Star Trek: Nero

In J.J. Abrams cineastischem „Star Trek“-Abenteuer war er der enigmatische Bösewicht, der einem jungen James T. Kirk durch seinen Rachefeldzug gegen die Föderation das Leben schwer machte. Aus der Zukunft kommend und auf der Jagd nach einem ebenfalls von dort stammenden Spock, dem er die Vernichtung seines Heimatplaneten Romulus anlastete, sollte der glatzköpfige, tätowierte Romulaner die erste große Herausforderung einer jungen Enterprise-Crew werden. Erzählerische Lücken, die aus Tempogründen dabei fast zwangsläufig im Film aufklafften, werden nun im Comic geschlossen.

von Bernd Perplies

Die Geschichte Neros ist eine im Film nur in knappen Rückblenden (und im Comic „Countdown“ ausführlicher) erzählte Tragödie: Trotz der verzweifelten Bemühungen des Erzschürfers, ist es ihm und seiner Mannschaft im Jahr 2387 nicht möglich, ihre Heimatwelt Romulus vor der Vernichtung durch eine plötzlich auftretende Supernova zu bewahren. Mit seinem Planeten sterben auch die junge Frau und das ungeborene Kind des Romulaners. Nero gibt die Schuld an der Misere den Vulkaniern, die zu lange gezögert haben, zu helfen und ihre experimentelle Rote Materie zur Verfügung zu stellen, mit der man den explodierenden Stern hätte in seine Schranken weisen können. Und stellvertretend für all die ungeliebten Blutsverwandten macht der Romulaner den Botschafter Spock aus, obwohl dieser viele Jahre lang um Völkerverständigung bemüht war und auch in der Krise ein Fürsprecher der Romulaner war.

Nachdem er sein Bergbauschiff, die Narada, an einem geheimen Flottenstützpunkt der Romulaner mit experimenteller Borgtechnologie aufgerüstet hat, macht Nero Jagd auf Spock, doch als er ihn schließlich stellt, wird die Narada in das Schwarze Loch gezogen, das Spock mithilfe der Roten Materie hat entstehen lassen, um die mittlerweile die ganze Galaxis bedrohende Supernova zu verschlingen. Die Narada wird in die Vergangenheit geschleudert, wo sie – so beginnt Abrams Film – auf das Schiff von Kirks Vater trifft und dieses vernichtet. Nero weiß, dass Spock auch von dem Schwarzen Loch erfasst wurde. Nur wann und wo er auftauchen wird, ist ihm unbekannt. Fünfundzwanzig Jahre soll es dauern, bevor die ungleichen Kontrahenten wieder aufeinandertreffen. Im Film wird diese Zeitspanne übersprungen (und man fragt sich als Zuschauer nicht zu Unrecht, was Nero in der Zeit wohl getrieben hat und woher er letztlich wusste, wo und wann Spock auftauchen würde). Der Comic „Nero“ beantwortet diese Fragen.

Auf Storyentwürfen der Drehbuchautoren Roberto Orci und Alex Kurtzman basierend, schreiben Mike Johnson, Tim Jones und David Messina, also das Team, das auch „Countdown“ verfasst hat, von düsteren Jahren, die Nero und seine Crew als Gefangene der Klingonen verbringen. Sie werden gefoltert und zum Arbeitsdienst auf der eisigen Gefängniswelt Rura Penthe gezwungen, während die Klingonen versuchen, dem Superraumschiff Narada seine Geheimnisse zu entlocken. Dank eines abtrünnigen Föderationswissenschaftlers erfährt Nero mehr über das Phänomen, das ihn in die Vergangenheit geschleudert hat. Und er erfährt auch, dass Spock noch nicht eingetroffen sein kann. Die Hoffnung auf Rache hält ihn am Leben – bis zu dem Tag seiner Flucht. Doch bevor er den Vulkanier wiedersieht, kommt es noch zu einer außergewöhnlichen Begegnung …

Es mag ein wenig ernüchternd sein, dass ein Hollywood-Blockbuster der Unterfütterung durch Comics bedarf, um inhaltlich rund zu werden, aber es lässt sich nicht verhehlen, dass nicht nur „Countdown“, sondern jetzt auch „Nero“ elementare und höchst aufschlussreiche Hintergrundinformationen zu Kirks erstem großen Abenteuer liefern. Während die Geschichte von „Countdown“ noch zumindest in Kurzform im Film erzählt wurde, füllt „Nero“ eine Lücke, die mehr als nur einem Kinogänger und „Star Trek“-Fan sauer aufgestoßen (allerdings aus Gründen eines flotten Voranschreitens der Handlung unvermeidlich) war. Es wird nicht nur die Frage beantwortet, wie und warum Nero und seine Romulaner mehr als zwei Jahrzehnte auf Spock gewartet haben, sondern auch die viel größere, woher sie bloß den genauen Ort und Zeitpunkt des Auftauchens des Vulkaniers kannten. Die im Comic gelieferte Erklärung ist dabei zumindest halbwegs schlüssig (wenn man mal außer Acht lässt, dass Nero nicht wusste, wie viel später Spock in das Schwarze Loch gezogen wurde und ihm somit eigentlich jedwede Berechnungsgrundlage fehlt). Darüber hinaus fügt sie sich so harmonisch in den „Star Trek“-Kanon ein, dass man sich fast wünschte, der Handlungsbogen wäre Teil des Kinofilms geworden. Die Parallelen, die von den Autoren zwischen dem ersten Kinoabenteuer des „alten“ Kirk und des „neuen“ Kirk ziehen, dürften dabei so manches Fanherz erfreuen.

Visuell wird gelungene Standardkost geboten. Der charakteristische Zeichenstil von David Messina hat die Frischzellenkur des „Star Trek“-Franchises im letzten Jahr mit geprägt, und auch hier liefert er gute Arbeit ab. Etwas eigenwillig wirkt nur zuweilen die Komposition von gezeichneten Objekten, wie der Narada, und (dem Gefühl nach) mit Photoshopfiltern verfremdeten Filmbildern, die unscharf im Hintergrund liegen. Das mag zwar künstlerische Finesse haben, fügt sich aber nicht wirklich zu einem organischen Ganzen.

Der Comic, der für Deutschland mit einem exklusiven neuen Cover von David Messina versehen wurde, wird durch eine Covergalerie und ein ebenfalls exklusives Interview mit Nero-Darsteller Eric Bana auf schöne Weise abgerundet.

Fazit: Neben „Countdown“ gehört auch „Nero“ zu den „Star Trek“-Comics neueren Datums, um die man als Fan, vor allem als Fan des neuen Kinofilms, eigentlich nicht herum kommt. Die Geschichte greift eine weit aufklaffende Lücke in J.J. Abrams Weltraumabenteuer auf und weiß diese recht elegant zu schließen. Wer also schon immer mehr über das Schicksal von James T. Kirks erstem großen Widersacher wissen wollte, sollte hier unbedingt zugreifen.


Star Trek: Nero
Comic
Mike Johnson, Tim Jones, David Messina
Cross Cult 2010
ISBN: 978-3-941248-48-9
104 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 14,80

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