mancher passionierter Spieler als eine echte Zumutung empfand, ganz besonders die Strategien zu Podracing und Politics, und einem dritten „Reflections“-Set schienen die Möglichkeiten des Spiels ausgereizt. So kommt der Verlust der Lizenz im Rückblick fast wie eine Erlösung aus den Todeswehen vor. Wer weiß, wohin Decipher das „Star Wars CCG“ sonst noch getrieben hätte.

Doch jetzt ist das „Star Wars CCG“ in neuer Gestalt zurück. Decipher hat in einer aufwendigen Kampagne versucht, das auf der Basis der Star-Wars-Regeln entwickelte und nicht auf einer Lizenz beruhende „Wars CCG“ den geneigten Spielern schmackhaft zu machen. Und schon der erste Eindruck besticht. Die Illustrationen sind durchweg von hoher Qualität, das Design der Karten ansprechend und übersichtlich. Im Gegensatz zum alten „Star Wars CCG“, in dem die dunkle und die helle Seite der Macht gegeneinander antraten und über eine vollkommen unterschiedliche Kartenauswahl verfügten, wobei sich auch die Kartenrücken unterschieden, je nach Seite eben dunkelgrau mit Imperiums-Siegel beziehungsweise hellgrau mit dem Symbol der Rebellen-Allianz, sind hier die Kartenrücken einheitlich, sodass es durchaus möglich (und sinnvoll) ist, gemischte Decks mit Vertetern der fünf Fraktionen zusammenzustellen.

Abgesehen davon hat sich aber nur wenig verändert. Nach wie vor spielt sich das Geschehen zwischen den beiden Kontrahenten in Planetensystemen und Raumsektoren, regeltechnisch als Sectors zusammengefasst, sowie auf Örtlichkeiten auf Planeten, Monden oder Raumstationen, Sites genannt, ab. In den Sektoren kämpfen Raumschiffe, unterteilt in die aus Star Wars bekannten größeren Capitals und wendigere Fighter; auf dem Boden streiten Charaktere und Fahrzeuge um die Vorherrschaft. Das Konzept der Force aus dem „Star Wars CCG“ wird nun Energy genannt, zirkuliert aber ebenso wie im „Star Wars CCG“ zwischen drei Stapeln aus aktivierter, verbrauchter und Reserve-Energie. Ist diese Energie – entsprechend einem Deck von 60 Karten – aufgebraucht, verliert der Spieler. Der Rundenablauf entspricht ebenfalls dem aus dem Vorgänger bekannten: Aktivieren, Kontrollieren, Karten Ausspielen, Kämpfen, Bewegen, Karten Ziehen. Decipher hat aber sehr wohl aus den Erfahrungen mit Star Wars gelernt, und von vornherein die Kampf- und Timing-Regeln ausführlich und eindeutig anhand von Beispielen formuliert, sodass es auch Neueinsteigern leicht fallen sollte, mit dem Spielen loszulegen. Für Star-Wars-Veteranen ist bis auf einige neue Termini der Kartenstatistiken (Ability=Tactics, Forfeit=Defense) nicht viel neues zu erwarten.

Noch sind die Wege, den Gegner zum Verlust von Energy, sprich Karten, zu zwingen, begrenzt. Ähnlich wie zu den Anfängen des „Star Wars CCG“ beschränkt sich das Geschehen auf den Kampf und die Kontrolle von Orten. Im Kampf erleidet der Unterlegene automatisch eine Anzahl an Karten Schaden, die der Differenz der Gesamtstärken der Kontrahenten entspricht. Diese werden aus der Hand oder von den drei zirkulierenden Stapeln verloren. Zusätzlich können durch Waffengebrauch, besondere Fähigkeiten der kämpfenden Schiffe oder Charaktere, sowie durch den Einsatz von Battle Destiny direkte Verluste verursacht werden. Die Battle Destiny entspricht einem Würfelwurf, wird aber durch Kartenziehen (und einen kleinen Zahlenwert in der oberen, rechten Ecke der Karte) bestimmt und soll zu einer gewissen Unberechenbarkeit und Unvorhersehbarkeit des Kampfgeschehens führen, die es zum Beispiel auch dem Unterlegenen ermöglicht, dem Gegner Verluste beizufügen. Destiny wird auch für viele andere Mechanismen bestimmt, wann immer eben eine gewisse Zufälligkeit über den Erfolg einer Aktion entscheiden soll. Eigentlich ein sehr sinnvolles Konzept, das den Verzicht auf Würfel zulässt, ohne aber direkte Vorhersagen über das Gelingen einer Handlung zu ermöglichen.

Während der zweiten Phase seines Zuges kann ein Spieler, der über die alleinige Kontrolle eines Ortes verfügt, seinem Gegner direkten Schaden in Höhe der dort vorhandenen Energiesymbole zufügen. So ist die erfolgversprechendste Strategie, seine Kräfte so zu verteilen, dass man eine Zahl für den Gegner schmerzhafte Orte unter seine Kontrolle bringt, gleichzeitig überall aber die nötige Kampfkraft bereithält, diese bei einem Angriff zu verteidigen. Bleibt abzuwarten, wie sich dies in der Zukunft entwickelt. Der momentane Stand der Regeln entspricht etwa dem von Star Wars zu Zeiten des Premiere-Sets. Bereits bei Erscheinen von A New Hope wurden erste Modifikationen an den Bewegungsregeln vorgenommen. Und schon kurze Zeit später waren Decks erfolgreich, die vollkommen auf den Einsatz kämpfender Charaktere verzichteten. Es ist durchaus möglich, dass in der Zukunft Strategien spielbar sind, die der Komplexität von Deck-Konstruktionen wie Bounty Hunting oder Jedi Tests im „Star Wars CCG“ entsprechen.

Fazit: Decipher hat sich mit Wars weit hervorgewagt. Man kann ihnen aber nur die Daumen drücken, denn mit Wars ist ihnen, ohne auf eine teure Fremdlizenz zurückgreifen zu müssen, ein toller Start gelungen. Schon die vorgefertigten Starter weisen sich durch eine gute und flüssige Spielbarkeit aus, und vermitteln schnell das Feeling für Hintergrund und Eigenheiten der einzelnen Factions. Ich kann nur hoffen, dass die aufwendige Werbekampagne genug potentielle Spieler neugierig gemacht hat, um sich an das Spiel heranzutrauen. Man kann gespannt sein, was außer dem Trading Card Game noch so alles aus dem Wars-Universum auf uns zukommt.


WARS TCG: Incursion
Sammelkarten-Grundset
Tom Lischke, Evan Lorentz, Kendrick Summers u. a.
Decipher 2004
330 Karten, englisch
Preis: EUR 132,84 (Booster-Display)

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