Traveller Grundregelwerk

Vor über 30 Jahren erschien zum ersten Mal das „Traveller“-Rollenspiel. Wer damals Spieler der ersten Stunde war, bewegt sich mittlerweile inmitten der Midlife Crisis. Was könnte da mehr helfen, als Jugenderinnerungen mit einem etwas aufpolierten Regelwerk zu neuem Leben zu erwecken und gleichzeitig eine neue Generation in die Weiten des Alls zu entführen?

von Andreas Loos

Es gibt Rollenspiele, die über ihre erste Inkarnation nicht hinauskommen – sei es aus mangelndem Interesse der potenziellen Käufer, der Pleite des herausgebenden Verlags oder einem anderen Unbill. Und dann gibt es Rollenspiele, die sich immer weiterentwickeln und ihr Erscheinungsbild verändern, sodass man, wenn man nicht am Ball bleibt, das System irgendwann nicht mehr wiedererkennt, wie zum Beispiel das Genre-Urgestein „D&D“.

Ein ähnliches Urgestein, das jetzt, nur leicht abgewandelt und in einigen Bereichen, etwa dem Kampfsystem, aufpoliert, wieder auf den Markt kommt, ist das von Marc Miller kreierte und vom Games Designer Workshop 1977 herausgebrachte „Traveller“-Rollenspiel. Während Mongoose Publishing die Veröffentlichung der englischsprachigen Ausgabe übernommen hat, legt der 13Mann-Verlag die hier vorliegende deutsche Übersetzung vor – nur gut drei Monate nach der Erstveröffentlichung der amerikanischen Ausgabe.

Auf gut 214 Seiten, aufgeteilt in 13 Kapitel und einen übersichtlichen Index, präsentiert sich das Grundregelwerk als schmuckloses schwarzes Hardcover. Genauso hatte ich auch die erste Edition in Erinnerung, wenn auch nur als qualitativ minderwertiges Softcover. Einige Schwarz-Weiß-Zeichnungen lockern zwar den Text ein wenig auf, ansonsten kommt „Traveller“ in dieser Hinsicht minimalistisch daher, was allerdings auch wieder mit der ursprünglichen Edition zu tun haben dürfte und diesem Buch in meinen Augen einen besonderen nostalgischen Charme verleiht, denn schließlich waren Ende der Siebziger vollfarbige Bücher mit extensiver Bebilderung jenseits der Veröffentlichungsmöglichkeiten eines Verlags für Rollenspiele. Ein wenig gestört hat mich die stellenweise etwas unglücklich gestaltete Übersetzung.

Das Grundregelwerk selbst versteht sich als generisches Regelgerüst für jede Art von Science-Fiction-Rollenspiel. Als Beispiel sowohl für das Facelifting dieser Edition als auch der universellen Einsetzbarkeit, werden einige Anwendungsmöglichkeiten für das „Traveller“-Regelwerk gegeben. Die Liste der Beispiele reicht von Computerspielen wie „Elite“ und „Privateer“ bis hin zu Fernsehserien wie „Firefly“ und „Star Trek“.

Ein konkreter Spielhintergrund wird also hier zunächst nicht geboten. Jedoch ist das gesamten Buch durchsetzt mit Hinweisen und Informationen auf den Spielhintergrund, der Synonym mit „Traveller“ geworden ist: „Das Dritte Imperium“. Angesichts der vielen Informationen, die man über das Imperium erhält, hätte ich mir gewünscht, dass dem unbedarften Leser, welcher noch nie etwas mit „Traveller“ zu tun hatte, das Imperium als beispielhafter Kampagnenhintergrund vorgestellt worden wäre.

An mein erstes „Traveller“-Spiel habe ich einen Samstagnachmittag im Juli/August 1987 in verschwommener Erinnerung. Während wir in geselliger Runde bei brütender Hitze unsere ersten Charaktere für „Traveller“ erschufen, ist mir zum ersten und einzigen Mal ein Charakter bereits während der Erschaffung verstorben. Nachdem ich für meinen ersten Charakter bis zu diesem Zeitpunkt gut eineinhalb Stunden benötigt hatte, schaffte ich in meiner dritten Dienstperiode bei der Handelsflotte meinen Überstehenswurf nicht und der Spielleiter erklärte mir lapidar, das mein Charakter während eines Arbeitsunfalls im Maschinenraum ums Leben gekommen sei. Danach händigte er mir einen neuen Bogen aus, und sagte dann: „Fangen wir von vorne an…“. Diese Regel findet sich, neben anderen Regelalternativen, hier nur noch als optionale „Iron Man“- Regel, die dann statt der jeweiligen Tabelle über „Unglück“ zum Einsatz kommt.

Das Spielsystem kommt gänzlich mit sechsseitigen Würfeln aus. Mit deren Hilfe werden nicht nur die Attribute bestimmt, die in ihrer Höhe (dank Modifikatoren) von 1 bis 15 reichen können. Die Darstellung ist etwas gewöhnungsbedürftig, denn die Attribute werden in Form des Universellen Persönlichkeitsprofils dargestellt. Um jedes Attribut nur mit einer Ziffer darstellen zu können, wird jeder Wert über 10 statt mit Zahlen mit den Buchstaben A (10) bis F (15) bezeichnet. Die Höhe der Attribute legt die Anzahl der Modifikatoren für Fertigkeitswürfe fest. Je höher das Attribut, desto höher fällt der Modifikator aus.

Der Fokus des Spielsystems liegt allerdings auf den einzelnen Fertigkeiten. Diese werden während der Charaktererschaffung erworben und basieren sowohl auf der Kariere, die man ausgewählt hat, als auch auf den einzelnen Lebensereignissen. Die Charaktererschaffung ist eine ausgeklügelte Angelegenheit, die praktisch jede Art von Charakter ermöglicht – vom Berufsanfänger, der gerade am Anfang seiner Karriere steht, bis hin zum abgehalfterten Scout, der wie Captain Kirk einfach nicht zur Ruhe kommen kann.

Hat man im vorangegangen Kapitel seine Fertigkeiten ausgewählt, so werden diese im Einzelnen beschrieben und die Anwendung im Spiel näher erläutert. Die Fertigkeiten sind eigentlich das Kernstück des Regelsystems, die Attribute bestimmen lediglich, ob jemand auf einen Fertigkeitswurf einen Bonus oder Malus erhält. Ein breites Spektrum an Fertigkeiten wird angeboten und anhand einiger Beispiele erläutert.

Die Möglichkeit, Fertigkeiten zu steigern, ist allerdings etwas gewöhnungsbedürftig. Statt Erfahrungspunkte zu sammeln, kann man Fertigkeiten nur über langwieriges Lernen erwerben oder steigern. Je mehr Fertigkeiten man beherrscht und je besser man einzelne Fertigkeiten meistern kann, desto schwieriger wird es, sich neue Fertigkeiten anzueignen oder bestehende Fertigkeiten zu steigern. Der hier bestimmende Faktor ist die Zeit. Wie im richtigen Leben kann es dabei oft Monate von Spielzeit dauern, bis man zum Erfolgt gelangt. Gelungene Fertigkeitsproben sind dabei auch vonnöten. Da die Reisen zwischen den Sternen im Hyperraum immer Wochen in Anspruch nehmen, stellt sich hier ein schleichender aber stetiger Fortschritt ein.

Das nächste Kapitel widmet sich den Regeln für den Kampf sowohl Mann gegen Mann, als auch zwischen Fahrzeugen. Dabei fällt die Tödlichkeit der Kampfregeln auf. Schaden wird dadurch dokumentiert, dass dieser von den Attributen Ausdauer, Stärke und Geschicklichkeit abgezogen wird. Sobald der Wert für Stärke oder Geschicklichkeit auf Null fällt tritt Bewusstlosigkeit ein. Sobald alle drei Attribute auf Null sinken, wird es Zeit für einen neuen Charakter. Maximal kann ein Charakter mit exorbitantem Glück und verschiedenen „Aufwertungen“ in allen Attributen den Wert von 15 erreichen. Damit würde er 45 Punkte an Schaden aushalten. Der Durchschnitt liegt allerdings bei 7, was maximal 21 Punkte bedeutet. Ein Projektil aus einer einfachen Pistole verursacht 3W6-3 Punkte Schaden. Otto Normalcharakter hat also gute Chancen, bereits nach einem einzigen Treffer das Zeitliche zu segnen. Rüstungen helfen zwar dabei, entstehenden Schaden zu verringern, jedoch werden ausgedehnte Kämpfe zu einer schwierigen Angelegenheit. Das Spielsystem ist also für Kampagnen, die nur auf Hauen und Stechen ausgelegt sind, nur bedingt tauglich.

Das Kapitel „Begegnungen und Gefahren“ umfasst nicht nur Regeln für einzelne Unannehmlichkeiten, wie Stürze, explosive Dekompression oder radioaktive Verstrahlung, sondern auch Begegnungstabellen für alle Umgebungen. Regeln für die Erschaffung von außerirdischen Kreaturen und Nichtspielercharakteren runden das Kapitel ab.

Auf gut 20 Seiten findet man die wichtigsten Ausrüstungsgegenstände und eine Menge zusätzlicher Regeln. Die Palette reicht von Lebenshaltungskosten, über (natürlich) Waffen und Rüstungen, Regeln zu Computern und Software, Wunderdrogen, bis zu Robotern und Droiden. Informationen zu Boden- und Schwebefahrzeugen samt Zusatzmodifikationen runden das Kapitel ab.

Das Kapitel über Raumfahrtzeug-Design bietet die Möglichkeit, Schiffe bis zu einer Tonnage von 2000 Tonnen selbst zu entwerfen. Größere Designs sind auch mit diesen Regeln möglich, die gebotenen Tabellen unterstützen aber nur das Design bis zu der oben genannten Größe. Schiffe werden dann durch die Auswahl von Komponenten zusammengekauft. Einzelne Komponenten oder Konfigurationen werden entweder von der verfügbaren Tonnage abgezogen und erhöhen die Gesamtkosten des Raumschiffs. Die Auswahl der Komponenten ist beeindruckend und ermöglichen es Raumschiffe der unterschiedlichsten Technologiestufen zu bauen, allerdings habe ich die „klassischen“ Schutzschilde aus „Star Trek“ vermisst. Vom primitiven Shuttle bis hin zum hochmodernen interstellaren Zerstörer mit Lasergeschützen und einem Computer mit künstlicher Intelligenz und einer Menge anderer Schikanen, ist so ziemlich alles möglich.

In dem Kapitel über Standardraumfahrzeuge findet man alle gebräuchlichen Schiffe, vom Shuttle bis zum Söldnerkreuzer. Das Handelschiff der Freihändler-Klasse darf natürlich auch nicht fehlen. Allerdings findet man nur Schiffe mit einer Tonnage von bis zu 1000 Tonnen. Größere Schiffe, wie Zerstörer, Kreuzer oder gar Schlachtschiffe oder Träger, sucht man hier vergeblich. Dafür werden die hier gebotenen Schiffe ausführlich beschrieben und bebildert. Zusätzlich wird für jedes Schiff ein für „Traveller“ typischer, grob gehaltener Schiffsplan mitgeliefert.

Nun, da man ein Schiff hat, wird im Kapitel über Raumfahrtzeug-Operationen alles Wissenswerte vermittelt, was notwendig ist, ein Schiff zu bekommen und auch zu behalten. Von Betriebskosten für den hyperraumtauglichen Untersatz, über Begegnungstabellen für Raumreisen, bis hin zu Regeln für den Betrieb eines Raumschiffs, findet man alles Mögliche – außer den Regeln für den Raumkampf.

Diese werden ausführlich im nächsten Kapitel beschrieben. Man wickelt sie, ähnlich den persönlichen Kämpfen, in Phasen ab. Allerdings wird hier weniger in cineastischen Dimensionen gedacht. Wenn sich Schiffe auf Millionen von Kilometern mit Raketen und Lasern Entfernung bekämpfen, stellt sich kaum das Gefühl von Action ein, das man bekommt, wenn man vor dem geistigen Auge das Weiße in den Augen seiner Feinde sieht, um sie dann mit einem wohl gezielten Schuss des bordeigenen Pulslasers zu ihren Ahnen zu schicken.

Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit Psionik und den dazugehörigen Regeln, das wie alle anderen Kapitel auch mit Informationen und Regelmechanismen voll gepackt ist.

Das Kapitel über den Handel ist ein gewöhnungsbedürftiges Sammelsurium von Tabellen und Regeln, die den interstellaren Handel simulieren sollen. Ich habe mich gut eine Stunde mit den Mechanismen auseinandergesetzt, bis ich sie verstanden hatte und einigermaßen sicher beim Lokalisieren von Waren und dem anschließenden profitablen Verkauf an anderer Stelle war. Der Handel ist auf das „Dritte Imperium“ eingestellt, ein anderer Hintergrund müsste daher entsprechend modifiziert werden.

Vor dem übersichtlichen Index wird noch die Weltenerschaffung abgehandelt. Repräsentiert werden Welten über ein Weltenprofil, das ähnlich aufgebaut ist, wie das Persönlichkeitsprofil für Charaktere. Alles wird in diesem Profil dargestellt. Von der Größe und der Beschaffenheit der Welt bis hin zur Bevölkerungszahl und der Qualität des Raumhafens, falls einer vorhanden ist. Über das Profil kann der kundige Leser alle wichtigen Daten herauslesen, die zum Beispiel beim Kaufen und Verkaufen von Fracht nötig sind.

Fazit: Ein echter Klassiker des Rollenspiel-Genres kehrt zurück, voll gepackt mit Regeln, um jeden denkbaren futuristischen Hintergrund mit Leben zu erfüllen. Das Kampfsystem ist tödlich, und an die Abwesenheit von Erfahrungspunkten muss man sich erst einmal gewöhnen. Trotz des Anspruchs, ein „generisches“ System zu sein, findet man überall Informationen zum „klassischen“ Hintergrund von „Traveller“, das „Dritte Imperium“, und das Regelwerk ist größtenteils auch auf diesen Hintergrund zugeschnitten. Leider fehlen geschichtliche Informationen zum Hintergrund und die Übersetzung ist stellen weise etwas unglücklich. Dennoch kann ich das Spielsystem trotz dieser Schwächen empfehlen.


Traveller Grundregelwerk
Regelwerk
Gareth Hanrahan
13Mann-Verlag 2008
ISBN: 978-3981171846
224 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 29,95

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