Star Trek: Einzelschicksale

Die Bedrohung durch die Borg, deren Geschehnisse der Leser in der fulminanten „Destiny“-Trilogie verfolgen konnte, wurde unter enormen Opfern abgewendet. Ein Bild, wie die Vereinte Föderation der Planeten und das Klingonische Reich nach dem Vernichtungsfeldzug der Borg aussieht, wird hier exemplarisch aufgezeigt. Aber während man noch dabei ist sich die Wunden zu lecken, droht bereits neuer Ärger.

von Andreas Loos

 

Jedes Ende ist auch ein neuer Anfang. Die „Destiny“-Trilogie brachte das Ende der Borg-Bedrohung mit sich. Aber der Preis, den die Föderation und die Klingonen dafür bezahlt haben, war immens hoch. Die Zerstörungswut der Borg hat viele Welten vernichtet und Milliarden das Leben gekostet. Die Überlebenden stehen vor einem Scherbenhaufen. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte geht es einem Großteil der Bevölkerung richtig schlecht. Milliarden sind auf der Flucht und auf der Suche nach einer neuen Heimat. Die Wirtschaft der Föderation ist extrem angeschlagen und die Versorgung der Flüchtlinge entwickelt sich zu einem enormen Kraftakt. Nur die Tatsache, dass die alten Feinde der Föderation – wie zum Beispiel die Cardassianer oder die Romulaner – ähnlich zerschunden sind, bewahrt die Föderation vor einem Krieg.

Sonek Pran, ein Geschichtsprofessor, der das Erbgut von vier verschiedenen Rassen in sich vereint, wird auf eine Friedensmission in das zerfallende Romulanische Imperium gesandt, um dort zwischen den konkurrierenden Fraktionen zu vermitteln. Immer wieder stößt er auf seiner Reise mit dem Raumschiff Aventine, die von niemand Geringerem als Ezri Dax kommandiert wird, auf Ungereimtheiten. Diese deuten alle darauf hin, dass jemand den Wiederaufbau in der Föderation diplomatisch und mit Sabotageakten hintertreibt. Die Einzelschicksale ergeben dann auch für den Leser ein beunruhigendes Bild, welches die Romane zumindest in der nahen Zukunft beschäftigen wird. Die Klingonen dagegen müssen feststellen, dass eine Rasse, die sie in der Vergangenheit schon häufiger besiegt haben, sich erneut gegen das angeschlagene Klingonische Reich erhebt. Und diesmal haben die Feinde mächtige Verbündete auf ihrer Seite. Es gibt auch tatsächlich ein paar kurze Raumschlachten. Aber diese finden nur auf Nebenschauplätzen statt.

Ähnlich wie schon in die „Gesetze der Föderation“ wird hier mit einer Menge von Handlungen und Persönlichkeiten jongliert. Einige, wie etwa die Präsidentin Nanietta Bacco und einen Teil ihres Stabes oder die Crew der U.S.S. Aventine, durfte man bereits kennen lernen. Andere wiederum werden kurz vorgestellt, um dem Leser einen kleinen Ausschnitt zu präsentieren, und verschwinden dann wieder auf Nimmerwiedersehen in der Versenkung. Dafür, dass man ein paar besondere Schlaglichter erhält, betreibt der Autor eine Menge Aufwand. Auf diese Weise kann man zu den wenigsten Personen eine Bindung entwickeln, und so muss man sich zwangsläufig an Sonek Pran halten, der den größten Fokus bekommt.

Der gute Professor ist auch ein echter Sympathieträger, der nur wenige Makel aufweisen kann. Er ist ein ausgezeichneter Diplomat mit einem unglaublichen Gespür für die richtigen Worte. Er schätzt sein jeweiliges Gegenüber fast immer richtig ein, nur mit seinem eigenen Sohn klappt es nicht so recht. Und da ist schon wieder ein Punkt, der mir bereits in „Die Gesetze der Föderation“ negativ aufgefallen ist: Dort war der Fokus die Präsidentin Nanietta Bacco, die perfekte Übermutter der Föderation, und hier kommt nun der ultimative Diplomat daher, der fast im Alleingang eine Verschwörung gigantischen Ausmaßes aufdeckt. Das ist für meinen Geschmack etwas zu viel des Guten. Schließlich sollte es noch andere kluge Köpfe geben, die eins und eins zusammenzählen können. Ein Großteil der Motivation liegt ja auch vor allem darin, dass der Leser zusammen mit Sonek Pran hinter das Geheimnis der rätselhaften Sabotageakte und Überfälle kommt. Dadurch allein konnte ich mich über die etwas schleppend anlaufende Handlung, die durch die vielen Nebenschauplätze keinen eng geflochtenen Spannungsbogen aufbauen kann, zum Weiterlesen motivieren.

Wie auch schon bei „Gesetze der Föderation“ wird die Handlung durch den Einsatz von eingestreuten Zeitungsberichten, Briefen, politischen Talkshows oder auch einer Liste mit Todesopfern zusätzlich aufgepeppt. (Eben diese Liste hat mich schon schwer gewundert, ausgerechnet diese Personen auf der Liste zu lesen, fand ich schon krass). DeCandido hat aber, das muss ich ihm zugestehen, das Konzept, das er in „Die Gesetze der Föderation“ zum ersten Mal eingesetzt hat, konsequent weiterentwickelt. Diesmal hat die Geschichte auch einen echten Fokus.

Ein Essay mit dem Titel „Das Spiel mit den Glaskugeln – Eine kleine Geschichte der intergalaktischen Beziehungen“, wieder einmal aus der Feder von Julian Wangler, findet sich im Anhang. Auch diesmal lohnt es sich wieder, über den galaktischen Tellerrand zu schauen

Fazit: „Einzelschicksale“ weist erheblich mehr Action auf, als die „Gesetze der Föderation“, und mit Ezri Dax und der U.S.S. Aventine bekommt der Leser auch ein wenig klassisches „Star Trek“ geboten, während er dem Geschichtsprofessor und Teilzeit Diplomaten Sonek Pran über die Schultern gucken darf. Die Handlung schreitet nur gemächlich voran, und das Finale besticht nicht durch Action und Raumschlachten. „Einzelschicksale“ ist vor allem eine Charaktergeschichte, die das große Ganze zeigt und wichtige Grundlagen schafft. Für die Fans ein absolutes Muss. Der Aufbau ist vielleicht nicht jedermann Geschmack. Mir hat es aber sehr gut gefallen.


Star Trek: Einzelschicksale
Film/Serien-Roman
Keith R. A. DeCandido
Cross Cult 2010
ISBN: 978-3-941248-93-9
401 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 12,80

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