Star Trek: Spock

Obwohl er sich gerne als kalter Logiker gibt, war er dennoch die menschlichste Seele, der Captain Kirk auf all seinen Reisen begegnet ist – so zumindest philosophierte der Captain der Enterprise am Sarg seines Freundes Spock in „Der Zorn des Khan“, und auch die „Star Trek“-Autoren (vor allem die weiblichen) verliehen dem Vulkanier in all den Jahren vor seinem Tod und nach seiner Wiedergeburt eine unter der stoischen Maske des Wissenschaftsoffiziers verborgene Emotionalität, die selbst den Bauchmenschen Kirk neidisch machen könnte. Im Comic „Spock“ geht selbiger als alternder Botschafter einmal mehr auf eine Reise, die ihm das Herz, nicht die Logik, diktiert.

von Bernd Perplies

Der Klappentext des Cross-Cult-Comics „Spock“, der ganz dem Leben des berühmtesten aller Vulkanier gewidmet ist, liest sich etwas irreführend, denn er suggeriert, dass es sich um eine politische Geschichte handelt, indem er behauptet, auf den Seiten fände sich die Antwort auf die Frage, was einen Vulkanier bewogen haben könnte, auf Romulus zu leben. Natürlich wissen „Star Trek“-Kenner seit der „The Next Generation“-Doppelfolge „Wiedervereinigung?“, dass er sich um Völkerverständigung zwischen den ungleichen Brüdervölkern der Romulaner und der Vulkanier bemüht, um den Frieden in der Galaxis zu erhalten. Doch genau genommen ist das nur die halbe Wahrheit, wie sich zwischen den Zeilen dieser Geschichte herauslesen lässt. Es werden keine konkreten Antworten gegeben … aber dennoch sieht man am Ende ein wenig klarer, was Spock all die Jahre angetrieben hat.

Die Rahmenhandlung erzählt von einer Reise, die Spock von Romulus aus unternimmt. Auf dieser Reise hat er viel Zeit, über sein bisheriges Leben nachzudenken. „Reflections“ lautet entsprechend der passende Titel der Originalausgabe. Stichwortgeber in seiner Umgebung, wie ein saurianischer Mitreisender, stoßen eine Erinnerung an, die dem Leser dann in einer kurzen Rückblende von wenigen Seiten präsentiert wird. Dabei kann es sich nur um eine Momentaufnahme handeln oder sogar um eine Minierzählung (die allerdings jeweils weitgehend konfliktfrei bleibt). Auf diese Weise springt die Handlung durch die Jahrzehnte. Wir besuchen Spock als jungen Mann auf Vulkan, als Lieutenant unter Captain Pike, als Ersten Offizier unter James T. Kirk, als Ausbilder an Bord der U.S.S. Enterprise. Nebencharaktere wie Captain Harriman, Saavik, T’Pring und Schwester Chapel kreuzen seinen Weg. Und am Ende steht eine tiefe Weisheit.

Es fällt etwas schwer, diesen Comic angemessen zu bewerten. Oberflächlich betrachtet handelt es sich um eine winzige Episode im Leben von Spock, unbedeutend für die Galaxis und alles andere als spektakulär für den Leser. Dazu kommt eine bunte Mischung Reminiszenzen, die in keinem Fall Schlüsselsituationen in Spocks Leben sind, sondern winzige, scheinbar zusammenhanglose Fragmente darstellen, denen es zumeist ebenfalls an Spannung mangelt und die zudem nur für eingefleischte „Star Trek“-Fans zeitlich einzuordnen sind. Tatsächlich geht es in „Spock“ oder besser „Reflections“ aber gar nicht um Action, um Drama, um eine sich bewegende Galaxis. Der Fokus liegt viel mehr auf einem intimen Einblick in das Innenleben einer Figur, die seit jeher und wie kaum eine andere „Star Trek“-Fans fasziniert hat. Löst man also den Blick von dem, was auf den Seiten gezeigt wird, und konzentriert sich darauf, welche Aussage hinter den Bildern steckt, entsteht ein erstaunlich stimmiges Bild. Zugegeben präsentieren uns die Autoren Scott und David Tipton keine spektakulär neuen Erkenntnisse (dazu existiert die Figur Spock einfach schon zu lange), aber sie fassen die emotionale Entwicklung Spocks im Laufe seines Lebens schön zusammen.

Als Bonusmaterial bietet der Comic am Ende eine Art Gallery, ein Interview mit Scott Tipton und einige Vorzeichnungen von David Messina, der auch diesen Comic mit seinem unverkennbaren Zeichenstil veredelt hat.

Fazit: Wer auf Action und Abenteuer steht, sollte um „Star Trek: Spock“ einen weiten Bogen machen. In erstaunlich leisen, melancholischen Tönen wird die Lebensgeschichte des berühmten Vulkaniers reflektiert, eingebettet in eine Reise, die nicht nur eine alte Schuld begleicht, sondern dem Botschafter zudem ein Herzensbedürfnis zu sein scheint. Ein Comic, der obwohl im Kielwasser von J.J. Abrams Kinofilm erschienen, überhaupt nicht zu dessen Popcorn-Ansatz passt, sondern vielmehr in bester „The Next Generation“-Manier etwas über die Natur des Menschen – oder zumindest einer menschlichen Seele in einem vulkanischen Körper – erzählt.


Star Trek: Spock
Comic
Scott Tipton, David Tipton, David Messina
Cross Cult 2010
ISBN: 978-3-941248-46-5
106 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 14,80

bei amazon.de bestellen