Star Wars: Luke Skywalker und die Schatten von Mindor

Der Allianz bleibt nicht viel Zeit zu feiern, nachdem sie über Endor das Imperium besiegt hat. Erst die Bakura-Krise, dann taucht auf einmal ein Finsterling namens Shadowspawn auf, ein Rivale Darth Vaders um die Gunst des Imperators, der einer Philosophie der völligen Vernichtung huldigt. Nach dem Fall des Imperators ist er aus den Unbekannten Regionen zurückgekehrt, um die Galaxis ins Chaos zu stürzen. Sein Weg zum Ziel: Luke Skywalker soll der neue Imperator werden. Luke und seine Freunde müssen sich in ein unglaubliches Abenteuer stürzen, um den wahnsinnigen Despoten von Mindor zu besiegen.

von Frank Stein

Die Handlung des 380-seiten starken Romans von Matthew Stover ist so flach, dass sie in den Teaser dieser Rezension passt: Superschurke namens Shadowspawn kehrt vom Rande der Galaxis zurück, nistet sich auf der unwirtlichen Welt Mindor ein, terrorisiert die Allianz und erreicht so, dass alle namhaften Helden (Luke, Han, Leia, Chewie, Wedge, Lando) ausziehen, um ihm den Garaus zu machen. Genau das war natürlich sein Ziel, denn er will Luke in die Finger bekommen, um ihn zum neuen Imperator zu krönen – der natürlich seine Marionette sein wird. Am Ende dieses feisten Plans soll der Sturz der Galaxis in die Dunkelheit stehen; was immer er sich davon erhofft. Viele Wortgeplänkel und wilde Gefechte später wird er besiegt. Happy End – for now.

Wer das Buch trotz des etwas effektheischerischen Klappentextes liest – etwa, weil er als Fan neugierig auf die im Kanon nicht ganz unwichtige Schlacht von Mindor ist, wird sich zwischendurch sicher die Augen reiben und fragen: Was ist das denn für ein Buch? Ein Superschurke namens Shadowspawn (!), der sogar den Imperator wie einen dummen Jungen aussehen lässt, Legionen tumber TIE-Piloten, die sich willig ins Verderben stürzen, ein Thronsaal in einer Lavahöhle (das kennt man doch aus alten „Star Wars“-Entwurfszeichnungen), flirtende Mon-Calamari-Schiffscomputer, Zombie-Machtadepten, lebendig gewordener Stein … Und dann der Stil: Ständig augenzwinkernder Humor, vom tumben mandalorianischen Söldner (Ja, nimm das, Karen Traviss!), über tolldreiste X-Wing-Piloten-Jungs, bis hin zu Vergleichen im Stile von „eben war die Situation noch so hässliche wie ein Wampa mit Pickeln gewesen – jetzt drohte sie sich rasant einem nackten Gamorreaner anzunähern“. Ja, will uns Matthew Stover, der uns das eindringliche „Star Wars“-Vietnam-Drama „Mace Windu und die Armee der Klone“ und mit „Verräter“ den vielleicht dunkelsten Roman der „Erbe der Jedi-Ritter“-Reihe bescherte, denn veralbern?

Mitnichten. Wer ein bisschen genauer hinschaut, merkt, dass Stover mit diesem Roman ein Experiment versucht hat. Ein Experiment zugegeben, das nicht so richtig funktioniert. Mit „Luke Skywalker und die Schatten von Mindor“ wollte der Autor nach eigenem Bekunden in die Zeit vor den Tonfall, den Timothy Zahn mit der „Thrawn“-Trilogie für das Expanded Universe setzte, zurückreisen. Also in die Zeit der Brian-Daley-Romane und der Marvel-Comics. Das sieht man schon, wenn man sich den Titel zu Gemüte führt (der vor allem im Englischen auffällt, denn im Gegensatz zu den deutschen Titeln, die vor „Mace Windu &“, „Obi-Wan &“, „XYZ &“ nur so strotzen, ist die Kombination Name+Irgendwas im Englischen sehr ungewöhnlich). Dazu kommen die dramatische 4-Colour-Superhelden-Coverillustration und der kecke Schwung im Schriftzug, der an einen alten Science-Fiction-Heftroman erinnert.

Abgesehen davon – und hier wird es problematisch – ist praktisch die gesamte Handlung in eine Rahmenhandlung eingebettet, in der Luke Skywalker einen Ermittler namens Lorz Geptun damit beauftragt, Beweise für seine Schuld am Ableben Tausender während der Mindor-Krise zu sammeln. Was folgt ist dann Geptuns Rekonstruktion der Ereignisse. Es stellt sich allerdings heraus, dass der gute Mann ein ausgemachter Schmierenkomödiant ist und mehr Interesse daran hat, einen spektakulären Holothriller zu schreiben, als eine historische Abhandlung. Dadurch wird ein Großteil der Handlung von „Luke Skywalker und die Schatten von Mindor“ de facto entwertet. Die Dinge könnten so geschehen sein, könnten aber auch auf die dichterische Freiheit Geptuns zurückgehen. Die Kanonität der Ereignisse darf somit bezweifelt werden.

Und an dieser Stelle geht Stovers Experiment, so lustig es gemeint sein mag, nach hinten los. Denn „Star Wars“-Fans wollen Geschichten aus ihrem Universum lesen, die – bei aller Unwahrscheinlichkeit – innerhalb der erzählten Welt echt sind. Unzuverlässige Erzählerfiguren mögen in der Mystery interessant sein, aber hier passt es einfach nicht. Denn welchen Wert hat es, sich durch 380 Seiten zu kämpfen, nur um am Ende zu erfahren, dass ein Großteil des Gelesenen vermutlich Spinnerei ist? Als Kurzgeschichte hätte mir die Idee gefallen. Als Roman ist die Enthüllung am Schluss, die ich – bitte vielmals um Entschuldigung – hiermit schon vorweggenommen habe, schlichtweg enttäuschend (wenn sie auch viele der seltsameren Momente in der Handlung nachträglich verständlich macht).

Fazit: Matthew Stover geht auf Zeitreise. In einem romanlangen Experiment versucht der Autor, an die wilde Anything-Goes-Zeit der Prä-Zahn-Ära anzuknüpfen, bekommt dann allerdings Angst vor der eigenen Chuzpe und packt das Ganze in eine Rahmenhandlung, die den Wahrheitsgehalt des Erzählten stark in Zweifel zieht. Am Ende steht ein Buch, das man zwar lesen kann, das aber de facto nur geringen Wert für die große Geschichte des „Star Wars“-Universums hat. Vielen Fans wird das zu wenig sein. Stover wäre besser beraten gewesen, sich nicht ganz so weit aus dem Fenster zu lehnen, dafür aber eine authentische Geschichte aus der Zeit direkt nach der Zerstörung des zweiten Todessterns abzuliefern (genau wie es sein Vorbild Brian Daley ja auch geschafft hat).


Star Wars: Luke Skywalker und die Schatten von Mindor
Film/Serien-Roman
Matthew Stover
Blanvalet 2009
ISBN: 978-3-442-26599-2
379 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 13,00

bei amazon.de bestellen