Star Wars Essentials 4: Schatten des Imperiums

Die Bezeichnung „Episode 5 ½“ bezieht sich nicht etwa auf einen unbekannten Teil der Action-Persiflage „Die nackte Kanone“, die ihre Sequels vorzugsweise in Halbe und Drittel aufteilt. Einige Jahre bevor sich am Beispiel der „Matrix“-Trilogie die Aufteilung einer Geschichte auf verschiedene Medien zum Hype-Thema der Medienwissenschaften entwickelte, versuchte sich George Lucas mit „Schatten des Imperiums“ an einem ersten Probelauf im Bereich des Transmedia-Storytelling. Die Ereignisse zwischen „Das Imperium schlägt zurück“ und „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ bildeten die Grundlage für einen Comic, einen Roman und ein Videospiel, einen eigenen Soundtrack und neue Spielzeug-Figuren.

von Andreas Rauscher

 

Angesichts der in den frühen 1990er Jahren immer deutlicher erkennbaren Eigendynamik des erweiterten „Star Wars“-Universums erschien die Idee ausgesprochen nahe liegend. Zur Einstimmung auf die 1997 veröffentlichte Überarbeitung der ersten Trilogie sollte im Rahmen eines groß angelegten Multimedia-Projekts eine neue Zwischen-Episode veröffentlicht werden. Kurz zuvor hatten die auf den Bestseller-Listen der New York Times vertretene „Thrawn“-Trilogie des renommierten Science-Fiction-Schriftsteller Timothy Zahn, das düstere Comic-Epos „Dark Empire“ und das CD-Rom-Spiel „Rebel Assault“ dem auf ein nostalgisches Guilty Pleasure reduzierten Franchise zu einem unerwartet spektakulären Comeback verholfen. Die „Schatten des Imperiums“ sollten, inklusive eines extra für das Spiel komponierten Orchester-Soundtracks, das kreative und kommerzielle Potenzial aller drei Formate bündeln. Die zwischen Episode 5 und 6 angesiedelten Abenteuer wurden in jeder Veröffentlichung aus einer anderen Perspektive erzählt.

Während im Roman detailliert geschildert wurde, wie Leia und Chewbacca als Kopfgeldjäger getarnt, ins Zentrum des Imperiums auf Coruscant vordringen, konnte man im Videospiel in der Rolle des Ersatz-Han-Solo Dash Rendar die Handlung als Third-Person-Shooter nachspielen oder im Comic verfolgen, wie Boba Fett mit seinen ehemaligen Kopfgeldjäger-Kollegen aneinander gerät. Die vergebliche Suche nach dem in Karbonit gefangenen Han Solo und die Begegnung mit dem intriganten Nobel-Gangster Xizor, der sich mit Darth Vader um die Gunst des Imperators streitet, hätte durchaus das Potenzial zu einer spannenden multimedialen Erzählung. Doch leider zeigen sich an dem Unternehmen auch schon jene Probleme, mit denen das Transmedia-Storytelling bis heute zu kämpfen hat, obwohl die einzelnen Teile für sich genommen durchaus über ihren eigenen Reiz verfügen.

Der ganz auf die Charaktere der ersten Trilogie konzentrierte, visuell sorgfältig gestaltete Comic bietet eine ganze Reihe vergnüglicher Standardsituationen, die zwischen Wiederholung und Variation changieren. Von einem riskanten Einsatz des X-Wing-Rogue-Squadron, über eine Swoop-Bike-Verfolgungsjagd auf Tatooine, bis hin zu an klassische Italo-Western angelehnte Schurkenstreiche zwischen Boba Fett und den anderen Kopfgeldjägern, finden sich die Zutaten eines nostalgischen „Star Wars“-Abenteuers. Unbeeinträchtigt von den Ambivalenzen und Brüchen der Zahn-Romane steht „Schatten des Imperiums“ deutlich in der Tradition der ersten, von Marvel produzierten „Star Wars“-Spin-Off-Comics, in denen eine Cliffhanger-Situation auf die nächste folgte und sich illustre Schurkengestalten die Klinke in die Hand gaben. Während dieses Konzept im Videospiel, in dem der Spieler unter anderem an der Schlacht von Hoth teilnimmt und gegen Boba Fett und IG-88 als Boss-Gegner kämpft, aufgeht, stolpert der Comic wie auch der begleitende Roman mit dem Anliegen, dennoch eine epische Geschichte erzählen zu wollen, streckenweise über die eigenen Ambitionen.

Einige Passagen erscheinen erst zufriedenstellend, nachdem man alle Varianten kennt. Der vergebliche Versuch, Boba Fett auf der imperialen Basis Thrall zu stellen, und der Showdown im Hauptquartier Xizors auf Coruscant tauchen in Videospiel, Comic und Roman auf. Statt nach dem Vorbild der Filme die Ereignisse parallel zu montieren, beschränkt sich jedes der drei Medien aber auf die Perspektive eines einzelnen Protagonisten. Das vervollständigte Story-Puzzle ergibt jedoch leider nicht die „Star Wars“-Variante eines Robert-Altman-Ensembledramas, in dem sich die untereinander verwobenen Episoden zu einem fesselnden Gruppenbild ergänzen. Für einen dramaturgisch überzeugenden Gesamteindruck erscheinen die einzelnen Segmente zu isoliert und folgenlos, für eine Anthologie unterhaltsamer, episodischer Charakterskizzen á la „Sturm über Tatooine“ und „Palast der dunklen Sonnen“ bleiben hingegen die Protagonisten zu oberflächlich und farblos.

Der pünktlich zum Finale schon wieder aus dem Rennen um den Han-Solo-Gedächtnispreis beförderte Dash Rendar funktioniert zwar im Videospiel problemlos als Avatar. Für eine tragende Rolle in Roman und Comic erinnert er jedoch zu stark an den seelenlosen, von gelangweilten Marketing-Spezialisten am Reißbrett entworfenen Wunderhund Poochie aus den „Simpsons“, zumal seinen Part genau so gut der als sympathischer Halunke erfahrene und als Figur weitaus interessantere Lando Calrissian hätte übernehmen können. Überhaupt fehlen in den „Schatten des Imperiums“ im Vergleich zu Zahns Romanen faszinierende, eigenständige Charaktere wie Mara Jade oder Talon Karrde, die dem Expanded Universe erst zu einem inzwischen von den Filmen weitgehend unabhängigen Eigenleben verhalfen. Auch die für andere „Star Wars“-Comics entscheidenden, ungewöhnlichen Wendungen, wie Lukes temporäres Bündnis mit der dunklen Seite in „Dark Empire“, lassen vergeblich auf sich warten.

Wenn man den „Schatten des Imperiums“-Comic hingegen unabhängig von dem nicht gänzlich überzeugenden Transmedia-Storytelling-Rahmen als eigenständige Hommage an die frühen „Star Wars“-Ableger rezipiert, kommt man durchaus auf seine Kosten. Der zum heimlichen Star der Saga avancierte Boba Fett übernimmt eine zentrale Rolle und in Darth Vaders gelegentlicher Ratlosigkeit zeichnet sich bereits die Umcodierung der Figur durch die Prequel-Trilogie ab. Eine reizvolle Ergänzung zum Comic bietet das über Second-Hand-Versandhändler günstig zu beziehende Videospiel, auch wenn die dramaturgischen Querbezüge nicht wirklich funktionieren. Es bleibt zu hoffen, dass nach diesem ersten Probelauf die Handlungsfäden des für diesen Sommer angekündigten, nächsten multimedialen Großprojekts „The Force Unleashed“ sorgfältiger aufeinander abgestimmt werden.

Fazit: Der vierte Band der Jubiläumsreihe „Star Wars Essentials“ von Panini / Dark Horse bietet die Gelegenheit, einen Teil des 1996 veröffentlichten Multimedia-Projekts „Schatten des Imperiums“ nachzuholen. Auch wenn die Charakterzeichnung und die zu episodenhaft gestaltete Dramaturgie als transmediales Epos nicht gänzlich überzeugen können, bietet der Comic als eigenständiges nostalgisches Abenteuer dennoch einige reizvolle und unterhaltsame Ansätze. Insbesondere für Anhänger der in „Das Imperium schlägt zurück“ nur flüchtig skizzierten Kopfgeldjäger um Boba Fett ist die Geschichte empfehlenswert. Wer hingegen eine epische „Star Wars“-Erzählung erwartet, sollte besser zu den Comic-Adaptionen der Timothy Zahn-„Erben des Imperiums“-Romane greifen.


Star Wars Essentials 4: Schatten des Imperiums
Comic
John Wagner, Killian Plunkett, John Nadeau u. a.
Panini Comics 2007
ISBN: 978-3-86607-563-4
156 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 16,95

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