Star Trek – Die Autobiografie von Kathryn Janeway

Seit Captain Kathryn Janeway in der TV-Serie „Star Trek: Voyager“ sieben Staffeln lang mit Schiff und Besatzung im fernen Delta-Quadranten verschollen war und Zuschauer ihre lange, mühsame Heimreise miterleben durften, gehört sie zu den bekanntesten Persönlichkeiten des Sternenflotte – und des „Star Trek“-Franchise. Fans nennen sie in einem Atemzug mit James T. Kirk und Jean-Luc Picard. Und genau wie diesen ist auch Janeway nun eine „Autobiografie“ spendiert worden. Man darf gespannt sein auf persönliche Einsichten.

von Bernd Perplies

Das Buch ist ursprünglich bei Titan Books in England erschienen und wurde von „Star Trek“-Autorenveteranin Una McCormack „zusammengestellt“ (also geschrieben). Es hat etwa 320 Seiten und kommt im schicken Hardcover mit weinrotem Umschlag daher. Darunter verbirgt sich ein grauer Leineneinband mit weiß geprägter Schrift. Im Inneren befindet sich eine achtseitige Farbstrecke mit persönlichen Fotos aus Janeways Leben, die uns nicht nur ein Gruppenbild der Voyager-Führungsriege bietet, sondern Dank eleganter CGI-Technik auch eine junge (und sehr hübsche) Kadettin Janeway sowie einen milde gealterten Admiral und einige weitere Motive. Das Drumherum weiß also absolut zu gefallen und macht Lust, in das Buch reinzulesen.

McCormack unterteilt das Buch in Lebensabschnitte. Frühe Kindheit Janeways, Schulzeit, Akademiejahre, die Zeit an Bord der U.S.S. Al-Batani, dann der Wechsel auf die U.S.S. Billings und schließlich das Kommando über die U.S.S. Voyager und ihre schicksalhafte Reise durch den Delta-Quadranten – das alles wird in sehr persönlichen Erinnerungen aufbereitet. Dabei ist vor allem der Anfang für Fans spannend, der das Fundament für Janeways späteren Charakter legt. Wir erfahren, dass sie eine behütete Kindheit hatte, fast schon untypisch für „amerikanische Helden“. Die Familie war immer ein wichtiges Zentrum für sie, was vielleicht ihre Löwenmuttermentalität später im Delta-Quadranten erklärt. Außerdem gehörte die Sternenflotte von Anfang an zu ihrem Leben, war doch ihr Vater Admiral in der Flotte, und Führungsoffiziere waren auf ihrer kleinen Farm in Bloomington/Indiana immer wieder zu Gast. Man erfährt von ihrem wissenschaftlichen Talent, aber auch von ihrer Sturheit und dem unbedingten Siegeswillen, den sie lernen muss, zu beherrschen, um als Teamspielerin zu funktionieren. Interessant ist auch das galaktopolitische Umfeld, das von ständigen Spannungen mit den Cardassianern geprägt ist, was in Janeways Fall zu ausgeprägten Vorurteilen dieser Spezies gegenüber führt.

Die Akademiezeit wird relativ kurz umrissen, wobei vor allem Janeways Freundschaft mit dem Gärtner Boothby und ihre Beinahe-Vermählung mit einem Mitkadetten wichtige emotionale Eckpunkte in den sonst sehr arbeitsreichen Jahren sind. Schön zu lesen ist ihre Entwicklung als Fähnrich unter dem Kommando von Captain Owen Paris auf der Al-Batani. Durch ihn lernt sie auch Tom Paris kennen, einen rebellischen Jungen, für den sie immer etwas Mitleid hat, weil er, wie sie, im Schatten eines bedeutenden Vaters aufwächst. In diese Zeit fällt auch ihre erste Begegnung mit Tuvok, die mäßig gut verläuft. Apropos „mäßig gut“: Zum regelrechten Mitleiden sind ihre Jahre unter Captain Neil Ward auf der Billings, einem echten Ekelpaket, das an Liam Shaw aus der dritten Staffel „Star Trek: Picard“ erinnert. Unter ihm muss sie einiges ertragen, und man nimmt es beinahe mit Genugtuung auf, dass sie schließlich zum Captain eines hochmodernen Raumschiffs, der Voyager, befördert wird, während Ward auf seinem alten Stuhl kleben bleibt.

Die Jahre im Delta-Quadranten werden natürlich nur sehr kursorisch behandelt. Manchen könnte das zu wenig sein. Aber es wäre natürlich Unsinn gewesen, eine umfassende Nacherzählung zu versuchen. Stattdessen greifen Janeway/McCormack wichtige Episoden und Momente heraus, die im Gedächtnis geblieben sind und die Janeway kritisch beleuchtet, etwa die Entscheidung, die Fürsorger-Phalanx zu zerstören, die Begegnung mit Neelix und Kes, die komplexe Beziehung mit den Borg und Seven of Nine, die persönliche Entwicklung von Tom Paris, dem Doktor und Seven, das traumatische Zusammentreffen mit der U.S.S. Equinox oder der letztliche Kontakt mit dem Alpha-Quadranten. Witzig ist, dass einzelne Episoden komplett ausgeklammert oder nur angedeutet bleiben, eben weil die Mannschaft sie in der TV-Serie vergessen hat, etwa das „Jahr Hölle“ im Kampf gegen die Krenim. Interessant sind bei all dem natürlich vor allem die vielen persönlichen Gedanken, etwa die Ängste und die Einsamkeit, die Janeway heimlich verspürt, oder die quälende Langzeit-Frage, wie sie die Voyager als Generationenschiff führen soll, wenn es keine Kinder gibt.

Diese persönliche Sicht Janeways auf alle Dinge ist Una McCormack wirklich sehr gut gelungen. Zugegeben klingt nicht jeder Satz so, als könne er aus dem Mund der Fernseh-Janeway stammen, aber grundsätzlich hat man schon das Gefühl, diese Frau sehr viel besser kennenzulernen – vor allem ihre Schwächen und Unzulänglichkeiten, etwas, das Janeway, die sich nach außen hin so stark gibt, ihr ganzes Leben lang beschäftigt. Vieles von dem, was Janeway als Figur ausmacht, wird hier psychologisch nachvollziehbar aufgebaut. Vergleicht man das Gelesene etwa mit der aus den TV-Episoden zusammengestellten Biographie auf Memory Alpha, so fällt auch auf, dass sich McCormack merklich Mühe gegeben hat, um möglichst alle kleinen Andekdoten, die über die Serie verteilt erzählt wurden, in die Geschichte einzubauen. Nur Janeways Mutter ist seltsamerweise laut TV-Serie Mathematikerin, während sie hier als erfolgreiche Kinderbuchautorin präsentiert wird.

Trotzdem ist das Buch nicht kanonisch zu nennen (sind Bücher ja eh nie). Gerade das letzte Kapitel, das die Zukunft der Voyager-Besatzung skizziert, ist mittlerweile durch aktuelle Serien wie „Picard“, „Prodigy“ oder „Lower Decks“ überschrieben worden. Noch viel schlechter ordnet es sich ins alte LitVerse ein, denn auf die Entwicklung in den Romanen geht das vorliegende Werk praktisch gar nicht ein – das betrifft sowohl die Bücher von Serienmacherin Jeri Taylor, „Mosaik“ und „Schicksalspfade“, die beide eine Weile lang praktisch kanonisch waren, als auch den Voyager-Relaunch, in dem die Zeit der Crew nach der Rückkehr in den Alpha-Quadranten erzählt wurde. Diesbezüglich hängt das Buch ziemlich im luftleeren Raum, was einige Fans durchaus verärgert hat.

Ich persönlich kann gut damit leben. Es gibt mittlerweile so viele „Star Trek“-Realitäten in Serien, Videospielen, Romanen und Comics, das ich aufgegeben habe, zu versuchen, diese in Einklang zu bringen. Ich genieße jedes Werk für sich, höchstens bezugnehmend auf die jeweilige TV-Serie. Und mit der Herangehensweise funktioniert „Die Autobiografie von Kathryn Janeway“ hervorragend.

Fazit: Spannend möchte ich das „Die Autobiografie von Kathryn Janeway“ nicht nennen – Kathryn Janeway beziehungsweise Una McCormack schreibt keinen Abenteuerroman. Stattdessen wird uns, mal nüchtern, mal nachdenklich, mal sehr gefühlvoll, diese in Erinnerungen schwelgende Frau nähergebracht, die als Captain der Voyager berühmt wurde. Das macht wirklich Spaß zu lesen. Eine psychologisch glaubwürdige und sehr erhellende Lektüre, nach der man „Voyager“-Episoden nochmal mit anderen Augen sieht. Für Fans von „Voyager“ eine ganz klare Empfehlung.

Die Autobiografie von Kathryn Janeway
Film/Serien-Roman
Una McCormack
Cross Cult 2022
ISBN: 978-3-96658-948-2
320 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 28,00

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