von Bastian Ludwig
Inhalt
November 1983. Mary Winchester ist tot. Zurückgelassen hat sie ihren Ehemann John und ihre zwei Söhne, den vierjährigen Dean und den Säugling Sam. Die Umstände, unter denen seine Frau gestorben ist – unter der Zimmerdecke hängend ist sie in Flammen aufgegangen –, lassen John keine Ruhe. Er beginnt nachzuforschen und stößt bald auf eine Welt, die von dem meisten Menschen unbemerkt innerhalb unserer eigenen existiert. Es ist eine Welt, bevölkert von Dämonen und anderen übernatürlichen Kreaturen, und es ist die Welt der Jäger, Menschen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, diese Wesen aufzuspüren und zu vernichten. Einer dieser Jäger, für John ein völlig Fremder, nimmt den verzweifelten Witwer unter seine Fittiche und hilft ihm bei dessen Nachforschungen. Ungeachtet der Verantwortung gegenüber seinen Söhnen ist John auf dem besten Weg, selbst ein Jäger zu werden.
Besprechung
„Supernatural – Origins“ startete in den USA im Mai 2007 während die letzten Episoden der zweiten Staffel von „Supernatural“ über die amerikanischen Bildschirme flimmerten; im Moment befindet man sich schon in Staffel Sechs. Über die Vorgeschichte der Serienhandlungen gibt es demzufolge inzwischen einiges an Enthüllungen, war in „Origins“ naturgemäß keine Rolle spielen konnte. Wo „Der verlorene Sohn“ sich auf interessante Weise in die Mythologie der Serie einfügte, wirkt „Origins“ deswegen losgelöster, weniger verzahnt, wodurch es an Relevanz verliert. Kanon-Freude wird es beruhigen, dass es auf der anderen Seite aber auch keine gravierenden Widersprüche zur Serie gibt.
Für bemerkenswerten Unmut im amerikanischen Fandom sorgte allerdings die Tatsche, dass John sein Auto, den 67er Chevrolet Impala, im Verlauf der Comichandlung erhält, während man schon in der Pilotfolge der Serie sieht, dass das Auto in der Nacht von Marys Tod vor dem Haus der Winchesters geparkt ist. Die Fans beschwerten sich, dass damit die Bedeutung des Wagens als Zuflucht der Winchester-Brüder und als Verbindung zu ihren Eltern und ihrer Vergangenheit geschmälert würde. Peter Johnson, der Autor von „Origins“, rechtfertigte daraufhin seine Entscheidung als für die Charakterentwicklung dramaturgisch wichtig. Schließlich korrigierte er aber diesen „Fehler“ in der Paperback-Veröffentlichung, die nun als Director’s Cut angeboten wird. Die deutsche Version basiert allerdings auf der Erstausgabe.
Viel wichtiger als solche Details der Kontinuität ist aber die Frage, ob die erzählte Geschichte überzeugt, und hier bekleckert sich ‚Origins’ leider nicht gerade mit Ruhm.
Die Handlung selbst geht in Ordnung, wenn sie auch unspektakulär Etappe für Etappe von Johns Reise aneinander reiht, und mit ein paar Dämonenkämpfen, einem Zwischenstopp in der aus dem Fernsehen bekannten Jägerkneipe „Harvelle’s Roadhouse“ und Autofahrten durch die ödesten Ecken der USA samt Übernachtung im Motel sind genügend Versatzstücke vereint, um eine ordentliche „Supernatural“-Atmosphäre zu gewährleisten.
Mittelpunkt der Geschichte ist ohnehin John Winchesters Entwicklung hin zum Jäger, und hier liegt das größte Problem des gesamten Comics, denn diese Entwicklung ist weder besonders mitreißend noch richtig nachvollziehbar erzählt. In Monologen und Gesprächen wird zwar immer wieder versucht, Johns Motivation klarzumachen, wirklich nachfühlen kann man jedoch nie, weswegen ein durchschnittlicher Familienvater sein Leben hinter sich lässt, seine Kinder aus ihrem gewohnten Umfeld reißt und sie mit in eine Welt voll steter Gefahr nimmt. So ein Mann muss ein Getriebener sein, dem die Besessenheit, den Tod seiner Frau aufzuklären und die Monster, die ihr das angetan haben, zurück in die Hölle zu schicken, einen guten Teil des gesunden Menschenverstandes genommen hat. Szenen, die stark genug sind, diese Besessenheit wirklich zu vermitteln, finde ich aber nicht. So bleibt die Charakterzeichnung flach.
Gleiches lässt sich leider auch über den Zeichenstil von Matthew Dow Smith sagen. Er erinnert ein wenig an Mike „Hellboy“ Mignolas, ist ebenso kantig, zeigt die gleiche Verwendung von flächig-schwarzen Schatten und die Abwesenheit jeglicher Schraffuren und Grautöne, erreicht aber niemals Mignolas Dynamik und seinen Grad an Details. Die Figuren bleiben zweidimensional und statisch.
Was mich aber die gesamte Lektüre hindurch wirklich auf Distanz gehalten hat, konnte ich erst sehr spät richtig fassen: Es waren die Augen. Smith weigert sich fast durchgehend, dem Leser die Augen der Figuren zu zeigen. Stattdessen gibt es nur große schwarze Flächen, einem Totenschädel gleich, sodass die größtenteils ohnehin schon ausdrucksarmen Gesichter zu Masken verkommen.
Fazit: „Supernatural – Origins“ ist deutlich schwächer als „Der verlorene Sohn“. Die Charaktere sind zu oberflächlich dargestellt und den Zeichnungen fehlt es an Dynamik und Plastizität. Für Fans, die wirklich alles aus dem „Supernatural“-Universum verschlingen möchten, ist der Band in Ordnung, alle anderen verpassen nichts, wenn sie ihn im Comicregal links liegen lassen.
Supernatural – Origins
Comic
Peter Johnson, Matthew Dow Smith
Panini Comics 2010
ISBN: 978-3-862010-04-2
128 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 16,95
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