Star Wars Sonderband 46: Vector 1 – Der Muur-Talisman

Von allen Konzepten des transmedialen Erzählens zählt „Star Wars“ neben „Star Trek“ zu den avanciertesten. Die Romane, Videospiele und Comics ergänzen sich nicht nur, sie haben auch eine Eigenständigkeit herausgebildet, die sich näher an den weitläufigen Comic-Universen der Verlage DC und Marvel, als an einem filmbegleitenden Merchandising-Produkt befindet. Mit dem zweiteiligen „Vector“ realisiert Dark Horse nun ein Event, das sich Batman, Spider-Man und Co. in regelmäßigen Abständen gönnen. In einem die Jahrhunderte umspannenden Crossover sorgt die Auseinandersetzung um einen gefährlichen Sith-Talisman für ein Treffen der „Star Wars“-Generationen.

von Andreas Rauscher

 

Im New York der Marvel-Comics oder den unendlichen Weiten des „Star Trek“-Universums gehört es zu den festen Standards, dass im Rahmen von besonderen Events die verschiedenen Fraktionen der im jeweiligen fiktionalen Kosmos angesiedelten Serien aufeinandertreffen. Für „Star Wars“ erschien ein Crossover-Unternehmen dieser Art bisher eher ungewöhnlich. Umso stärker verdeutlicht daher der Zweiteiler „Vector“, dass sich die Dark Horse-Comic-Reihen, die sich von Anfang an durch eigenständige und einfallsreiche Ansätze auszeichneten, inzwischen zu einem Comic-Franchise entwickelt haben, das durchaus auch unabhängig von den Filmen funktioniert oder eine originelle neue Perspektive auf diese wirft. Beide Ansätze finden sich in „Vector“ beispielhaft realisiert. Die erste Hälfte des Bandes spielt in der vom Games-Studio Bioware detailliert ausgestalteten Alten Republik und die zweite Episode wirft einen genaueren Blick auf Darth Vaders heimliche Ambitionen.

Die verschiedenen Zeitebenen verknüpft die Assassine Celeste, die mit Hilfe des bewährten Space-Opera-Plots eines mehrere Jahrhunderte umfassenden Kälteschlafs (vgl. „Buck Rogers“ oder „Futurama“) durch die Epochen des „Star Wars“-Universums befördert wird. Den notwendigen MacGuffin liefert ein Sith-Amulett, in dem der Geist seines früheren Besitzers gefangen ist. Natürlich gestaltet sich dieser ähnlich funktional wie Alfred Hitchcocks legendäre Geheimformeln. Er dient einzig und allein dazu, die Handlung in Gang zu setzen und das als Teaser auf den ersten Seiten in einer Traumvision vorweggenommene Treffen zwischen den Protagonisten der vier „Star Wars“-Reihen herbeizuführen.

Den ersten Teil von „Vector“ bestreitet die Crew um den unschuldig Verfolgten Jedi-Padawan Zayne Carrick und den chaotischen Trickbetrüger Gryph aus den „Knights of the Old Republic“ (KOTOR)-Comics. In den Wirren des mandalorianischen Krieges viertausend Jahre vor der Film-Saga entdeckt Carrick eine wichtige Spur, die ihm die dringend benötigten Beweise gegen den Jedi-Rat liefern könnte, der ihm einen infamen Mord anzuhängen versucht. Auf amüsante Weise kombiniert der Kampf um das Sith-Relikt Motive klassischer Werwolf-Geschichten mit den Standardsituationen des „Star Wars“-Universums.

Stilistisch folgen die einzelnen Segmente der Ästhetik der jeweiligen Comic-Reihen. Während die KOTOR-Episode sich an der leicht überzeichneten Cartoon-Optik der Abenteuer von Zayne und Co orientiert, ändert sich mit dem Zeitwechsel in die ersten Jahre des Imperiums, die in der Reihe „Dark Times“ im Mittelpunkt stehen, die visuelle Umsetzung der Thematik entsprechend. Dunkle Farben, an den Filmen der ersten Trilogie orientierte Lichteffekte und ein realistischerer Zeichenstil bestimmen das Geschehen. Die Handlung verfügt hingegen über einige Situationskomik, die anschaulich demonstriert, welche kreativen Freiräume und neuen Lesarten die transmedialen Spin-Offs einer filmischen Erzählung ermöglichen.

Eine der größten Enttäuschungen für Darth Vader besteht, wenn man die Filme etwas genauer betrachtet, bekanntlich darin, dass sich sowohl die ehemalige Geliebte Padmé, als auch der designierte Junior-Partner Luke weigern, gemeinsam mit ihm die Galaxis zu unterjochen. Wenn auf die eigene Familie schon kein Verlass ist, muss man sich eben nach anderen potenziellen Mitstreitern umsehen. Von den weiteren fehlgeschlagenen Versuchen Vaders, einen Verbündeten zu finden, der mit ihm den Imperator hintergeht, handeln sowohl das Multi-Media-Spektakel „The Force Unleashed“, als auch „Vector“.

Doch während die zugleich als Comic, Roman und Videospiel erhältliche Geschichte um Vaders heimlichen Schüler vor lauter transmedialen Vernetzungen ein wenig zu holprig und forciert geriet, entwickeln die Bemühungen des dunklen Lords, die gerade frisch aufgetaute Celeste auf seine Seite zu ziehen, eine überraschende ironische Komponente. Vader zeigt Ansätze zu einer sensiblen und tragikomischen Figur, ohne in die larmoyanten Routinen Anakins zurückzufallen. Wenn er sich fürsorglich um die aus dem Kälteschlaf erwachte Jedi-Agentin kümmert, nur um gleich darauf, als diese ihn verspätet als Sith identifiziert, wieder Prügel zu beziehen, erscheint der Handlanger des Imperators als beinahe sympathischer ständiger Verlierer.

Immer wieder fällt er seinem eigenen ungezügelten Temperament zum Opfer und erweist sich in seinen geheimen Umsturzplänen gegen den Imperator als rührender Dilettant, dem vermutlich lediglich auf Grund seiner guten Kontakte zum Imperium erspart blieb, wie sein Cousin Chad Vader aus der gleichnamigen YouTube-Serie im Empire Supermarkt die Regale einräumen zu müssen.

Fazit: Eine vielversprechende Eröffnung des zweiteiligen Crossover-Events, die nicht nur die Charaktere der aktuellen „Star Wars“-Comics von Dark Horse in einer die Jahrhunderte umspannenden Geschichte vereint, sondern auch die einzelnen episodischen Segmente am Stil der jeweiligen Reihen ausrichtet.


Star Wars Sonderband 46: Vector 1 - Der Muur-Talisman
Comic
John Jackson Miller, Mick Harrison u.a.
Panini Comics 2008
ISBN: 978-3-86607-555-9
148 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

bei amazon.de bestellen