Star Wars: Einsame Entscheidungen

Timothy Zahn gilt für viele Fans des Expanded Universe der „Star Wars“-Saga als der Vorzeigemann unter den Kreativen, die sich an neuen Abenteuern von Luke Skywalker, Han Solo und Leia Organa versucht haben. Das liegt zum einen sicher daran, dass seine „Thrawn“-Tilogie Anfang der 1990er das Franchise überhaupt erst wieder in Schwung brachte. Aber auch – und vielleicht ganz besonders – an seiner Gabe, erinnerungswürdige neue Figuren zu entwerfen, etwa die rothaarige Agentin des Imperators Mara Jade, die im vorliegenden Roman die Hauptrolle spielt.

von Frank Stein

Jeder „Star Wars“-Autor hat seine „Kinder“. Für die Autoren der „X-Wing“-Romane, Michael A. Stackpole und Aaron Allston, waren es Piloten wie Wedge Antilles, Corran Horn und Tycho Celchu. Für Karen Traviss waren es die Klonsoldaten. Für Timothy Zahn sind es der blauhäutige Chiss-Imperiale Thrawn, die taffe Hand des Imperators Mara Jade und – neuerdings – die fünf Sturmtruppler der „Hand der Gerechtigkeit“, ehemalige Diener des Imperiums, die desertierten, als sie feststellen mussten, dass die Neue Ordnung, der sie sich eigentlich verpflichtet hatten, vor allem von brutalen und korrupten Egomanen beherrscht wird. In „Treueschwur“ zogen sie dabei erstmals auf eigene Faust los, um für wahre Gerechtigkeit zu kämpfen, die unabhängig von der politischen Herrscherkaste ist. Und in „Einsame Entscheidungen“ sind sie nun erneut mit von der Partie.

Wie schon in „Treueschwur“ wählt Timothy Zahn seinen Schauplatz und Konflikt auch in „Einsame Entscheidungen“ mit Bedacht. Er hält sich von den großen politischen Entwicklungen dieser Zeit zwischen „Episode IV: Eine neue Hoffnung“ und „Episode V: Das Imperium schlägt zurück“ fern. Auch der Kampf zwischen Allianz und Imperium interessiert ihn nur am Rande. Stattdessen konzentriert er sich auf ein kleines System am Äußeren Rand, das an die Unbekannten Regionen grenzt, ein Schauplatz also, wo er machen kann, was er will, ohne anderen Autoren und Geschichten ins Gehege zu kommen, und wo er seinen Lieblingen Jade, Thrawn, der Hand der Gerechtigkeit und einem jungen Gilad Pellaeon, der noch als Brücken-Offizier von Thrawns späterem Schiff, der Schimäre, dient, freien Lauf lassen kann.

Unbedeutend für die „Star Wars“-Kontinuität ist der Roman deswegen keineswegs! Tatsächlich gelingt es Zahn erstaunlich gut, der Geschichte Bedeutung zu verleihen. Etwa acht Monate nach der Schlacht von Yavin IV suchen die Rebellen verzweifelt nach einer neuen Basis. Im Poln-System könnte es Platz für sie geben. Kurioserweise bietet ihnen ausgerechnet ein imperialer Gouverneur Gespräche an, man vermutet, weil sie ihm gegen den Kriegsherrn Nuso Esva beistehen sollen, der in den Unbekannten Regionen wütet und auch seine Finger Richtung Poln-System ausstreckt. Der gleiche Gouverneur bringt auch Mara Jade in das System, die vom Imperator den Befehl bekommt, diesen angeblichen Verräter zu richten. Zur Unterstützung packt sie sich die desertierten Soldaten der „Hand der Gerechtigkeit“ ein, die sie zuvor aus einer brenzligen Situation gerettet hat. Als alle Protagonisten vor Ort sind, stellt sich mehr und mehr heraus, dass sie nur Spielfiguren in einem tödlichen Spiel zwischen Nuso Esva und dem zu dieser Zeit noch eher unbedeutenden Captain Thrawn sind, die sich gegenseitig ein Dorn im Auge sind und einander zu vernichten suchen. Im finalen Chaos gelingt den Rebellen (natürlich) die Flucht aus dem System, allerdings haben sie einiges an Ausrüstung im Gepäck, was man später in „Das Imperium schlägt zurück“ zu sehen bekommt – ein netter Gag, um dem Roman, wie gesagt, auch Relevanz über sich selbst hinaus zu verleihen.

Dieser letzte Satz soll das Übrige keineswegs klein machen! Auch als eigenständige Geschichte funktioniert Zahns Abenteuer sehr schön. Anfangs hat man noch das Gefühl, dass sehr viele Handlungsstränge irgendwie nebeneinander her laufen, doch am Ende knotet Zahn daraus ein absolut rundes und gelungenes Finale, in dem jeder ein paar Minuten glänzen darf. Dennoch lässt sich nicht verhehlen, wem seine Sympathien gelten. Die Rebellen spielen hier eher Nebenrollen. Luke kommt sehr deutlich als Bauerntölpel rüber, der den Profis von der „Hand der Gerechtigkeit“ und Mara Jade eher im Weg steht, als wirklich zu helfen. Das passt natürlich gewissermaßen zu der Rolle, die er kurz nach „Eine neue Hoffnung“ noch gespielt hat, hebt aber doch ein wenig allzu deutlich die coolen Imperialen hervor. Ähnlich auffällig ist Darth Vaders Kurzauftritt, der ihn wie einen Vorschlaghammer wirken lässt. Gut, Vader war schon immer eher von der brachialen Sorte, doch gegen den feinsinnigen Taktiker Thrawn lässt Zahn ihn besonders plump aussehen. Es überrascht, dass der Sith-Lord all seine Untergebenen am Ende mit dem Leben davonkommen lässt. In „Das Imperium schlägt zurück“ war er nicht mehr so zimperlich im Umgang Leuten, die ihn enttäuscht haben.

Letzten Endes muss man sich als Fan einfach damit arrangieren, dass Zahn hier zwar ein großes Ensemble bekannter Namen auffährt – darunter auch noch Airen Cracken und Carlist Rieekan –, im Wesentlichen aber an der Legende seiner eigenen Figuren weiterstrickt. „Einsame Entscheidungen“ erzählt ein Abenteuer von Mara Jade und den Sturmtrupplern um Daric LaRone mit einem guten Schuss Pellaeon und Thrawn. Unseren gewöhnlichen Helden kommen hierbei nur Nebenrollen zu. Das mag ein bisschen selbstbezogen wirken, aber wenn eine Geschichte so gut und mitreißend erzählt ist, kann man darüber hinwegsehen.

Fazit: Wer die Figuren von Timothy Zahn mag, wird diesen Roman lieben. Mara Jade, die „Hand der Gerechtigkeit“, Gilad Pellaeon und Thrawn dürfen einmal mehr zeigen, wie ein Imperium aussehen könnte, wenn es von guten Leuten beherrscht würde. Fans der Rebellion müssen damit klarkommen, dass ihre Helden kurz nach der Schlacht von Yavin IV, allen voran Luke Skywalker, eher knapp und mehr oder weniger hilflos charakterisiert werden. Alles in allem ein spannender „Star Wars“-Roman, dem der Spagat gelingt, einerseits sich auf einen lokalen Konflikt zu konzentrieren und damit Kontinuitätsprobleme zu vermeiden, aber andererseits doch auch eine nette Nische im Geschichtsablauf zwischen „Eine neue Hoffnung“ und „Das Imperium schlägt zurück“ auszufüllen.


Star Wars: Einsame Entscheidung
Film/Serien-Roman
Timothy Zahn
Blanvalet 2012
ISBN: 978-3-442-37954-5
544 S., Paperback, deutsch
Preis: EUR 13,00

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