Star Wars Sonderband 37: Knights of the Old Republic II: Stunde der Wahrheit

Der unschuldig des Mordes an seinen Jedi-Kollegen verdächtigte Padawan Zayne Carrick erlebt im zweiten Band der von dem Videospiel „Knights of the Old Republic“ inspirierten Comic-Reihe auf der Flucht vor einer undurchsichtigen Verschwörung weitere Abenteuer in den Randbereichen der Galaxis. Begleitet von einer ungewöhnlichen Crew, bestehend aus dem wendigen Alien-Glücksritter Marn, dem rätselhaften Einsiedler Camper, dessen junger Begleiterin Jarael und einem neurotischen Roboter, gerät Carrick 4000 Jahre vor den „Star Wars“-Filmen in die Wirren der mandalorianischen Kriege.

von Andreas Rauscher

 

„Knights of the Old Republic“ (KOTOR) entwickelt sich inhaltlich zunehmend zum legitimen Nachfolger der alten Marvel-„Star Wars“-Comics aus den 1970er und 1980er Jahren.

Während die neue Reihe „Legacy“ eine 100 Jahre nach den Filmen angesiedelte, ambivalente und düstere Variante des „Star Wars“-Universums entwirft, gestaltet sich „KOTOR“ im zweiten Band als leicht nostalgisches Vergnügen. Die Rollen wurden im ersten Band klar verteilt: Eine ebenso intrigante wie bigotte Fraktion im Jedi-Rat des Planeten Taris wählt einen naiven jungen Helden als Sündenbock für ein von ihnen selbst begangenes Verbrechen. Durch einen glücklichen Zufall entgeht dieser dem geplanten Hinterhalt und begibt sich mit einer bunt zusammengewürfelten Gruppe aus Good-Bad-Guys und eigenwilligen Abenteurern auf die Flucht quer durch das aus der innovativen Videospiel-Reihe „KOTOR“ bekannte „Star Wars“-Universum, 4000 Jahre vor den Ereignissen der Kinofilme.
 
Anstelle von Polit-Intrigen und zweifelhaften Jedi-Hierarchien stehen in den „KOTOR“-Comics riskante Aktionen in den entlegeneren Bereichen der Galaxis auf dem Programm. Die mandalorianischen Kriege spielen zwar als Background-Story immer wieder eine zentrale Rolle, tangieren die Protagonisten jedoch eher auf einer individuellen, als auf einer umfassend militärstrategischen Ebene, beispielsweise wenn ein Mitglied der Crew versehentlich als vermeintliche Jedi in die Gefangenschaft eines mandalorianischen Kommandos gerät. Konflikte dieser Art erinnern stärker an die Funktion, die in klassischen Italo-Western den Auseinandersetzungen im Mexiko des 19. Jahrhunderts als Ambiente für die Abenteuer der Anti-Helden zukommt, als an den gewohnten, an Konventionen des Agententhrillers angelehnten Schlagabtausch zwischen Rebellion und Imperium, der in zahlreichen anderen „Star Wars“-Comics und -Videospielen im Mittelpunkt steht.      

Ästhetisch entspricht „Stunde der Wahrheit“ den gewohnten Dark-Horse-Standards. Akzentuierte ganzseitige Splash-Panels und leichte Variationen der Kadrierung unterstützen den Erzählfluss der relativ geradlinigen Handlung. Die Konflikte gestalten sich als unterhaltsame Genre-Variationen, von denen ausnahmsweise einmal nicht das Schicksal der gesamten Galaxis abhängt. Die Jedi-on-the-Run-Dramaturgie der bisherigen „KOTOR“-Comics erinnert in ihrer Art der Dynamik und dem unterhaltsamen Spiel mit Standardsituationen auf angenehme Weise an die alten Marvel-„Star Wars“-Comics der 1970er und 1980er Jahre. In diesen vertrieben sich die Helden bis zum nächsten Kinoeinsatz die Zeit mit episodisch angelegten Abenteuern, in denen weiter gespannte Handlungsbögen eher beiläufig im Sub-Plot verfolgt wurden.

In vergleichbarer Form schlägt sich die „KOTOR“-Crew im zweiten Band durch eine Reihe von lose miteinander verbundenen Abenteuern, die an eine „Star Wars“-Variante der TV-Serie „Auf der Flucht“ um den ebenfalls unschuldig verfolgten Dr. Kimble erinnern. Während eines Täuschungsmanövers geraten Carrick und seine Freunde in eine diffizile Situation, als während ihres vorgetäuschten Angriffs auf einen Minenplaneten plötzlich ein echter Überfall durch mandalorianische Truppen erfolgt. Nach einer erinnerungswürdigen Begegnung mit einem abtrünnigen Mandalorianer, den Ur-Großvätern des allseits beliebten Boba Fetts, verschlägt es die Gruppe auf einen von Kopfgeldjägern überwachten Bankenplaneten.

Die Intrigen um den Rat der Jedi beschränken sich in der zweiten „KOTOR“-Kompilation auf eine Nebenhandlung, in der in kurzen Flashbacks der biographische Hintergrund und die Motivation von Carricks Gegenspielern erkundet werden. Der ursprünglich zentrale Plot erweist sich zunehmend als McGuffin, auf dessen Grundlage die zufällig um Carrick versammelte Crew noch zahlreiche Abenteuer in Minenkolonien oder auf von zwielichtigen Gestalten belagerten Planeten erleben kann. Für die demnächst realisierte „Star Wars“-TV-Serie könnte dieses dramaturgische Konzept eine geeignete Struktur liefern, die ausreichend Abwechslung zu den nur noch begrenzt variierbaren Klonschlachten verspricht.

Fazit: Die im ersten Band noch zentrale Jedi-Verschwörung tritt in „Stunde der Wahrheit“ in den Hintergrund. Stattdessen stehen einzelne, episodisch strukturierte Abenteuer der Crew um Zayne Carrick im Mittelpunkt. Im Unterschied zu den meisten epischen Konflikten im Extended Universe von „Star Wars“ gestaltet sich die „KOTOR“-Reihe als spielerisches, in einigen Elementen wie den Konflikten mit Kopfgeldjägern und abtrünnigen mandalorianischen Soldaten positiv an die „Star Wars“-Marvel-Comics vergangener Jahrzehnte anknüpfendes Genre-Vergnügen.


Star Wars Sonderband 37: Knights of the Old Republic II: Stunde der Wahrheit
Comic
John Jackson Miller, Brian Ching
Dino 2007
ISBN: 978-3-86607-339
148 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 14,95

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