Um Ulm herum

Mit dem angenehm dicken Band „Um Ulm herum – Schwaben und die Schwäbische Alb“ aus der Reihe „Cthulhu Regionalia“ kommt das Grauen nach Süddeutschland. Titel und Autoren sind auf dem Cover gut zu lesen. Zeitgenössische Fotos illustrieren den Band, der komplett mit Karten, Hausplänen und Handouts versehen ist. Dem kürzeren Quellenteil folgen zwei längere Abenteuer.

von Markus Kolbeck

 

Den 17-seitigen Quellenteil „Um Ulm herum“ hat Tim Schwarnweber verfasst, der bereits in Magazinen und im Internet Abenteuer veröffentlicht hat und jetzt zu den cthuloiden Nachwuchsautoren gestoßen ist. In diesem Quellenteil wird auf das Ländle, Geologie, Fossilien (von Mythoskreaturen?), Sprache, Politik, Verkehr und schwäbische Namen eingegangen. Man erfährt etwas über schwäbische Eigenarten, Örtlichkeiten und Sehenswürdigkeiten wie Höhlen. Ein Abstecher in die schwäbische Sagenwelt rundet den Quellenteil ab. Es kommt zwar einiges zur Sprache, doch bleibt der Wunsch nach mehr Ausführlichkeit. So muss man sich wohl mit der Deutschlandbox vertrösten, die ausführliches Quellenmaterial beinhalten soll.

Vorsicht: Massive Spoiler! Spieler der zwei folgenden Abenteuer sollten nicht weiterlesen!

Am Anfang des 66-seitigen Abenteuers „Unsere liebe Frau aus den Wäldern“ von Steffen Schütte werden die Spielercharaktere Ende April 1928 in München als Kunstwiederbeschaffer gefeiert. Während der Ehrung nehmen die verängstigten Herwalds zu ihnen Kontakt auf. Deren Kinder werden scheinbar kurz darauf entführt, wovon die Herwalds aber später nichts mehr wissen wollen; ja, sie leugnen es, Kinder gehabt zu haben. Pater Giordani will Kontakt zu den Charakteren aufnehmen, wird aber ermordet, bevor er mit ihnen sprechen kann. Die Spur führt nach Tübingen, Ulm und in die Schwäbische Alb. Die Charaktere finden (hoffentlich) heraus, dass eine gewisse Gertrude Vogelsang ein Kloster als Nonne verkleidet ausspionieren wollte und später schwanger und wahnsinnig aufgegriffen wurde. Sie kommen einem Fruchtbarkeitskult auf die Spur, der anscheinend ein Jahrmillionen altes Zuchtprogramm betreibt, mit dem Ziel, Shub-Niggurath wiederzuerwecken, was das Ende der Welt bedeuten würde, wie sie die Charaktere kennen. Um ihre Pläne zu fördern, benutzen die Kultisten ein gelbes Pulver, mit dem sich die Wahrnehmung der Wirklichkeit verändern lässt. Wenn man ein Fan von Phillip K. Dick ist, wird man diesen Aspekt sicherlich lieben. Ich finde die Idee superb und auch ansonsten hat man es mit einem gelungenen Abenteuer zu tun, auch wenn der Spielleiter manchmal lenkend eingreifen muss, damit sich das Abenteuer in der vom Autor gewollten Reihenfolge entfaltet.

Das 67-seitige Abenteuer „Das blaue Tor“ von Jan Christoph Steines beginnt am 10. Oktober 1928 in Stuttgart, kann also direkt nach dem vorigen Abenteuer gespielt werden. Einige der Schauplätze werden die Spielercharaktere schon kennen, falls sie „Unsere liebe Frau aus den Wäldern“ bereits durchgespielt haben, was einen gewissen Wiedererkennungseffekt beinhaltet. Am Stuttgarter Hauptbahnhof treffen die Charaktere auf das Mädchen Caroline, die ihnen einen Hinweis zuspielt, dass ihr Zug verunglücken wird. Am nächsten Tag erhält einer der Charaktere einen Brief eines gewissen Dr. Ferdinand Öttinger, worin um Hilfe für seinen Schützling gebeten wird. Suchen die Abenteurer Dr. Öttinger auf, müssen sie feststellen, dass er auf mysteriöse Weise ermordet wurde. Im weiteren Verlauf des Abenteuers finden sie vielleicht heraus, dass Dr. Öttinger mit Hirnmassetransplantationen experimentiert hat. Dazu hat er einen bekannten Magier, der im Mythos bewandert war, ermordet und hat einen Teil seines Gehirns entfernt. Einen Teil dieser Hirnmasse hat er dem Hirn des Mädchens Caroline operativ hinzugefügt. Das Mädchen begann dann eine Karriere als Pianistin. Ein Kollege von Öttinger, Katernberg, kam dahinter und wollte sich selbst Hirnmasse hinzufügen, um ein mächtiger Magier zu werden. Die einzige Möglichkeit, die er dazu zunächst sieht, ist die, Caroline ihre Zusatzhirnmasse zu entfernen, so entführt er das Mädchen. Er bringt sie auf der Gefängnisfestung Hohenasperg unter, wo unter Umständen auch die Charaktere landen werden. Dieser Abschnitt gehört zu den beklemmensten, sind sie doch dort der Willkür des Schwarzen Kerkermeisters ausgeliefert. Im weiteren Verlauf beschließt Katernberg, einen Bewusstseinstausch mit Caroline durchzuführen. Dazu braucht es die Technologie der Großen Rasse, wie sie vielleicht noch bei den Flugkraken auf der Erde vorhanden ist. Katernberg meint im Blauen Topf in Blaubeuren, einem kleinen See gespeist durch eine Karstquelle, einen Zugang zum Reich der Flugkraken gefunden zu haben. Er will die die Karstquelle speisenden Höhlenlabyrinthe entleeren, was den Untergang Blaubeurens durch eine Überschwemmung bedeuten würde. Das Abenteuer besticht durch einige originelle Ideen; so wird etwa Caroline an einer Stelle des Abenteuers in einem mit dem „Schweben“-Zauber belegten Ballon gefangen gehalten. Es ist durchaus komplex und man hat es zur Abwechslung es in weiten Teilen nur mit einem Schurken zu tun, der sich aber geschickt tarnt.

Zum Schluss kommen noch die Handouts und Mythosbuchauszüge auf 23 Seiten. Hervorzuheben ist hier, dass angegeben wird, welche Wirkung das Lesen von Büchern in Abhängigkeit von ihrem unterschiedlichen Mythosgehalt haben kann. Der aus dem Regelwerk bekannte Stabilitätsverlust wird so also noch etwas differenzierter ausgeleuchtet.

Fazit: Der hohe Qualitätsstandard der „Cthulhu“-Reihe aus dem Hause Pegasus Spiele ist mittlerweile fast schon zur Gewohnheit geworden. Deshalb soll hier einmal von dieser Gewohnheit abgewichen werden und die Qualität des Bandes, die sich nicht zuletzt in hoher Detailliertheit der Abenteuer zeigt, ausdrücklich gelobt werden. Auch das Preis-Leistungs-Verhältnis ist mit 22,80 Euro bei 176 Seiten gut.


Um Ulm herum
Abenteuer- und Quellenband
Tim Scharnweber, Steffen Schütte, Jan Christoph Steines
Pegasus Spiele 2003
ISBN: 3-930635-72-0
176 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 22,80

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