von Andreas Rauscher
Im Unterschied zum Vorgängerband, der sich in der überlangen Exposition immer wieder zu verlieren drohte, gestaltet sich das nächste Kapitel im hundert Jahre nach der Schlacht von Endor angesiedelten „Star Wars – Legacy“-Zyklus erfreulicherweise wieder von Anfang an spannend und strukturiert. Das Artwork von Jan Duursema weist wieder die gewohnte Qualität auf und erscheint durchgehend stimmig, nachdem im zweiten Band offensichtlich einige Panels von der Urlaubsvertretung gestaltet worden waren. Die Versuchung des Outcast-Jedis Cade Skywalker durch Darth Krayt bietet ausgiebig Gelegenheit für grafische Effekte und düstere Szenarien. Diese könnten andere im Expanded Universe aktive Gamedesigner ohne Weiteres als Inspirationsquelle nutzen, nachdem die „Star Wars“-Videospiele sich in letzter Zeit auf die wiederholte Verarbeitung der Filme als Strategiespiele beschränkt haben.
Inzwischen gehört es schon zur festen Familientradition der Skywalkers, dass sie mit einer Selbstverständlichkeit von der dunklen Seite der Macht verführt werden, wie andere Menschen im gleichen Alter ihre Abschlussprüfung absolvieren. Wie sich bereits anhand der Visionen im letzten Band erahnen ließ, ist nun Cade an der Reihe, vom selbst ernannten Imperator Darth Krayt auf die Probe gestellt zu werden. Im Gegensatz zu den minimalistisch gekleideten Jedi verfügt der neue Anführer der Sith-Lords immerhin über modische Utensilien wie eine Knochenrüstung, die wie eine Mischung aus Fantasy-Montur und postapokalyptischem Road-Warrior-Outfit aussieht.
Das Zusammenspiel der einzelnen Handlungsfäden, die im Vorgänger zu isoliert nebeneinander standen, funktioniert in „Die Klauen des Drachen“ reibungslos. Im Wesentlichen entwirft der Plot eine Variation der Dramaturgie von „Das Imperium schlägt zurück“. Cade, der eine alte Schuld begleichen wollte, begibt sich freiwillig in die Gefangenschaft der Sith, um seine ehemaligen Weggefährten aus alten Schmuggler-Tagen zu retten. Während sich sein Vorfahre Luke noch bereitwillig und ohne jeden Verdacht in Darth Vaders Falle verfing, erklärt sich Cade von selbst bereit, im Tempel der Sith zu bleiben. Seine Freunde, die anfangs nichts von seiner Vergangenheit als Jedi wussten, beschließen gegen seinen Willen, eine Rettungsaktion zu starten.
Unterstützt werden sie bei der Umsetzung ihres Plans von Cades Mutter, einer freischaffenden imperialen Agentin, die ein weiteres interessantes Beispiel für die deutliche Veränderung der Frauenrollen im „Star Wars“-Universum abgibt. Seit der Einführung von Mara Jade in den Romanen von Timothy Zahn Anfang der 1990er Jahre haben sich die Protagonistinnen der „Star Wars“-Romane, Videospiele und Comics deutlich vom „Damsel in Distress“-Syndrom emanzipiert, dem sich in den Filmen Leia zeitweise unterordnen musste. Es wäre ein spannendes Thema für eine Cultural-Studies-Analyse, weshalb die ausdifferenzierten Genderrollen erst in den Romanen und Comics umfassend genutzt werden.
Natürlich folgen auch Reihen wie „Legacy“ in der Charakterisierung ihrer Hauptfiguren etablierten Rollenmustern des Science-Fiction-/Abenteuer-Genres, aber dennoch fällt positiv auf, dass Autoren wie John Ostrander oder Timothy Zahn im Bereich der Romane die Stereotypen der Space Opera weitgehend hinter sich lassen, die von jeder Figur lediglich eine bestimmte Facette betonen und andere Aspekte der Charakterisierung der Einfachheit halber ausklammern. Luke und Anakin trafen in den Filmen trotz gelegentlicher larmoyanter Ausfälle ihre Entscheidungen relativ eindeutig. Im Expanded Universe bestehen hingegen einige Nischen zwischen der hellen und dunklen Seite (auch wenn die an Darth Maul angelehnten Sith-Schergen immer noch wie mittelalterliche Dämonenfratzen aussehen).
Cade Skywalker begegnet den Angeboten der Sith wie ein Nachwuchs-Mobster, der die offerierte Allianz mit einem gegnerischen Syndikat kritisch prüft und nach seinen eigenen Interessen abwägt. Auch sein Gegenspieler Darth Krayt wird durch die in Rückblenden eingeflochtene Background Story über seine Abkehr von den Jedi-Rittern und eine folgenschwere Begegnung mit Obi-Wan Kenobi zu einem vielschichtigeren Schurken. Elemente wie die Einblicke in die Biographie des Charakters sorgen dafür, dass Krayt sich zu einem reizvollen Gegner entwickelt. Seine Ambitionen beschränken sich nicht alleine auf die Erfüllung des seit Imperator Ming aus „Flash Gordon“ obligatorischen Berufsziels, das bekannte Universum seinem Willen zu unterwerfen.
Sorgfältig eingesetzte Action-Passagen sorgen neben der im Zentrum des Bandes stehenden Vertiefung der Charaktere für die nötige Dynamik. Laserschwert-Duelle und Raumgefechte sorgen für die erforderliche Abwechslung, ohne zum Selbstzweck zu geraten.
Fazit: Nach dem etwas enttäuschenden zweiten Band kehrt „Die Klauen des Drachen“ wieder zu den Stärken des ersten „Legacy“-Comics zurück. Durch das geschickte Wechselspiel zwischen bekannten dramaturgischen Motiven und deren gezielter Variation eröffnet die düstere und ambivalente „Next Generation“ des „Star Wars“-Universums neue narrative und ästhetische Optionen, die sich auch positiv auf die anderen Bereiche der „Star Wars“-Spin-Offs, wie Videospiele und Romane, auswirken könnten.
Star Wars Sonderband 42: Legacy 3: Die Klauen des Drachen
Comic
Jan Duursema, John Ostrander
Panini Comics 2008
ISBN: 978-3-86607-551-1
144 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 14,95
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