von Andreas Rauscher
„Legacy“ verfügt aufgrund der ästhetischen Akzentverschiebungen und eines ausdifferenzierten Personals aktuell über das interessanteste, erzählerische Potenzial der diversen „Star Wars“-Comicreihen. Nach dem eindrucksvollen ersten Band gestaltet sich der Einstieg der zweiten Kompilation „Neue Allianzen“ anfangs unerwartet schwerfällig. Die Protagonisten um Cade Skywalker, den Jedi-Erben wider Willen und seine Begleiter, die an die Schmuggler-Banden der ersten „Star Wars“-Spin-Offs um Han Solo und Lando Calrissian erinnern, kommen erst in der zweiten Hälfte des Bandes vor.
Stattdessen befassen sich die ersten Kapitel ausgiebig mit den Hintergründen der Intrigen um Imperator Fel, dessen eigensinnige Generäle sich gegen seinen Willen auf einen Handel mit den Sith-Lords um Darth Krayt eingelassen haben. Das detailverliebt ausgearbeitete Intrigennetz kann zwar durchaus in kommenden Bänden die Grundlage für komplexe Konflikte bieten. So lange die Fraktionen nicht aufeinander treffen, leidet jedoch das Erzähltempo deutlich darunter. Die Exposition, die die erste Hälfte des zweiten „Legacy“-Comics umfasst, gestaltet sich trotz ihres zukünftigen dramaturgischen Potenzials streckenweise zu schwerfällig.
Jede der verschiedenen Fraktionen könnte bereits Stoff für einen eigenen Story-Zyklus bilden. Die Restbestände der Allianz verfügen nach der erneuten Zerstörung der Jedi-Akademie über einen denkbar schweren Stand. Das reformierte Imperium hat sich in zwei Fraktionen aufgespalten, in eine moralisch integre Gruppe um Imperator Fel, die sich auf der ehemaligen imperialen Zentralwelt Bastion verschanzt hat, und in eine verräterische, auf Coruscant residierende Fraktion von Sith-Kollaborateuren. Die in ihrem neuen Look an die Modern Primitives diverser Endzeit-Geschichten erinnernden dunklen Lords haben sich inzwischen deutlich von der Regel der zwei Sith-pro-„Star Wars“-Ära verabschiedet. In ihrem gebündelten Auftreten erinnern sie eher an eine Martial-Arts-Fraktion aus den asiatischen Wu-Xia-Schwertkampf-Epen oder jene Heerscharen, die Dark-Horse-Autoren Mitte der 1990er Jahre mehrere Jahrtausende vor der Zeit der „Star Wars“-Filme aufeinander losließen.
Mit dem Wechsel aus den diversen Schaltzentralen der Macht zu einer Spionage-Geschichte um ein geplantes Bündnis zwischen aufgeklärten Imperialisten und abgeklärter Allianz erhöht sich deutlich die Dynamik der Geschichte. Ein Sith-Spion und die imperiale Agentin Morrigan, deren Zweckbündnis ähnlich brüchig wie die Abmachungen zwischen Kopfgeldjägern im Italo-Western erscheint, begeben sich auf die Suche nach dem untergetauchten Cade Skywalker. Eine damit verknüpfte kurze Rückblende skizziert eine ausbaufähige Vorgeschichte, die nach der zeitweiligen Wiederherstellung der Kernfamilie bei Lucas und Zahn die nächste Jedi-Generation als modernisierte, dysfunktionale Variante durchspielt.
Anschließend läuft „Neue Allianzen“ unerwartet zu Hochtouren auf und knüpft unmittelbar an die literarischen Psycho-Trips des Anthropologen Carlos Castaneda an, dessen Schriften Lucas neben den Thesen des Kulturwissenschaftlers Joseph Campbell bei der Gestaltung der ersten Trilogie ebenfalls maßgeblich geprägt haben. Der vor sich hin delirierende und in seinem Verhalten damit zeitweise passiver als Anakin und Luke zusammen agierende Cade wird in Visionen von Mara Jade und Darth Vader heimgesucht. Die Verlagerung des Schwerpunkts der Erzählung auf die Ereignisse um den heruntergekommenen Grunge-Skywalker und das Schicksal seiner früheren Begleiter resultiert in einer deutlichen Verbesserung des Artworks, das weitaus geschickter als in den ersten Kapiteln mit Perspektiven und Farbgestaltung umgeht.
Die Einführung einer Gruppe von Yuuzhan Vong knüpft effektvoll an die bereits im ersten Band angedeuteten Möglichkeiten an, bisher nur in den „Star Wars“-Romanen beschriebene Schauplätze und Charaktere zusätzlich visuell umzusetzen. Gegen Ende des Bandes findet sich neben den ästhetischen Erweiterungen auch eine amüsante Kontinuität durch den erneuten Auftritt einer hinreichend bekannten Figur, die für einen überraschenden, strukturell naheliegenden Anschluss an die vergangenen „Star Wars“-Epochen sorgt.
Als Bonus-Story schließen der Kampf zwischen Imperator Fel und einem Sith-Attentäter, sowie die in den USA als einzelnes Heft veröffentlichte Kurzgeschichte um die Loyalitätskonflikte eines imperialen Soldaten den soliden, wenn auch nicht durchgehend gelungenen Band ab.
Fazit: „Neue Allianzen“ widmet sich detailliert den Machtverhältnissen im „Star Wars“-Universum hundert Jahre nach den in den Filmen von George Lucas geschilderten Abenteuern. Nach einem etwas zähen Einstieg gewinnt die Erzählung mit dem Wechsel zu dem von inneren Zweifeln zerrissenen Cade Skywalker nicht nur deutlich an Tempo, sondern gestaltet sich auch in ästhetischer Hinsicht interessanter und vielseitiger als das auf Dauer ermüdende Intrigenspiel zwischen Imperialen und Sith.
Star Wars Sonderband 40: Legacy 2: Neue Allianzen
Comic
Jan Duursema, John Ostrander
Panini Comics 2007
ISBN: 978-3-86607-342-5
172 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 16,95
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