The Slaying Stone (HS1) (v.4.0)

Vor Jahrzehnten war der Ort Kiris Dahn ein Bollwerk der zivilisierten Völker gegen die umliegenden Monsterhorden. Den Tötenden Steinen (engl. slaying stones) verdankte der Ort, dass diese Gefahren erfolgreich abgewehrt werden konnten, da diese Artefakte mit gefährlichen Gegnern kurzen Prozess machten. Doch dann kam alles anders, die Steine wurden rar, ihrer Gegner zahlreicher. Heute ist der Ort eine von Goblins überrannte Ruine. Ob es den ehemaligen Herrschern von Kiris Dahn gelingen wird, den Ort wieder einzunehmen? – Willkommen bei dem neuesten Kaufabenteuer für „D&D“!

von Stefan Koller

 

Die in den Eingangszeilen eben angedeutete Rahmenhandlung konzentriert sich auf den Ort Kiris Dahn, der mit Hilfe der Spielercharaktere aus den Klauen der Goblins, die die Stadt besetzen, befreit werden soll. Das Abenteuer, das für SC der ersten Stufe ausgerichtet ist, geht dabei recht zielstrebig und prägnant vor, müssen doch auf insgesamt 30 Seiten nicht nur Ortsbeschreibung und Porträtierung der zentralen NSC untergebracht werden, sondern auch 13 säuberlich ausgearbeitete Kampfbegegnungen, die zumeist jeweils zwei Seiten beanspruchen. Im Vergleich zu dieser Seitenzahl hatten bisherige Kaufabenteuer der aktuellen (vierten) Edition von „D&D“ einen großzügigeren Umfang zur Verfügung – zwei Hefte von insgesamt fast hundert Seiten die, gemeinsam mit einer doppelseitig bedruckten „Battle Map“, in einem Ordner untergebracht waren. Dieses Format hat der Verlag nunmehr aufgegeben, was sowohl die Seitenzahl wie auch die Aufteilung des Produktes in zwei Hefte, sowie deren Unterbringung in einem sogenannten „Folder“ betrifft.

Das Abenteuer ist ein einzelnes Softcover, in dessen Inneren sich lose eingefügt die Karte (Battlemap) findet. An der Herstellungsqualität der verbliebenen Komponenten hat sich nichts geändert, sei es nun die Papierdicke oder Druckqualität von Abenteuer und Karte. Wie immer dient die Karte zur Darstellung von Schlüsselkämpfen des Abenteuers – in diesem Fall der Bereich vor und hinter dem Stadtttor von Kiris Dahn, weiters eine Bleibe eines Drachen im Stadtinneren, sowie zwei unterirdische Kellergeschosse, die für die Konfrontation mit den monströsen Gegnern im Ort entscheidend sein werden. Für die Überlandskarten besteht für den Spielleiter ein relativ hohes Potenzial, sie auch abenteuerunabhängig einzusetzen. Die auf der Karte nicht dargestellten Kampforte können übrigens sämtlich über das „Dungeon Tiles“-Set „Fane of the Forgotten Gods“ abgebildet werden (etwas, worauf das Abenteuer seltsamerweise selbst nicht hinweist), dies also sicherlich ein sinnvoller Ergänzungskauf zum Abenteuer. Die Illustrationen im Abenteuer wissen zu gefallen, sind bis auf einzelne Exemplare aus dem digitalen „Dragon“-Magazin auch größtenteils Neuware, aber im Gegensatz zu bisherigen Abenteuern nur mehr reines Beiwerk für den Spielleiter – also nicht länger dazu gedacht (oder geeignet), den Spielern in eindrucksvollen Bildern Schlüsselszenen des Abenteuers zu veranschaulichen. Dies stellt somit eine weitere Rubrik dar, die der Einsparung des Formats zum Opfer gefallen ist. Damit zum Produktinhalt.

Das Produkt geht ohne Inhaltsübersicht gleich in die erste Rubrik, die Abenteuervorgeschichte. Die Geschichte des Hauptschauplatzes, des Ortes Kiris Dahn, wird erklärt, sowie die Schlüsselrolle der Tötenden Steine in dieser. Erklärt wird genauer die derzeitige Situation des Ortes, was die daraus vertriebenen Menschen um den Kiris-Clan betrifft, die die Steine einst kontrollieren und nun wieder für sich gewinnen möchten. Auf der nächsten Seite wird auch schon die Eingangsszene präsentiert – ein Kampf mit Wölfen vor einem Turm außerhalb des Ortes, der von den letzten Mitgliedern der Kiris-Familie bewohnt wird. So kommen die Spieler beziehungsweise SC unmittelbar in Kontakt mit den Kernpersonen des Szenarios und damit mit dem Abenteuerinhalt überhaupt. Schnell wird die Auftragslage vermittelt – nach dem letzten der Tötenden Steine im Stadtinneren suchen, diesen bergen, und dann schnellstens wieder aus der Stadt heraus, um somit im Anschluss (dies deckt das Abenteuer aber nicht mehr ab) langsam eine Rückeroberung der Stadt in die Wege zu leiten.

Aufgrund der hohen Zahl der Besetzer in der Stadt eignet sich nur ein verborgenes Vorgehen – quasi eine „Infiltrations“-Mission, im Zuge dessen (wie sich herausstellen wird) die SC mit einer Reihe an Fraktionen in der Stadt, namentlich Kobolden, Orks, und Goblins, fertig werden müssen. Dieser Teil des Abenteuers verläuft dann erfrischend nicht-linear und ist rein ortsbasiert – will heißen, den SC steht frei, wo sie sich wann innerhalb der Stadt bewegen. Damit einhergehend obliegt auch ein Großteil der Verantwortung, wo die Spieler wann auf wie schwere Begegnungen stoßen, bei ihnen selbst. Anstatt Begegnungen fertig geskriptet herunterzuspulen, ermöglicht geschicktes Erkunden der Stadt die Umgehung beziehungsweise Abschwächung so einiger Gefahrenquellen.

Um diese Handlungsfreiheit (im Abenteuer) auch dem Spielleiter zu vermitteln, schildert das Abenteuer eingangs die Grundbereiche der Stadt (Übersichtskarte mit Legende und Erklärungen) und zwei abweichende Grundhandlungslinien angeboten. Diese erleichtern das Herumfeilen an der Abenteuerrahmenhandlung. In Folge werden zwei Fertigkeitenherausforderungen geliefert, die sowohl das Eindringen in die Stadt (es bieten sich drei Wege an – über das Stadttor, über den Fluss, oder über den Wald und dann in die hinteren Viertel der Stadt) als auch das verdeckte Agieren innerhalb der Stadt abdecken. Diese Rubriken, und auch das diese so prominent auftreten, ist der nächste große Pluspunkt des Abenteuers, wo bisherige Kaufabenteuer Fertigkeitenherausforderungen arg stiefmütterlich behandelt hatten. Hier dagegen wird über die zweite große Fertigkeitenherausforderung dargestellt, wie gut es den SC gelingt, während ihrer Unternehmen in der Stadt unentdeckt zu bleiben – misslingt dies, so steigt graduell der sogenannte „Threat Level“ in der Stadt, was mit sich bringt, dass die Monster zahlreicher und besser auf die Eindringenden vorbereitet zutage treten. Die zugrunde liegende Mechanik, sowie deren Benennung, wird den einen oder anderen an die „Threat“-Mechanik im Brettspiel „Descent“ erinnern. Tatsächliche Vorlage ist ein alter „Dragon“-Artikel von Mike Mearls zu „D&D 3.0“.

Die restlichen neun Begegnungen im Abenteuer, die die verbliebenen zwei Drittel des Abenteuerheftes beanspruchen, widmen sich dann vorbereitenden Begegnungen in der Stadt. Zu diesen gehören natürlich die Orte, an die die SC relativ direkt geschickt werden – ihre Auftraggeberin vermutet den letzten der Tötenden Steine an einem dieser Orte (Tempel, Bibliothek, Kiris-Anwesen) – und diese sind, wie auch anders, von zwielichtigen Kreaturen besetzt. Erfrischend ist aber auch hier, dass das Abenteuer von den SC keineswegs voraussetzt, hier lediglich martialisch vorzugehen. Im Gegenteil, umso eher die SC mit versprengten Besetzern kommunizieren, umso schneller kommen sie ans Ziel – nämlich mehr über das Schicksal der Stadt sowie über den momentanen Aufenthaltsort des Zielartefakts zu erfahren. Einziger Wehrmutstropfen ist, dass das Abenteuer dem Spielleiter hier nicht immer eindeutige, klare, oder überhaupt nachvollziehbare Hinweise zum Verhalten der NSC gibt (so sieht das Abenteuer vor, dass ein Werwolf einmal die SC unweigerlich angreift, nur um eine Seite später oder in der Einleitung davor vorauszusetzen, dass die SC mit dem Werwolf leicht ins Gespräch kommen, um jegliche Kampfauseinandersetzung zu vermeiden).

Das ändert nichts daran, dass diese Art der Handhabung der Gegner in einem „D&D“-Abenteuer der letzten Jahre ein absolutes Novum ist. Nicht nur gibt es zahlreiche Hilfestellungen, wie die Gegner auch abseits und während des Kampfgeschehens rollenspielerisch dargestellt werden (etwa S. 19). Just die Schlüsselbegegnung mit dem NSC, der das Zielartefakt der SC besitzt, wird überhaupt nicht als Kampf abgewickelt, sondern als eine weitere Fertigkeitenherausforderung. Auch hier wieder soll verdeutlicht werden, dass Kämpfe in „D&D“-Abenteuern eine zentrale, aber keinesfalls eine alleinige Rolle einnehmen sollten. Der Vorzeigewert des Abenteuers, neuen Spielleitern den idealen Abenteueraufbau eines „D&D“-Szenarios zu vermitteln, ist insofern enorm, gerade wenn man es mit dem Vorgänger von 2008 „Keep on the Shadowfell“ vergleicht, einer Schlachtplatte für eher simple Gemüter.

Bewertung:

Wie schon anhand einzelner Aspekte angedeutet, geht das Abenteuer „The Slaying Stone“ neue Wege für ein Kaufabenteuer der 4. Edition von „D&D“. Viel häufiger und effektiver werden Nichtkampfbegegnungen wie Fertigkeitenherausforderungen eingesetzt. Erstmals wird von den SC nicht erwartet, dass sie jeden und alles niedermähen, was sich ihnen in den Weg stellt. Im Gegenteil – das Abenteuer bestraft solches Vorgehen beinahe, indem es von kompromisslos kampflustigen SC einen höheren Ressourcenaufwand verlangt und ihnen zugleich lange Zeit Kerninformationen vorenthält, die zur „Lösung“ des Abenteuers vonnöten sind.

Freilich, neben diesen strukturellen Neuerungen findet sich im Inneren auch allerhand altbekanntes. Kein Erststufen-Abenteuer für „D&D“ ohne Kobolde, Goblins, und Orks. Diese werden zwar in zahlreiche Fraktionen vor Ort unterteilt, aber auch das ist nur Aufgewärmtes (vgl. das berühmte Erststufen-Abenteuer „Sunless Citadel“ anno 2000). Auch merkt man dem Produkt die deutliche Einsparung beim Format an. Zwar kostet das Abenteuer nur die Hälfte seiner Vorgänger, ist aber um gleich 66% kürzer. Nicht immer wurde an sinnvollen Ecken und Enden gespart. Zwar ist es löblich, dass der Verlag die Anzahl an Kampfbegegnungen relativ zu dem, was die Rahmenhandlung hergab, deutlich entschlackt hat – statt acht Begegnungen mit den immergleichen Kobolden (wie im vorhin erwähnten „Shadowfell“) gibt es diesmal nur zwei. Aber das restlose Einstampfen von Spieler-Handouts und sonstigen Illustrationen für die Spieler ist zu bedauern.

Fazit: Selbst kleinere Schwächen in der Ausführung können nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir es mit einem der besseren Kaufabenteuer für die 4. Edition von „D&D“ zu tun haben. Gerade den strukturellen Neuerungen werden auch erfahrene Spielleiter viel abgewinnen können.


The Slaying Stone (HS1)
Abenteuerband
Logan Bonner
Wizards of the Coast, 2010
ISBN: 978-0-7869-5388-2
30 S., geheftet, englisch
Preis: $ 14,95

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