Star Trek – Deep Space Nine: Ein Stich zur rechten Zeit

Nach vielen Jahren Exil auf der Raumstation Deep Space Nine, stets umgeben von Fremden und fast nur Feinden, kann der Schneider und Spion Garak endlich wieder in seine Heimat nach Cardassia zurückkehren. Doch sein Zuhause, das er kannte, gibt es nicht mehr. Der langjährige Krieg zwischen Cardassia, Dominion und Förderation hat seine Heimat größtenteils zerstört und vieles dem Tod preisgegeben. Verzweiflung und Staub zeigen sich als ständige Begleiter. Doch als er einen Brief seines Freundes Julian Bashir von Deep Space Nine erhält, beginnt Garak sich zu erinnern, wie sein Leben begonnen und wohin es ihn geführt hat.

von Ansgar Imme

 

Unabhängig von der sogenannten achten Staffel in Buchform von „Star Trek – Deep Space Nine“ (die Weiterschreibung der Ereignisse nach der TV-Serie) erscheint bei Cross Cult der Roman und im weitesten Sinne eine Biographie der beliebten Nebenrolle Garak, einst ominöser Schneider auf der Raumstation, dessen Tätigkeiten als Spion erst später herauskamen (im Original ist der Roman allerdings schon im Jahr 2000 erschienen). Verantwortlich zeichnet sich der Darsteller des Garak: Andrew J. Robinson. Der fast 70 Jahre alte Schauspieler war schon in den 1960ern und 1970ern auf New Yorker Bühnen und in Fernsehserien aktiv, einem breiten Publikum bekannt wurde er jedoch erst ab 1993 durch die Rolle des mysteriösen Elim Garak in der TV-Serie bekannt, ab deren zweiter Staffel er regelmäßig mitwirkte.

Garaks Leben

Der Roman und seine Handlung spielen sich auf drei verschiedenen Zeitebenen ab. Die „aktuelle“ Handlungsebene ist die Zeit nach dem Dominion-Krieg, als Garak von Deep Space Nine in seine Heimat nach Cardassia Prime zurückkehrt und diese weitestgehend zerstört vorfindet, sodass er sich mit der Verzweiflung anderer Cardassianer und mit dem Wiederaufbau befassen muss. Mittelpunkt seines Schaffens ist die ehemalige Residenz von Enebrain Tain, des früheren Anführers des Obsidianischen Ordens, die er als Mahnmal aufbaut. Nach und nach gerät Garak mit überlebenden Politikern und Militärs in Kontakt, die die alte Ordnung wieder aufleben lassen wollen. Garak muss sich dem entgegenstellen, um nicht wieder alte Machtstrukturen zuzulassen, die gerade erst im Dominion-Krieg Unheil über Cardassia brachten.

Ein kürzerer Rückblick befasst sich mit einem Handlungsstrang, der nur wenige Jahre zurückliegt (und zur Zeit der sechsten und siebten Staffel der TV-Serie spielt). Garak wird in eine Schlägerei mit Klingonen verwickelt und hilft einem bajoranischen Dabo-Mädchen aus Quarks Bar aus der Klemme. Er freundet sich nach und nach mit der Bajoranerin an und entwickelt Gefühle für die Frau, so wie auch sie an ihm Interesse zu haben scheint. Major Kira ist jedoch skeptisch und warnt ihn vor ihr, was Garak jedoch nicht abhält, sich weiter mit der Frau zu treffen. Doch sie hütet ein dunkles Geheimnis, was Garak in große Lebensgefahr bringt.

Der größte Teil des Romans jedoch wird in Form von Briefen erzählt, die Garak nach seiner Rückkehr nach Cardassia Prime an seinen alten Freund auf Deep Space Nine Dr. Julian Bashir verfasst und in denen er erzählt, wie er zur heutigen Person geworden ist. Garak erzählt hier von seinen Eltern und deren eher distanzierte Ehe sowie von seiner Kindheit, die schließlich jäh endet, als er überraschend das renommierte Bamarren-Institut besuchen soll, welches für das Heranziehen der Elite der cardassianischen Gesellschaft zuständig ist. Durch den gesellschaftlich niedrigen Beruf des Vaters wird Garak auch innerhalb seiner Gruppe niedrig eingestuft und abwertend behandelt. Als er bei einer Außenübung jedoch schließlich alle überrascht, wandelt sich das Blatt. Doch seine Glückssträhne hält nicht lange an. Bald verlässt Garak das Institut und wird Mitglied des Obsidianischen Ordens, für den er immer wieder Aufträge ausführen muss. Doch seine unerfüllte Liebe zu einer Frau, die er schon in Bamarren kennenlernte, macht ihm auch hier zu schaffen. Schließlich folgen die Verbannung und das Exil auf Terek Nor, dem späteren Deep Space Nine, wo der gefährliche Gul Dukat auf ihn wartet.

Bewertung

Andrew Robinson hat für die Biografie seines Alter Egos Garak mehr als 420 Seiten zusammengeschrieben, die sich weitestgehend dessen Vergangenheit widmen. Sehr schön ist dabei von Verlagsseite die Titelillustration gelungen, die ein zusammengenähtes Bildnis aus einem heilen und zerstörten Cardassia und dem Weltraum mit Deep Space Nine bietet, die jeweils einen Teil aus Garaks Leben darstellen. Dazu hat der Verlag auch noch zwei Karten zu dem Ausbildungsinstitut Bamarren und der Hauptstadt von Cardassia Prime sowie ein fast zehnseitiges Extrakt über Cardassianer beigesteuert, was über das Engagement anderer Verlage deutlich herausgeht und sehr lobenswert ist.

Der Roman selbst bietet viel Licht und auch ein wenig Schatten, passenderweise nicht anders als die Hauptfigur selbst. Dies liegt vor allem an der Struktur des Romans mit den drei Handlungssträngen. Die beiden Nebenhandlungen sind deutlich weniger spannend und kreativ als die Haupthandlung aus Garaks Vergangenheit und unterbrechen diese zudem immer wieder und nehmen den Lesefluss. Leider handelt es sich bei den Unterbrechungen auch meist nur um kurze Einschübe – hier wären weniger Einschübe mit etwas längeren Handlungen eine bessere Alternative gewesen. Während zudem die Rückkehr Garaks nach dem Dominion-Krieg noch eine passende Rahmenhandlung bietet und auch die Entwicklung aus der Vergangenheit in die Zukunft spiegelt, da Garak auf Personen trifft, denen er auch in früheren Jahren begegnete, ist die nur kurz zurückliegende Handlung auf Deep Space Nine mit der Bajoranerin nicht notwendig, um wesentliche Verhaltensweisen aufzuzeigen oder seinen Charakter noch weiterzuentwickeln. Man hat den Eindruck, dass es hier mehr darum geht, den Aufdruck „Star Trek“ und „Deep Space Nine“ zu rechtfertigen, indem man die verschiedenen Charaktere wie Captain Sisko, Odo, Quark usw. vereinzelt auftauchen lässt. Die eigentliche Rahmenhandlung im aktuellen Cardassia ist wesentlich wichtiger und auch passend, da sie Garaks Verhalten aus der Vergangenheit spiegelt und seine Weiterentwicklung aufzeigt. Jedoch krankt sie vor allem zu Beginn an Langeweile und kommt nicht voran. Erst zum Ende hin gewinnt dies deutlich an Dynamik und verdeutlicht, wie wichtig Garak und sein Auftreten für das neue Cardassia sind.

Nach der ersten Kritik nun aber auch ein großes Lob für die Haupthandlung, in der man nach all den Andeutungen und kleinen Wahrheiten in der TV-Serie deutlich und ausführlich in den Hintergrund und die Vergangenheit Garaks eintaucht. Hier erfährt man mehr über seine Kindheit und dessen plötzliches Ende, seinen Umgang mit seinem wirklichen Vater, der sich nicht zu ihm bekennt, die Herabsetzung seiner Person in Bamarren aufgrund seiner Herkunft, das Verlangen nach seiner unerreichbaren großen Liebe und den Umgang mit dem totalitären Staatssystem. Immer wieder werden sein Vertrauen und seine Zuversicht enttäuscht und mit Verrat oder Enttäuschung erwidert, was Garak über die Jahre zu einem misstrauischen Charakter formt, der sich hinter Lügen und Halbwahrheiten verbirgt. Dieses Psychogramm ist richtig spannend, abwechslungsreich und immer wieder überraschend.

Speziell die Episode im Bamarren-Institut ist dabei fesselnd. Es enthält klassische Elemente von Geschichten aus einem Internat, dabei jedoch gepaart mit dem fremdartigen Verhalten und Auftreten der Cardassianer (es beginnt damit, dass der eigentliche Name in der Ausbildungszeit nicht mehr genannt wird, sondern man nur mit einer Zahl und dem zugeordneten Anführer benannt wird) sowie den ungleich größeren Gefahren, die während der Ausbildung drohen. Auch die Erlebnisse Garaks nach seiner Zeit in Bamarren sind spannend und zeigen mehr und mehr seine Bandbreite an Tätigkeiten, die er für den Obsidianischen Orden ausüben muss. Dabei ist er durchaus in Spionage, Gewalt und sogar Attentate verwickelt.

Interessant, aber auch oft lustig sind die Gegensätze der cardassianischen zur menschlichen Kultur (umwerfend: das Fußballspiel, welches Garak anders wahrnimmt als die Menschen), die der Autor immer wieder gut herausarbeitet. Sehr zu loben ist zudem der Spagat des Autors, Garak immer noch sympathisch erscheinen und bleiben zu lassen, obwohl er im Dienst des Obsidianischen Ordens eine Menge Unheil anrichtet und sogar Personen tötet. Und so wie die cardassianische Gesellschaft sich in der Rahmenhandlung ändert, so beginnt auch Garak nach und nach sein Verhalten zu hinterfragen und sich von seinem absoluten Befehlsgehorsam zu lösen. Die vielen kleinen Hinweise und Anekdoten auf die Serie und bekannte Personen, die oft nur einmal in Erscheinung traten, runden das Bild schließlich ab.

Fazit: Der Roman ist so undurchschaubar, facettenreich und seltsam wie Garak selbst, und bei beiden mag man nicht genau zu sagen, mit was man es eigentlich zu tun hat. Weniger ein klassischer „Star Trek“-Roman als fast schon ein Psychogramm in Form einer Biografie, ist die Geschichte doch spannend und abwechslungsreich. Wer jedoch klassische Kost mit Raumschlachten und den bekannten Charakteren aus der Serie erwartet, wird eher enttäuscht sein. Allen anderen, vor allem Garak Fans, kann der Roman dagegen empfohlen werden.


Star Trek – Deep Space Nine: Ein Stich zur rechten Zeit
Film/Serien-Roman
Andrew J. Robinson
Cross Cult 2011
ISBN: 3941248928
435 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 12,80

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