Warhammer 40.000: Verbotene Welten

Wir schreiben das 41. Jahrtausend. Die Großmächte der Galaxis ringen um die Vorherrschaft im All. Gewaltige Raumflotten und Legionen von Soldaten ziehen aus, um neue Territorien zu erobern. Eines davon ist der Herakon-Cluster, der lange hinter Warpstürmen verborgen war, nun aber in den Fokus der Aufmerksamkeit rückt. Und so ziehen das Imperium der Menschheit, das Weltenschiff der Eldar, die Horden des Chaos und die wilden Orks los, um die Planeten des Clusters für sich zu beanspruchen. Es wird ein Kampf, bei dem es nur einen Sieger geben kann …

von Bernd Perplies

„Verbotene Welten“ ist ein strategisches Eroberungsspiel für zwei bis vier Spieler, die in die Rolle der oben genannten Fraktionen des bekannten „Warhammer 40.000“-Universums schlüpfen. Als Menschen, Eldar, Anhänger des Chaos oder Orks versuchen sie, die Planeten des Herakon-Clusters zu erobern und zu besiedeln (sprich Ressourcen abzubauen und neue Kriegsmaschinerie zu produzieren). Dabei liegt das Ziel des Spiels gar nicht primär in der Beherrschung von Welten, sondern im Erringen von Zielmarkern, die kreuz und quer über das Raumgebiet verteilt sind und offensichtlich den einzelnen Völkern extrem wertvoll sind. Und, ja, die Macher haben sich sogar Fluff-Text für diese Marker ausgedacht: So suchen die Chaos Space Marines beispielsweise nach der Höllenschmiede oder der Chaosklinge, während die Eldar nach dem Seelenstein eines Helden forschen oder die Jungfernwelt erobern möchten.

Dieser und anderer Fluff-Text findet sich auf der Fluff-Seite der doppelseitig bedruckten Fraktionsbögen (die andere bietet harte Daten und Fakten für das Spiel mit der jeweiligen Fraktion, etwa Kosten für Einheiten oder Spezialfähigkeiten). Vor Spielbeginn sucht sich jeder Spieler eine Fraktion aus und nimmt sich deren individuelle Einheiten, den Fraktionsbogen, Marker, Kampf- und Ereigniskarten. Dabei ist die Wahl der Fraktion keineswegs völlig beliebig, denn jede Fraktion spielt sich anders. Die Space Marines etwa können sehr günstig ihre Einheiten in dickere Brocken umwandeln, ihre chaotischen Brüder gleichen das mit Massen an billigen Kultisten aus.

Der modulare Spielplan kann entweder nach einem vorgegebenen Muster aufgebaut werden (das sorgt für recht faire Ausgangsbedingungen) oder er kann nach gewissen Regeln spontan entstehen. Das sorgt natürlich für mehr Spannung am Spieltisch, kann manche Spieler aber auch zu Beginn bevorzugen. Gespielt wird über Runden, die in drei Phasen aufgeteilt sind: Planungsphase, Einsatzphase und Organisationsphase. In der Planungsphase wählen die Spieler vier ihrer acht Befehlsmarker und legen sie verdeckt auf Sternensysteme. So kann man z.B. neue Einheiten und Gebäude bauen, stärkere Spielkarten (Befehlsaufwertungen oder Kampfaufwertungen) kaufen, Güter von befreundeten Welten gewinnen oder sich bewegen und kämpfen. Nicht unbedeutend hierbei ist, dass alle Befehlsmarker aufeinander gelegt werden und dann in der Einsatzphase von oben nach unten abgearbeitet werden. Es ist also nicht nur wichtig, was man auf welchem Planeten womöglich tun möchte, sondern auch, in welcher Reihenfolge dies geschehen soll. Schon manches Mal wurde ein Spieler in seinem Zug blockiert, weil ein anderer einen Befehlsmarker obendrauf gelegt hat, nur um ihn dann erst ganz am Ende der Einsatzphase zu nutzen.

In besagter Einsatzphase führen die Spieler der Reihe Befehlsmarker aus (sofern möglich). Diese Phase dauert zweifellos am längsten, nicht zuletzt weil hier regelmäßig Kämpfe aufgetragen werden. Dennoch ist die gefühlte Downtime selbst für nicht beteiligte Spieler sehr gering, weil man sich gleichzeitig sein weiteres Vorgehen ausdenken kann und zudem fast jede taktische Veränderung auf dem Spielplan auch Folgen für einen selbst hat. (Ja, das All ist sehr eng im Herakon-Cluster.) Zum Bauen von Einheiten, Sammeln von Gütern und Kaufen von Aufwertungen soll gar nicht viel gesagt werden. Die Mechanismen funktionieren gut und gerade das individuelle Verbessern der eigenen Befehlsmarker und/oder Kampfkarten sorgt für Abwechslung und immer neue Unwägbarkeiten am Spieltisch.

Die Kämpfe sind eine hübsche Mischung aus Würfelglück und taktischem Karteneinsatz. Gekämpft wird stets über exakt drei Runden. Wenn danach ein Gegner nicht bezwungen wurde: Pech gehabt. Zu Beginn eines Kampfs werden Würfel gemäß der Kampfwerte der am Kampf beteiligten Einheiten geworfen. Als Ergebnis können Offensiv-, Defensiv- oder Moralsymbole geworfen werden. Die einen machen Schaden, die anderen verhindern ihn und die dritten sind für das Kampfergebnis wichtig. Wer nach drei Runden die meiste Moral hat, siegt – es sei denn, ein Gegner wurde vorher vernichtet. Nach dem Würfeln werden noch fünf Kampfkarten gezogen, die spezielle Effekte haben (Angriffe oder Verteidigungen verstärken oder aber fiese Tricks auslösen). In jeder Kampfrunde wählt jeder Kämpfer eine Kampfkarte und legt sie verdeckt aus. Dann werden beide Kampfkarten ausgeführt. Anschließend wird nach Vergleich der Offensiv- und Defensivsymbole gegebenenfalls Schaden zugewiesen, danach geht es mit Runde zwei weiter. Dieses Kampfsystem ist ebenso genial wie frustrierend. Auf der einen Seite kann ein guter Würfelwurf einem zu Kampfbeginn einen fast uneinholbaren Vorteil bieten. Auf der anderen Seiten vermögen die Kampfkarten noch einiges herumzureißen, vor allem wenn man in stärkere Karten investiert hat. Spannend sind diese Konfrontationen so oder so.

In der Organisationsphase wird dann „aufgeräumt“. Ressourcen eroberter Planeten werden gefördert, Spieler sammeln Zielmarker ein und Einheiten formieren sich. Ein schönes Chaoselement ist das Verschieben von Warpstürmen, die zwischen einzelnen Spielfeldern bestehen. Pro Spieler ist ein Warpsturm ins Spiel. Diese Energiebarrieren sind normalerweise nicht zu durchdringen, und sie bewegen sich halb willkürlich, halb durch Spielerhand gelenkt. So können sich von einer Runde zur nächsten völlig neue Wege im Herakon-Cluster öffnen, während sicher geglaubte Routen auf einmal versperrt sind.

Unterm Strich ist „Verbotene Welten“ ein angenehm komplexes Spiel, ohne die Spieler jedoch mit Sonderregeln zu erschlagen. Eigentlich begreift man das Spielprinzip sehr schnell. Das neben den Spielregeln beigelegte Referenzhandbuch, das als eine Art Regel-Lexikon dient, wird kaum benötigt. Klar, kleinere Detailprobleme entstehen immer bei FFG-Spielen, aber spätestens bei der zweiten Partie kann man sich den feineren Aspekten der Kriegsführung im Herakon-Cluster widmen. Die Spieldauer dagegen ist einmal mehr knackig. Eine Stunde pro Spieler kann man  einrechnen. Da eine Partie offen ist und nur durch das strategische Geschick der Teilnehmer bestimmt wird (wer hat zuerst seine Zielmarker), sind durchaus auch Spielzeiten bis zu sechs Stunden drin. „Verbotene Welten“ ist nichts für Zwischendurch! Knackig ist übrigens auch der Preis. Knappe hundert Euro sind für die Box fällig und viel mehr als zehn Euro kann man auch bei günstigen Internet-Anbietern nicht einsparen. Hier schlägt natürlich einerseits die „Warhammer“-Lizenz zu Buche (das darf man nicht unterschätzen) und andererseits die Menge an unterschiedlichen Plastikminiaturen. Ist das Spiel teuer? Definitiv ja! Ist es seinen Preis wert? Ebenfalls ja, sofern man sich die Zeit nimmt, es auch auszuloten. Wer eher ein Viel-Spiele-Spieler ist, der an jedem Zockabend was anderes testen möchte, für den lohnt sich die Investition gewiss nicht. (Andererseits sollte man sich immer vor Augen führen, wie viel Geld vier Leute ausgeben, die etwa zu viert an einem Freitagabend ins Kino oder in eine Kneipe gehen.)

Vielleicht zum Schluss noch ein Wort zum Spielmaterial. Dieses ist – man ist es aus dem Haus Fantasy Flight Games und deren deutschem Partner Heidelberger Spieleverlag im Grunde schon gewohnt – einfach nur phantastisch zu nennen. Schon die extradicke Box mit dem detailfreudigen „Warhammer 40.000“-Motiv sieht extrem schick aus. Man kann ja über Games Workshop (die Urheber von „Warhammer“) sagen, was man will, aber sie wissen, wie man optisch geile Produktlinien herstellt. Obwohl ein Papp-Inlay die Seitenwände der Box etwas verjüngt, ist der große Karton keine völlige Mogelpackung. Spielkarten, Spielmarker, Spielplanteile und Plastikminiaturen nehmen ordentlich Platz in Anspruch – und sehen durch die Bank gut aus. Klar, was so manches Kickstarter-Projekt heute an Miniaturen bietet, ist nochmal eine etwas andere Liga, aber grundsätzlich kann man beim Plastik von gehobenem Brettspiel-Standard sprechen, und bei Spielkarten-Illustrationen macht FFG ohnehin keiner was vor. Ich kenne Sammelkartenspiele, die hässlichere Kartenmotive bieten.

Fazit: „Warhammer 40.000: Verbotene Welten“ ist ein Brocken von einem Spiel. Fantastisches Artwork und schöne Spielmechanismen sorgen dafür, dass gerade Spielern, die Strategie und Science-Fiction mögen, ganz warm ums Herz wird. Ja, das Spiel dauert ewig, und ja, es ist teuer. Doch wer sich den finanziellen und zeitlichen Luxus gönnt, erhält ein echtes Juwel für seine Genre-Spiele-Sammlung.


Warhammer 40.000: Verbotene Welten
Brettspiel für 2 bis 4 Spieler ab 14 Jahren
James Kniffen, Samuel W. Bailey, Corey Konieczka
Fantasy Flight Games/Heidelberger Spieleverlag 2016
EAN: 4015566022553
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 99,95

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