Star Trek: McCoy

Er ist eines der Urgesteine des „Star Trek“-Franchises, der grummelnd menschelnde Gegenpart zum Logiker Mr. Spock und das gute Gewissen des voranstürmenden Tatmenschen Captain Kirk. Gemeint ist natürlich Leonard McCoy, genannt „Pille“, der Arzt (nicht Maurer, Bergführer oder Zauberer) der USS Enterprise. Fünf Jahre lang flog er in der TV-Serie „Raumschiff Enterprise“ durchs All. Danach, so heißt es, habe er seinen Abschied von der Sternenflotte genommen. Was er dann getrieben hat, kann man nun im Comic, der seinen Namen trägt, erfahren.

von Frank Stein

Die fünf episodisch angelegten Abenteuer, die in dem von Cross Cult herausgebrachten Comic-Band versammelt sind, ordnen sich irgendwie in die Zeit ein, die im Romansektor als „Die Verlorenen Jahre“ gelten, die Zeit zwischen der Fünf-Jahres-Mission der USS Enterprise (bis 2270) und ihrer erneuten Indienstnahme in „Star Trek – Der Film“ (2273). In den knapp drei Jahren, die dazwischen liegen, wird die Enterprise generalüberholt, ihre Crew verstreut sich in alle Himmelsrichtungen. Spock geht nach Vulkan, um sich selbst zu finden. Kirk wird zum Admiral ernannt und überwacht den Umbau seines früheren Schiffs. McCoy schließlich meldet sich beim Medizinischen Grenzprogramm der Föderation – einer Art „Ärzte ohne Grenzen“.

In Briefform erstattet er dabei seinem alten Freund Kirk Bericht von seinen Reisen. Diese führen ihn – sehr klassisch – zu neuen Welten und fremden Zivilisationen. Begleitet wird er dabei von dem jungen schwarzen Arzt Jon Mikael Duncan und einer in Geschichte eins aufgelesenen Andorianerin namens Theela, einer Tochter aus gutem Hause, die von ihrem Leben aber gelangweilt war und lieber Abenteuer im All erleben möchte. (Natürlich wird sich zwischen den beiden jungen Leuten eine Liebesgeschichte entspinnen.)

Die Prämisse der fünf kurzen Abenteuer ist dabei stets ähnlich. Die Leute vor Ort, gleich ob menschlich oder nichtmenschlich, leiden unter einem höchst mysteriösen medizinischen Problem, das zunächst völlig unverständlich erscheint, im Laufe der Handlung dann aber aufgelöst werden kann. Die Ideen, derer sich Comic-Urgestein John Byrne, der hier als Autor und Illustrator in Personalunion agiert, bedient, sind dabei erfreulich ausgefallen, sodass man als Leser in den meisten Fällen nicht zu sagen vermag, wie eine Geschichte letztlich aufgelöst wird. Die exotischen Orte, ein Markenzeichen der „Classic“-TV-Serie, tun dabei das Ihre, für den nötigen Sense of Wonder zu sorgen, ohne dass die Handlung dabei so cheesy wird, wie in manchen „Classic“-Episoden (ich sage nur griechische Götter und Wildwest im Weltall). Einzig das fünfte Abenteuer gefiel mir nicht so gut. Es ist etwas arg kurz und ziemlich depressiv geraten.

Doch nicht nur vom Plot her fühlen sich McCoys Abenteuer erfreulich klassisch an. Auch zeigt sich in vielen kleinen Details die Kenntnis des Autors (oder seiner Freunde) über das „Star Trek“-Universum. So tauchen beispielsweise zahlreiche bekannte Gesichter auf. In „Fehler“ hat Scotty einen Gastauftritt, in „Ärzte“ der Geheimagent Gary Seven und seine Begleiterin Roberta Lincoln. Und in „Wirte“ wird die USS Yorktown von „Nummer Eins“ kommandiert, dem im ursprünglichen „Classic“-Pilotfilm „Der Käfig“ von Majel Barrett verkörperten Ersten Offizier der Enterprise. Witzigerweise dient gleichzeitig Christine Chapel, eine ehemalige Schwester der Krankenstation der Enterprise auf dem Schiff als Ärztin – die in der TV-Serie ebenfalls von Majel Barrett gespielt wurde. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Anspielungen auf frühere TV-Abenteuer in den Dialogen. Für den nicht so versierten „Star Trek“-Leser hat Cross Cult dem Comic daher extra einen Anhang spendiert, der auf all die kleinen Insiderspäße hinweist.

Auch optisch kommt der Comic-Band sehr „klassisch“ daher. Byrnes Zeichenstil hat etwas Altmodisches, die Hintergründe sind nicht selten einfach leere Flächen mit einem Farbverlauf. Doch das stört überhaupt nicht. Im Gegenteil: Es passt ausgesprochen gut zu der Zeit, in der die Geschichten angesiedelt sind (2270er) beziehungsweise in der sie ihre Wurzeln haben (1970er). Etwas gewöhnungsbedürftig, aber durchaus konsequent, ist Byrnes Entscheidung, McCoy durchgehend als mürrischen Burschen mit Bart zu präsentieren, wie er ihn auch in „Star Trek – Der Film“ trug. Auch die Uniformen sind natürlich im Weiß-Grau der Ära rund um den ersten Kinofilm gehalten.

Im Anhang des Comic-Bandes befinden sich noch eine Cover-Galerie sowie ein mehrseitiges Porträt von Comic-Legende John Byrne.

Fazit: Allen Fans der klassischen „Star Trek“-Abenteuer kann ich diesen Comic-Band nur wärmstens empfehlen. In erfreulich intelligenten Episoden, die gespickt sind mit Insiderspäßen, werden hier einige Abenteuer des guten, alten Knochensägers „Pille“ McCoy erzählt. Eine schöne Lektüre in Zeiten, in denen neue Geschichten rund um Kirk, Spock, McCoy und Co (und ich meine hier nicht ihre Reboot-Inkarnationen) eher Mangelware sind.


Star Trek: McCoy
Comic
John Byrne
Cross Cult 2011
ISBN: 978-3-942649-33-9
112 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 14,80

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