Star Trek RPG Player's Guide

OK, hier haben wir also die vierte Instanz eines "Star Trek"-Rollenspiels. Nicht ganz das, was "Star Wars" erreicht hat, aber immer noch ganz passabel… Das erste Buch, das erscheint, ist der "Player's Guide", Teil eins des zweiteiligen Grundregelwerks.

von Marc Schmidt

In den späten 1970ern produzierten Franz Joseph Design und Armadillo Design Bureau ein taktisches Tabletop-Spiel unter dem Namen "Star Fleet Battles", das mit der Zeit vor allem in den USA eine große Anhängerschaft generierte. Das Ganze war zwar auf TT-Spiele beschränkt, aber da die Lizenzsituation etwas unklar war (ich hab's selbst nicht ganz durchschaut), musste man sich mit einigen Tricks behelfen. Der Begriff "Star Trek" zum Beispiel kommt in keinem der Bücher vor, dafür nennt sich das Ganze dann das "Star Fleet Universe". (SFB ist inzwischen von Interplay, mit Paramount-Lizenz, unter dem Namen "Star Trek: Star Fleet Command" als Computerspiel zu haben). Task Force Games produzierte 1993 dann ein RPG für diesen Hintergrund, welcher sich auf den Einsatz von Away Teams konzentrierte. Eine Neufassung dieses Spiels ist inzwischen für GURPS erhältlich.

Die erste "echte" und von vielen Fangruppen noch immer heiß geliebte "Star Trek"-RPG-Variante wurde ursprünglich 1983 von FASA ("BattleTech" etc.) unter Lizenz von Paramount produziert. Ein ziemlich gelungenes System mit einer etwas ungewöhnlichen Charaktererschaffungs-Methodik, miserabler Produktionsqualität (geheftet), billigem Druck und jeder Menge Atmosphäre. Unglücklicherweise verlor FASA nach einigen Jahren die Lizenz wieder und die ganze Situation saß "in limbo" bis Last Unicorn Games 1998 eine neue Variante produzierten. Schließlich erhielt Decipher die Lizenz und das LUG-Design-Team und brachte Anfang diesen Jahres eine weitere Variante auf den Markt, die mit den alten Regeln weitgehend kompatibel ist. Die neue Version umfasst das komplette, bis dato bekannte "Star Trek"-Universum (TOS, TNG, DS9, VOY, die Movies; Enterprise wird zwar am Rande hier und da erwähnt, war aber noch nicht definiert genug, um ein größeres Feature darzustellen).

Aufmachung und Präsentation

Das ST:RPG präsentiert sich in - bis jetzt - zwei Büchern, dem üblichen "Players Guide" (PG) und dem "Narrators Guide" (NG). Beide zusammen bilden das Grundregelwerk des Systems. Die Aufmachung als Hardcoverband mit hervorragendem Druck und Papier, exzellenter Bindung und einem generell recht peppigen Layout, das einen Großteil der jüngeren "Star Trek"-Fans ansprechen dürfte, ist hervorragend. Die einzigen (wirklich kleinen) Kritikpunkte hier sind die wirklich unmöglichen Zeichnungen der Charakter Achetypes (urgh!) und die generelle Verwendung von viel zu viel "eye candy". Das komplette System könnte um etwa ein Drittel gekürzt werden, wenn man etwas sparsamer mit Bildern, und Füllmaterial umgegangen wäre. (Warum braucht jedes Kapitel zu Beginn unbedingt eine dreiviertel Seite Luft). Aber alles in allem, eine recht ansprechende Aufmachung.

"It's Star Trek, Jim. But not as we know it" - Character und Spielmechanik

Ein Großteil des "Player's Guide" widmet sich der Charaktererschaffung. Diese hat sehr viel Ähnlichkeit mit der des alten FASA-Systems. Ein Charakter wird für seine Position in der Spielergruppe (etwa die Command Crew eines Föderationskreuzers oder die Besatzung eines Freihandelsschiffes) erschaffen. Dies erlaubt es dem Spielleiter, eine Gruppe zu führen, die sich in weiten Teilen ergänzt.

Nach der Auswahl der Rasse und der Verteilung der Attributspunkte werden Fertigkeiten, Vorteile etc. dadurch generiert, dass man den Charakter duch Jugend und Ausbildung führt. Das hat den großen Vorteil, dass sich der Spieler schon im Voraus über den Hintergrund seines Charakters Gedanken machen muss, was sich später nur positiv auf das Charakterspiel auswirken kann. Das Ganze geht zwar bei Weitem nicht so weit wie in den alten FASA-Regeln, aber man muss auch nicht unbedingt jede einzelne Cadet Cruise separat durchziehen. Alles in allem ein sehr gelungener Kompromiss, der es erlaubt, eine gut ausbalancierte Spielergruppe zu erschaffen, die recht gut auf die entsprechende "Serie" abgestimmt werden kann.

Die Charaktererschaffung basiert auf dem altbewährten "Buffet"-System, das heißt man sucht sich für jeden Lebensabschnitt ein Paket von Skills und Advantages heraus, die nach dem Hintergrund des Charakters zusammengestellt werden. (Der allseits beliebte Wesley Crusher würde hierbei etwa mit "Starfleet Brat" bestens beschrieben sein, sollte sich das jemand antun wollen… ;-) )

Diese "Personal Development"-Packages umfassen das "Upbringing", sowie das "Professional Development". Hiermit erhält man einen Charakter, der am Anfang seiner professionellen Laufbahn steht. Die Option besteht, dann dieses noch weiter auszubauen, wenn es der "Serie", die man spielt, gereichen sollte. Diese "Advancements" nehmen die Gestalt von zusätzlichen Erfahrungspunkten an, die die Spieler später verteilen dürfen. Auch Beförderungen sind abgedeckt, was es möglich macht, auch eine erfahrene Besatzung zu generieren.

Generell ist die Erschaffung eines Charakters um gut durchdachte Standardcharaktere ("Archetypes") herum aufgebaut, um den ganzen Prozess zu vereinfachen. Dies reicht vom Diplomaten, über den Soldaten, bis hin zum religiösen Mystiker und sollte eigentlich 95% aller gewünschten Charaktere abdecken. In den einzelnen "Professions"gibt es auch noch Unterkategorien, die Spezialisierungen ermöglichen. "Starship Operations Officer" reicht demnach vom Ingenieur, über den Designer, bis hin zum Sicherheitsoffizier oder Taktischen Offizier.

Wem das nicht genug ist, der kann sich seine eigenen Packages zusammenstellen, um zu der Art von Character zu kommen die er gerne hätte.

Wem dies noch nicht genug ist, der kann anschliessend noch versuchen, in die "Elite Professions" aufzusteigen, was ein weiteres Individualisieren des Charakters ermöglicht.

Alles in allem ist dieses System recht typisierend aufgebaut, was die Einführung von RPG-Neulingen ziemlich stark vereinfacht. Für erfahrene Rollenspieler ist jedoch genügend Flexibilität vorhanden, um auch ausgefallene Wünsche zu erfüllen.

Der "Player's Guide" enthält neben Charaktererschaffung und genereller Spielmechanik noch eine zusammengefasste Einführung in das "Star Trek"-Universum, welche dem alten Fan nichts neues bringt, dem gelegendlichen Zuschauer aber durchaus eine Hilfe sein kann. Ein Kapitel über Technologie, eine Einführung in Schiffstechnologie sowie eine Einführung in den politischen Hintergrund der Föderation und ihrer Gegenspieler runden das Ganze ab.

Fazit: Ich gebe zu, dass ich bei der Lektüre wirklich Lust bekommen habe, wieder einen Charakter zu erschaffen. (Einziger Nachteil: Mir fehlen die Mitspieler). Das ist für mich ein Zeichen, dass die Chemie dieses Systemes stimmt (oder ich unter Entzug leide) und die Autoren ein gelungenes Regelwerk abgeliefert haben, das dem Vergleich mit vielen anderen Systemen durchaus Stand halten kann.

Als einzige Kritik, die hier anfallen dürfte, sei erwähnt, dass sich die Rassenbeschreibungen auf die klassischen Spielerrassen beschränken, das heißt man sucht Regeln zur Erschaffung eines Borg (oder eines Jem'Hadar oder Species 8479) vergeblich. Wir dürfen hier wohl annehmen, dass dies in einem Sourcebook irgendwann nachgereicht werden dürfte (Decipher will auch Geld verdienen).


Star Trek RPG Player's Guide
Grundregelwerk
Ross A. Isaacs, Christian Moore, Owen Seyler
Decipher 2002
ISBN: 1-58236-900-3
256 S., Hardcover, englisch
Preis: $ 29,95

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