Tales from the 13th Precinct

"Tales from the 13th Precinct" – das klingt ein bisschen nach John Carpenter und auch wenn das neue Quellenbuch für die "World of Darkness" im Speziellen natürlich nichts mit dem Carpenter-Cop-Thriller "Assault on Precinct 13" von 1976 zu tun hat, so teilen beide doch im Allgemeinen das gleiche Thema: Es geht um Cops und ihre Arbeit in einer brutalen und düsteren fiktionalen Realität. In diesem Sinne: "Willkommen im Club, Rookie. Wir haben einen 10-37 an der 17ten, Ecke Columbia. Also leg deine BDU an und komm. Wir haben einen Job zu tun."

von Bernd Perplies

 

 

Gesetzeshüter gehören neben Reportern und Geheimagenten zu den beliebtesten Charakterkonzepten für ein Rollenspielsetting in der Hier-und-Jetzt-Zeit. Sie kommen fast überall rein und sind immer dann gefragt, wenn irgendwo seltsame Dinge vorfallen oder aber Action angesagt ist (sprich: Abenteuer sie erwarten). "Tales from the 13th Precinct" ist ein 141 Seiten umfassendes Quellenbuch im Hardcover, das sich ausschließlich der Arbeit regulärer Cops gewidmet hat. Dabei stehen keine Supermänner im Vordergrund, oder einer streng geheimen Regierungsorganisation angehörende Kampfmaschinen, sondern der einfache Detective, das Frontschwein, das die Straßen, Gassen und dunklen Flecken seiner Stadt kennt und immer wieder dorthin aufbricht, um sich mit den Schattenseiten unserer Zivilisation herumzuschlagen – und ihren unheimlichen Bewohnern.

Das Quellenbuch wählt dabei keinen rein theoretischen Ansatz, sondern vermittelt seinen Inhalt anhand des praktischen Beispiels einer Polizeiwache in einer beliebigen amerikanischen Kleinstadt mit dem Allerweltsnamen Midway. The 13th Precinct trägt seinen Namen dabei nicht nur, weil das Gebäude einst die Wache für den 13. Distrikt war und an der 13th Street liegt, sondern auch nach der Umstrukturierung, die es heute zum Zone 4 Regional Precinct House macht, noch aus dem Aberglauben der Leute heraus, denn im 13th Precinct geschehen unverhältnismäßig viele seltsame Dinge. (Wie passend...)

Die Wache selbst wird im ersten Kapitel als zweistöckiges, denkmalgeschütztes Gebäude vorgestellt – erfreulicherweise samt detailliertem Gebäudeplan –, das als typisch amerikanisches Polizeigebäude daherkommt. Zu den ausführlichen Beschreibungen der Räume gehören nicht nur permanente Einrichtungsgegenstände, sondern hier und da auch Hinweise zur Polizeitradition, wie etwa die konstante Versorgung der Beamten mit Donuts im Aufenthaltsraum.

Das alles wirkt so lebensnah (zumindest gemessen an unserer hiesigen Hollywooderfahrung von Polizeiarbeit), dass die Autoren vor Kapitel zwei, welches sich mit Methoden der Polizeiarbeit beschäftigt, gleich zwei Warnung anfügten:

  1. Erwarte nicht, dass dieses Buch dir alle Details über Polizeiarbeit vermittelt. Einige Dinge mögen in Wirklichkeit anders laufen, andere wurden zur Sicherheit der Beamten absichtlich vage gehalten.
  2. Es ist völlig in Ordnung, einen Polizisten im LARP zu spielen, aber achte stets darauf, dass dich niemand für einen echten Beamten (noch schlimmer: mit einer echten Waffe) hält, denn das ist strafbar.

Das mag für jeden halbwegs mündigen Leser selbstverständlich sein und daher kurios wirken, aber gut, in Amerika muss man auch "Vorsicht, heiß" auf die Kaffeepappbecher drucken, damit die Leute nicht auf dumme Gedanken kommen.

Tatsächlich bietet das genannte Kapitel eine Unmenge an Informationen, die es jedem Spielleiter und Spieler leicht machen, sich im Cop-Milieu zu bewegen. Die Hierarchie innerhalb der Polizei wird ebenso erklärt wie die einzelnen Abteilungen, die Ausbildung und die Arbeit auf der Straße – von der Patrouille oder Ermittlung, über den Zugriff bis hin zum Papierkram danach. Auch die unterschiedlichen Arten von Verbrechen (und wie sie kategorisiert werden) finden Beachtung, ebenso die Arbeit der ERU (Emergency Response Unit) von Midway und ein recht ausführlicher Teil beschäftigt sich mit der rechtlichen Handhabe und den Tricks der Polizei im Umgang mit Verdächtigen. Es würde den Rahmen sprengen, hier jede beschriebene Einzelheit aufzuführen, es sei nur so viel gesagt: Wer das alles gelesen hat, wird im Rollenspiel den perfekten Cop mimen können!

Zwischendrin lockern kleine Kästen den Text auf, die entweder Details zu einem speziellen Thema verraten – etwa der Hundestaffel –, Tipps für den Spielleiter geben oder optionale Regeln anbieten. Am Ende des Kapitels befinden sich zudem einige neue Character Options. Außerhalb dieser Kästen bleibt das Buch weitgehend frei von spieltechnischen Belangen, sodass sich der reine Inhalt auch hervorragend in andere Systeme transportieren lässt und "Tales from the 13th Precinct" zu einer Art Universal-Quellenbuch macht.

Das dritte Kapitel stellt auf – man ist geneigt zu sagen: verschwenderischen – 25 Seiten das Personal der Wache vom 13th Precinct vor. Die spieltechnischen Angaben sind komplett und die Hintergrundinformationen, welche die Beamte und assoziierte Zivilisten oft in irgendeine Verbindung mit dem Übernatürlichen bringen, ausführlich genug, um den NSC zu reichem Leben zu erwecken. Nette Abenteueransätze werden zudem mit den "Storytelling Hints" gegeben. Der Text wird von einigen Illustrationen begleitet, die stets eine Gruppe der vorgestellten NSC abbilden, qualitativ allerdings eher schwach sind, nicht zuletzt, weil man einige kleinere Gestalten auf den Bildern kaum erkennen kann.

Das vierte und letzte Kapitel wendet sich – schon fast traditionell – an den Spielleiter und besteht vor allem aus einer Reihe Adventure Hooks, die jeweils mit einer Ausgangsposition, einem Plot-Twist und den Folgen daherkommen. Ein wichtiger NSC wird dazu meist aufgeführt. Ein netter Bonus ist der Zusatz "Role Reversals", der sich die Frage stellt, wie das Abenteuer aussehen könnte, wenn die Spieler nicht die Cops, sondern die "Bösen" (a.k.a. Vampire, Werwölfe etc.) mimen und sich gegen die Ermittlungen der Gesetzeshüter zur Wehr setzen müssen. Ein komplettes Kurzabenteuer bildet den Anhang und das Ende des Quellenbuchs.

Fazit: Mit seinem klar umrissenen Thema und der informativen, sehr kurzweilig zu lesenden Umsetzung gefällt mir "Tales from the 13th Precinct" hervorragend. Die Idee, eine Truppe Cops zu spielen, die mit dem Übernatürlichen der "World of Darkness" konfrontiert wird, liegt ja recht nahe und hier bekommen Spieler und Spielleiter ein hilfreiches und einen guten Überblick bietendes Instrument zur Hand, um eben diesen Ansatz mit Leben und einem Hauch von Authentizität zu versehen. Die Konzentration der Autoren auf Wissenswertes und der sehr geringe Regelanteil machen das Buch auch für Spieler anderer zeitnaher Spielsysteme interessant. In diesem Sinne: Code Seven. Copy that?


Tales from the 13th Precinct
Quellenbuch
Alan Alexander, Clayton Oliver u. a.
ISBN: 1-58846-480-6
141 S., Hardcover, englisch
Preis: $ 26,99

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