von Bastian Ludwig
„Dad will, dass wir dort weitermachen, wo er aufgehört hat. Wir sollen Menschen retten, das Böse jagen. Unser Familienauftrag.“ (Dean zu Sam in der Episode „Wendigo“)
Die Zeit, in der John Winchester zusammen mit seinen beiden Söhnen durch die Vereinigten Staaten zog, immer auf der Jagd nach Dämonen und anderen übernatürlichen Unholden, hängt wie ein Schatten über allem, was Dean und Sam in der Fernsehserie tun. Immer wieder wird über diese Vergangenheit gesprochen, nur hin und wieder wird sie in Rückblenden tatsächlich gezeigt. „Der verlorene Sohn“ versucht, etwas Licht in das Dunkel zu bringen.
Die Handlung spielt etwa sieben Jahre nach dem grausamen Tod von Mary Winchester. John ist inzwischen ein erfahrender Jäger und zieht mit Dean und Sam, sieben und zwölf Jahre alt, durch die Gegend, um dem Übernatürlichen den Garaus zu machen. Dean weiß dabei schon um die ungewöhnliche Arbeit seines Vaters, während Sam die grausige Wahrheit zu seinem eigenen Schutz noch vorenthalten wird.
Nach einem besonders schweren Job beschließt John, dass es an der Zeit ist, seinen Jungs ein möglichst normales und sicheres Leben zu bieten. Doch die Ruhe währt nicht lange, denn ein mysteriöser Dämon, die Prophezeiung des Wahrsagers Silas über die Zukunft des kleinen Sammys und eine Gruppe anderer Jäger machen den Winchesters das Leben schwer.
Wer die ersten beiden und vielleicht auch schon die dritte Staffel von „Supernatural“ kennt, der wird sich freuen, dass die Geschichte von „Der verlorene Sohn“ nicht völlig unabhängig vom großen Handlungsbogen der Serie erzählt wird. Man bekommt einiges aus der Vergangenheit der Winchesters zu sehen, Sams Fähigkeiten und seine Rolle im Krieg zwischen Menschen und Dämonen werden thematisiert, und es zeigt sich, dass eine Figur, die erst zum Ende von Staffel Drei auf der Bildfläche erscheint, schon früher die Wege der Winchesters gekreuzt hat. Außerdem wird die Figur von John Winchester in einigen besonders unangenehmen Szenen, wie man sie in der Serie so nicht zu sehen bekommt, in ein deutlich verändertes Licht gerückt. Für die Mythologie der Serie besitzt der Comic also durchaus eine gewisse Relevanz.
Neben dieser inhaltlichen Verknüpfung orientiert sich der Comic auch in seiner Ästhetik und seiner Atmosphäre an der Fernsehserie. Ein starker Hell-Dunkel-Kontrast mit flächig getuschten Schatten dominiert die Panels, die Farben sind eher gedeckt, aber letzten Endes ist der Stil doch der eines Hochglanzproduktes. Und auch wichtige Elemente der Serie wie Heimatlosigkeit, die offene Straße, die Sorge um die Familie und natürlich der 67er Chevrolet Impala erzeugen die typische „Supernatural“-Stimmung. Diese wird allerdings dadurch variiert, dass sich der Comic in erster Linie um John Winchester dreht, die Geschichte also in großen Teilen eine One-Man-Show ist und die Dynamik zwischen den beiden Brüdern, welche die Serie maßgeblich trägt, nur am Rande vorkommt. Außerdem ist der Comic – in erster Line aufgrund der oben erwähnten „besonders unangenehmen Szenen“ – ein ganzes Stück härter als die Serie, auch weil das Düstere durch keinerlei Humor aufgebrochen wird, wie man es aus dem Fernsehen kennt.
In den USA werden schon seit einigen Jahren Comic-Abenteuer um Dean und Sam in Mini-Serien zu je sechs Ausgaben herausgebracht; im Moment befindet man sich dort gerade Mitten in der dritten dieser Reihen. „Der verlorene Sohn“ ist die zweite Miniserie und wurde im Original zwischen der dritten und vierten Staffel veröffentlicht. In Deutschland erscheinen die sechs US-Ausgaben in einem Paperback mit den für Paninibände üblichen guten Qualitätsstandards.
Als „Bonus“ findet sich am Ende des Bandes noch eine vierseitige Geschichte um die aus der Fernsehserie bekannte Reality-TV-Möchtegerngeisterjägergruppe „Ghostfacers“ von Serienschöpfer Eric Kripke persönlich. Wenn ich es richtig verstanden habe, soll das Ganze wohl irgendwie lustig sein.
Hübscher anzusehen ist da schon die übliche Galerie der Cover der sechs US-Hefte, die es einen bedauern lässt, dass der deutsche Verlag als Titelbild des Bandes nur das auch von den DVD-Boxen der dritten Staffel bekannte Photo der Winchester-Brüder verwendet hat.
Fazit: „Supernatural – Der verlorene Sohn“ ist eine durchaus gelungene Ergänzung zur TV-Serie, welche deren Stimmung gut einfängt, aber dennoch genügend Eigenständigkeit besitzt und die Fans mit interessanten Details über den Hintergrund der Serienhelden füttert.
Supernatural – Der verlorene Sohn
Comic
Rebecca Dessertine, Peter Johnson, Eric Kripke, Diego Olmos, Dan Hipp
Panini 2010
ISBN: 978-3-866079-88-5
148 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 16,95
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