Star Wars Roleplaying Game Saga Edition Core Rulebook

Vor 30 Jahren, in einer weit, weit entfernten Galaxie kam ein noch relativ unbekannter Filmemacher namens George Lucas auf die Idee, einem Farmerjungen ein leuchtendes Schneidewerkzeug in die Hand zu geben, ein Zottelvieh hinter das Steuer eines Raumschiffes zu setzten und jedem Zuschauer zu zeigen, was eine Raucherlunge für Atemprobleme bringt. Aus diesen Zutaten wurde eine der erfolgreichsten und bekanntesten Filmreihen aller Zeiten: „Star Wars“. „Wizards of the Coast“ nahm das runde Jubiläum zum Anlass, die 3. Edition des „Star Wars RPG“ zu veröffentlichen. Aber lohnt sich diese Anschaffung für „Star Wars“-Spieler wirklich?

von Marcello Marceddu

„Nach meiner Größe beurteilst du mich, tust du das?“ (Jedi-Meister Yoda)

Quadratisch, praktisch, gut. Dieses Motto eines bekannten deutschen Schokoladenfabrikanten ist wohl bis in die Verreinigten Staaten von Amerika vorgedrungen. Anders kann ich mir nicht erklären, wie „Wizards of the Coast“ auf die Idee gekommen ist, sein neustes „Star Wars“-Machwerk in einem unkonventionellen, nahezu quadratischen Format herauszubringen.

Doch ungeachtet aller Verwunderung, die Gestaltung und die Qualität der Verarbeitung ist trotz des Formats keineswegs auf der Strecke geblieben. Fast auf jeder Seite des Hardcoverbuches finden sich stimmige Zeichnungen, die das „Star Wars“-Gefühl fast noch besser vermitteln, als die Filmbilder in den vorangegangen Grundregelwerken. Natürlich ist auch dieses Mal alles voll in Farbe und schön bunt, sodass höchstens Menschen mit einer Rot-Grün-Sehschwäche etwas zu meckern hätten. ;-)

Nach anfänglicher Skepsis bemerkt man auch schnell den Vorteil des ausgewählten Formates: Selten habe ich so enspannt auf meinem Sofa gelegen und eine Rollenspielpublikation gelesen. Einzig und allein die Optik in jeder Rollenspiel-Sammlung hat darunter zu leiden, wenn die neu errungene Kostbarkeit die Symetrie in jedem Bücherregal durcheinander bringt. Die Texte sind allesamt sauber und ordentlich gegliedert, sodass nur die mittlerweile erhältichen Errata einen dunklen Fleck auf der sonst so weißen Produktionsweste hinterlassen.

„Beeindruckend. Höchst beeindruckend.“ (Darth Vader)

Der Aufbau des Buches ist im Grunde genommen nach selben Strickmuster wie schon die bisher erschienen Editionen gegliedert.

Angefangen mit einer kleinen aber feinen Einführung, kommt man direkt zu den spielbaren Rassen, die im Grundregelwerk zu finden sind. 17 Völker stehen zur Auswahl. Das ist zwar keine Verschlechterung, aber auch keine Verbesserung zur 2. Edition. Verändert wurden allerdings die Boni und Vorteile der Rassen. Dadurch macht es nun doch einen größeren Unterschied, welche Rasse man zu seiner geplanten Klasse auswählt.

Der Spielcharakter setzte sich, wie bereits bekannt, aus sechs Grundattributen zusammen: Strength (Stärke), Dexterity (Geschicklichkeit), Constitution (körperliche Verfassung), Intelligence (Intellingenz), Wisdom (Willenskraft) und Charisma (Austrahlung).

Bei den Klassen wurde gegen über der letzten Ausgabe sogar eine gestrichen: der Techspezialist. Damit bleiben die üblichen Verdächtigen, die wie folgt sind: Jedi (kennt jeder), Noble (Adliger), Scoundrel (Halunke), Scout (Aufklärer) und der Soldier (Soldat). Das scheint auf den ersten Blick etwas wenig an Auswahl zu sein, aber es gäbe kein neues Grundregelwerk ohne Veränderungen beziehungsweise in diesem Fall Verbesserungen.

Denn jede Klasse verfügt nun über drei unterschiedliche Talentbäume. Diese Besonderheit kennt mancher bestimmt schon aus dem „d20 Modern“-Regelwerk. In bestimmten Abständen lassen sich so verschiedene, einzigartige Vorteile oder Fahigkeiten auswählen, um die Klassen individueller voneinander abzugrenzen. Dadurch spielen sich jetzt zwei hochstufige Jedi auch völlig unterschieldich, je nachdem, welchen Talentbaum sie weiter ausbilden. Natürlich kann man auch versuchen, verschiedene Talente zu berücksichtigen, allerdings auf Kosten der Effektivität.

Durch das verbesserte Multi-Classing (mischen verschiedener Klassen untereinander) steht einer flexiblen Charktergestalung nichts mehr im Wege, und ich behaupte mit Fug und Recht, dass wir damit das flexibelste „Star Wars Roleplaying Game“ der letzen Jahre erhalten haben.

„Vergessen musst du das, was früher du gelernt.“ (Jedi-Meister Yoda)

Die Skills (Fertikeiten) und Feats (Talente) wurden ebenso grundlegend überarbeitet.

Skills steigen nun von sich aus jede Stufe, die der Charkter erreicht. Es gibt allerdings so genannte Trained Skills (antrainierte Fertigkeiten), die man zu Beginn der Charktererschaffung auswählt und somit direkt einen +5 Bonus auf den gewählten Skills erhält. Klingt kompliziert, ist es aber nicht. Durch diese Veränderung können auch niedrigstufige Spieler durchaus knifflige Situationen meistern und jeder Charakter verfügt über eine größere Palette an Möglichkeiten, Situationen zu lösen.

Die Feats wurden weiter entschlackt und übersichtlicher gestaltet. Neue Feats geben nun die Möglichkeiten zu mehreren Angriffen pro Runde, da nun jeder Charakter nur über einen Standardangriff pro Runde verfügt, oder aber sie fügen weitere Trained Skills hinzu, um seine Fertigkeiten zu steigern.

Die Macht erstrahlt ebenso in einem neuen Licht. Man stellt nun seine Machtkräfte wie in einem Kartendeck zusammen und kauft immer neue Fähigkeiten hinzu. Diese spielt man dann auch quasi als solche aus, und in Kombination mit einem Würfelwurf erzielt man den gewünschten Effekt. Auf der „Wizards of the Coast“-Hompage gibt es extra dafür Vorlagen zum Runterladen.

Das hat denVorteil, dass man immer weiß, wie viele Machtfähigkeiten zur Verfügung stehen, und dass die Beschreibung der Wirkungsweise direkt auf der betreffenden Karte steht. Den Machtnutzern steht sogar noch ein separater Talentbaum zur Verfügung, um ihre Machtfähigkeiten in eine bestimmte Richtung zu verändern.

Selbstverständlich kann ein Charakter, wenn er allzu leichtfertig mit seinen Kräften umgeht, zur Dunklen Seite der Macht abdriften und bekommt so Dark Side Points (Dunkle-Seite-Punkte). Diese lassen ihn anhand einer Skala immer weiter dem Bösen verfallen.

„Das Laserschwert deines Vaters. Die Waffe eines Jedi-Ritters. Nicht so plump und so ungenau wie Feuerwaffen. Eine elegante Waffe aus zivilisierteren Tagen.“ (Obi Wan Kenobi)

Mit der richtigen Ausrüstung kann man vieles bewerkstelligen. Leider findet der Leser in diesem Teil des Buches keine Bilder der Waffen oder der Ausrüstungsgegenstände. Hier wurde wohl aus Platzgründen gespart. Das liegt sicherlich auch am gegebenen Format des Buches.

Trotzdem finden sich wirklich fast alle wichtigen Gegestände der „Star Wars“-Saga wieder: Von Lichtschwertern, über kybernetische Gliedmassen, bis hin zu Blastern und Werkzeugkästen wird wohl jeder das geeignete Utensil finden, um seinem Handwerk nachzugehen.

Leider sind alle Distanzwerte bei den Schusswaffen nur noch in Kästchen angegeben, und nur in einem Nebensatz wird erwähnt, wie viele Kästchen ein Meter sind. Hier wird man indirekt quasi dazu angehalten, die „Star Wars“-Miniaturen zu kaufen oder sonstige Figuren aufzustellen. Alle anderen müssen die Distanzen kurz umrechnen. Das ist nicht schwierig und dauert auch nur ein paar Sekunden, aber immerhin ist es ein Handgriff mehr, der bei den Kämpfen zum Tragen kommt.

Das Kampfsytem hat, wie viele Punkte, im Regelwerk, ebenso eine Frischzellenkur bekommen. Die wichtigsten Änderungen sind sicherlich die Einführung der Swift Actions (schnelle Aktionen), die nun mehr Optionen im Kampf ermöglichen, da sie ein Aktion zwischen einer Bewegungsaktion und einer Angriffsaktion darstellen.

Neu sind auch die Hitpoints (Trefferpunkte), die das Vitality (Lebenskraft) Wound (Wunden) Points-System ersetzten, die Streichung der drei verschiedenen Rettungswürfe, die Einführung von drei Defensivwerten sowie der Conditiontrack (eine Art Zustandsskala). Im Grunde kann ich aber sagen, dass jeder, der das vorherigen System kapiert hat, hiermit keine Schwierigkeiten haben sollte. Das Kampfsystem ist sogar etwas schneller geworden und lässt mehr Raum für das Erzählen.

Enizig und allein die neuen Regeln für die kritischen Treffer finde ich persöhnlich zu stark. Musste man in den alten Editionen den kritischen Treffer nochmals mit einem geglückten Angriffswurf bestätigen, trifft ab jetzt jede natürliche 20 auf dem Würfel sofort kritisch. Auch in Anbetracht dessen, dass es nun Regeln für massiven Schaden gibt, ist das heftig. Denn unabhänig der verbliebenen Trefferpunkte kann das den sofortigen Tod bedeuten. Zum Glück gibt es auch wieder Machtpunkte, die man quasi als letztes Mittel einsetzten kann, um solche Situationen doch zu überleben.

Zu meiner positiven Überraschung, sind die Raumkampfregeln dieses Mal besser ausgefallen. Alles orientiert sich so ziemlich am normalen Kampfsystem, sodass man nun auch ohne Probleme und große Modifikationen Raumkämpfe schnell und präzise darstellen kann. Die Schiffe verfügen nun auch über dieselben Grundattribute wie Charaktere, wobei etwa Intelligenz dort selbsverständlich den Computer repräsentiert. Das Umrechnen der Größenunterschiede fällt ebenso weg, sodass Charaktere nun auch schnell und wie aus den Filmen gewohnt in den Kampf gegen einen Imperialen Läufer ziehen können.

„Das sind nicht die Droiden, die Ihr sucht.“ (Obi Wan Kenobi)

Im letzten Drittel des Buches finden wir die Regeln zur Erschaffung von Droiden sowie spezielle Droidentalente und -fähigkeiten. Dies dürfte alle Liebhaber von R2-D2 & Co. sicherlich freuen.

Wie fast üblich bei auf „d20“ basierenden Regelsystemen, finden sich gegen Ende des Buches auch die bekannten Prestigeklassen, darunter der Kofgeldjäger oder Jedi-Ritter, sowie der Spielleiterteil mit Tipps zum Leiten von „Star Wars“. Zudem gibt es einen sehr kurzen Abriss über ein paar verschiedene Planeten.

Zu guter Letzt werden noch einige vorgefertigte Gegner und die wichtigsten Persöhnlichkeiten der jeweiligen „Star Wars“-Epoche vorgestellt und mit spielbaren Werten versehen. Wer also schon immer wissen wollte, wie der Kampf zwischen Boba Fett und Darth Vader ausgegegangen wäre, kann das nun selbst rausfinden.

Fazit: In Anbetracht der Ziele, die sich die Autoren mit diesem Werk gesteckt hatten, bin ich sehr zufrieden. Die Charktererschaffung geht nun, wie angekündigt, schneller von der Hand, das Kampf- und Machtsystem wurde verbessert, und endlich kann man einen Raumjäger ohne abgeschlossenes Studium gegen einen Sternenzerstörer in den Kampf schicken. Die Änderungen sind dabei so umfangreich, dass sich die Anschaffung für die Spieler lohnt, die das bis jetzt beste „Star Wars“ auf „d20“-Basis geniessen möchten. Zumal das Buch in diversen Online-Shops schon für unter 30 Euro zu haben ist. Ein Wermutstropfen bleibt leider die nicht volle Kompabilität zu den bereits erschienen Quellenbüchern, sodass man nun wieder Geld für Neuerscheinungen ausgeben muss – oder einfach selber das Ganze anpasst.


Star Wars Roleplaying Game Saga Edition Core Rulebook
Grundregelwerk
Cristopher Perkins, Owen K.C, Rodney Thompson
Wizards of the Coast 2007
ISBN: 0786943564
286 S., Hardcover, englisch
Preis: $ 39,95

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