Spielleiterschirm

Wenn man ein neues Rollenspiel auf den Markt bringt (oder eine neue Edition), dann braucht man mindestens drei Dinge: das Grundregelwerk, ein Abenteuer und einen Spielleiterschirm. Das zumindest scheint die Formel bei den meisten großen Systemen neuerer Machart zu sein. Natürlich zählt da auch „Shadowrun 4.01D“ dazu, doch die Männer vom „Konzern“ haben sich dankbarerweise nicht damit begnügt, nur einen Pappschirm mit Tabellen in die Spielhilfe zu packen.

von Frank Stein

Selbstredend ist das Kernstück eines Produkts, das „Spielleiterschirm“ heißt, dann doch der Pappschirm mit Tabellen. Dieser ist im vorliegenden Falle ziemlich gut gelungen. Zwar würde man FanPro machmal die Dekadenz von White Wolf wünschen, deren Spielleiterschirme aus wirklich fester Pappe sind und nicht derart labberige Spielraumtrenner, wie das vorliegende Exemplar, dafür braucht sich der – wenn er gut gemacht ist – „beste Freund des Meisters“ zumindest optisch und auch vom Nutzen her keineswegs zu verstecken.

Der vier DIN-A4 Seiten messende Schirm bietet auf der Vorderseite einen bunten Querschnitt durch die Archetypen des Grundregelwerks. Man kann diese Zweitverwertung von Grafiken bemängeln – muss man aber nicht. Denn auf der einen Seite sehen die Bilder größtenteils wirklich cool aus und vermitteln einen guten Eindruck der rauen Dark-Future-Welt von 2070. Auf der anderen Seite bekommt man hier erstmalig viele der Illustrationen in voller – naja erweiterter – Größe zu Gesicht (im Grundregelwerk waren die Figuren durch Bildausschnitte meist nur unvollständig zu sehen), ein gewisser Neuigkeitswert besteht also dennoch.

Der Oberschattenläufer wohlgemerkt interssiert sich natürlich vor allem für die Rückseite des Spielleiterschirms. Und die lässt kaum Wünsche offen. Praktisch alle wichtigen Tabellen des Grundregelwerks sind dicht an dicht aufgeführt, Platz wird kaum verschwendet. Seite 1 von 4 (ganz links) gibt uns einen Überblick der „Kampfsequenz“ und der „Kampfrundensequenz“, „Spruchzauberei“, „Wahrnehmungsproben“, „Sichtmodifikatoren“ und „Bewegungsweite“. Seite 2 von 4 (Mitte links) listet die „Fertigkeiten und damit verbundene Attribute“ auf, druckt für Decker die Tabellen „Matrixsuche“ und „Matrix-Alarmreaktionen“ ab, zudem so allgemein interessante Dinge wie die „Schwierigkeitstabelle“, „Erfolge kaufen“, „Ausgedehnte Proben“, „Tarnbarkeit“ und „Verfügbarkeitsintervalle“ von Barvermögen.

Seite 3 von 4 (Mitte rechts) weist vier große Tabellen auf, die sogar thematisch zusammengehören und somit gut angeordnet sind: „Waffenreichweiten“, „Fernkampf-Modifikatoren“, „Nahkampf-Modifikatoren“ und „Verteidigungsmodifikatoren“. Auch Seite 4 von 4 ist überwiegend dem Kampf gewidmet (man merkt den vielen Tabellen die Komplexität des bewaffneten Konflikts in „Shadowrun“ an – Version 4.01D hin oder her): für Granaten gibt’s das „Streudiagramm“ und die „Abweichung“, „Nahkampfwaffen“ führt mit Werten auf, was man zum Töten so braucht, „Projektilwaffen“ und „Granatenschaden“ ist für exotisch veranlagtere Geister – „Fernkampfwaffen“ fehlen indes völlig (einziger echter Kritikpunkt, denn geballert wird bei „Shadowrun“ ja wohl ständig!). Stattdessen sind noch „Signalstufen“ und „Mit Charimsa verbundene vergleichende Proben“ aufgeführt.

Dem Schirm selbst liegt noch ein 32-seitiges Heft in Schwarz-Weiß bei, das bezeichnend „Connections & Szenarien“ übertitelt ist. Nomen est omen, möchte man sagen. Im Inneren wird das kurze Kapitel „Beispielconnections“ aus dem Grundregelwerk deutlich ausgebaut. Vom „Basispolitiker“ über den „Hausmeister“, „Pfandleiher“ und „Slum Lord“ bis hin zum „Waffenschieber“ werden auf 13 Seiten Leute beschrieben, die man kennen könnte (und manchmal kennen sollte). Die Einträge sind dabei identisch zu denen des Grundregelwerks. Der zweite Teil der informativen Broschüre widmet sich der Frage „Was Shadowrunner so machen“. Unter Stichpunkten wie „Bodyguard“, „Datenklau“ oder „Schmuggel“ werden jeweils zwei Abenteuerideen aufgeführt, insgesamt 36 Stück – also reichlich Instant-Material für Spielleiter, deren Gruppe sich am Freitag Abend überraschend zur Session einfindet. Noch schneller geht’s mit dem „Shadowrun-Generator“, mithilfe dessen man auf zwei Seiten mittels einer Handvoll Würfelwürfen Abenteuer nach Schema F aus dem Ärmel schütteln kann. Ein witziges Tool für One-Shots, aber man sollte es nicht überstrapazieren – sagen auch die Autoren.

Fazit: Man kann sagen, was man will (beispielsweise: „16 Euro für das bissl Papier! Ich glaub‘, ich spinne!“), aber nützlich ist der „Spielleiterschirm 4.01D“ für die neue Edition von „Shadowrun“ zweifellos. Auf dem Schirm selbst sind fast alle wichtigen Tabellen versammelt (Ausnahme: Fernkampfwaffen – sehr seltsam...) und das beiliegende Heft ist voll von hilfreichen Connections und interessanten Abenteueranregungen. Klar, man muss das Ding nicht haben. Aber es erspart doch einiges an Arbeit und Sucherei. Und das wäre mir zumindest 16 Euro wert.


Spielleiterschirm 4.01D
Spielhilfe
Elissa Carey, Davidson Cole, Adam Jury u. a.
Fantasy Productions 2006
ISBN: 3-89064-779-0
4 S. Sichtschirm + 32 S., geheftet, deutsch
Preis: EUR 16,00

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