Skaldensänge

FanPro setzen ihr Konzept konsequent fort: Zeitnah zu den Regionalmodulen erscheinen Abenteuer, die in den entsprechenden Regionen spielen. Wie der Name schon vermuten lässt, ist „Skaldensänge“ der Abenteuerband zu „Unter dem Westwind“. Folglich beinhaltet das Buch mehrere Abenteuer, die in Thorwal, den streitenden Königreichen und im Gjalskerland angesiedet sind.

von Reinhard Kotz

 

Aufmachung

Zur Aufmachung brauche ich nur wenige Wort zu verlieren, da das Buch in gewohnt hochwertiger DSA-Qualität daherkommt. Einziger Wermutstropfen sind die Karten und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Erstens fehlt (zumindest bei meinem Exemplar) eine im Buch erwähnte Karte über ein Dorf der Gjalsker. Zweitens sind es zu wenige Karten. Ich hätte mir noch zu dem ein oder anderen Dorf oder Landstrich eine genauere oder überhaupt eine Karte gewünscht, auch wenn die Abenteuer natürlich auch ohne sie spielbar oder besser gesagt leitbar sind. Drittens fehlt es an einer brauchbaren Übersichtskarte, um überhaupt einordnen zu können, wo genau die Abenteuer spielen. Zwar liegt dem Buch eine stark verkleinerte schwarz-weiß Kopie der großen Farbkarte aus Westwind bei, jedoch ist diese so extrem verkleinert, dass nur Leser, die den Zauberspruch Adleraug beherrschen, etwas damit anfangen können. Auf der anderen Seite könnte es natürlich sein, dass das Buch an eine Zielgruppe gerichtet ist, die schärfere Augen hat als ich... Schade, anhand der spärlichen Karten merkt man deutlich, dass die Macher davon ausgegangen sind, dass der Leser von „Skaldensänge“ auch „Westwind“ besitzt.

Inhaltlich finden sich insgesamt fünf Abenteuer und einige Szenariovorschläge in dem Buch. Wie in „Westwind“ nehmen auch hier die Thorwaler den größten Teil ein und so sind drei der Abenteuer ihnen gewidmet, während die anderen im Gjalskerland und in Nostria angesiedelt sind.

Jandra-Saga

Die ersten drei Abenteuer sind Teil einer größeren Kampagne, der Jandra-Saga, und – obschon einzeln spielbar – nur als Trilogie wirklich sinnvoll. Die Jandra-Saga inhaltlich zu beschreiben, ist eine undankbare Sache, da man entscheidende Plots nicht nennen kann, ohne den Lesern den späteren Spielspaß zu nehmen. Ich versuche daher das Problem mit „juristischen“ Aussagen zu bewältigen: sprich, alles, was ich nun sage, ist wahr, nur wird es keinem etwas nutzen...

Im 1. Teil „Das Sturmkind“ lernen die Helden eine Hetfrau kennen, die von allen nur das Sturmkind genannt wird, und gehen mit ihr und ihrer Mannschaft auf große Fahrt. Unterwegs können die Helden allerhand Aufregendes erleben: Waljäger werden gejagt, Stürme bekämpft und Dörfer vor Orkscharen gerettet, ehe das Schiff Richtung Heimat aufbricht. Doch statt Ruhe und Erholung wartet dort eine böse Überraschung, denn ihre inzwischen lieb gewonnene Anführerin wird angeklagt, einen Thorwaler heimtückisch getötet zu haben. In einem Hjading (Gerichtsverhandlung) gilt es nun für ihre Unschuld zu streiten.

Sturmkind ist weniger ein Abenteuer als eine Aneinaderreihung vom Einzelereignissen, die aber einen guten Einblick in die Lebensweise und Weltsicht der Thorwaler geben. Das Abenteuer ist daher vor allem für solche Spieler und Helden gut geeignet, die es zum ersten mal in diese Region verschlägt und die die Sitten und Bräuche der Thorwaler noch nicht kennen. Einzig der Verlauf der Gerichtsverhandlung hat mich als Rechtskundigen wenig überzeugt, doch mag ein anderer daran keinen Anstoß nehmen...

Im 2. Teil „Der Fluch des Blutes“ kommen die Helden auf sonderbare Weise an ein wundersames Musikinstrument, das verschlüsselte Botschaften singt, wenn man es spielt. Darin werden sie aufgefordert, der Spur einer vor vielen Jahren Verbannten zu folgen, die in den hohen Norden führt. Kurzerhand besteigen die Helden ein Schiff, und wie es nun mal im Rollenspiel üblich ist, kentert es. Die halbtoten Helden werden dann zwar von einer Sippe Neuhjaldingarder gerettet, von ihnen aber in die Knechtschaft gezwungen. Auf ihrem Hof im eisigen Norden, umgeben von dichten Wäldern und unpassierbaren Bergen müssen sie erst längere Zeit die Knechtschaft erdulden, ehe mysteriöse Ereignisse dazu führen, dass die Helden durch einen geheimnisvollen Führer zu einem verfluchten Ort mitten in der Wildnis des Gjalskerlandes geführt werden. Hier treffen sie auf einen alten Bekannten und müssen sich einer neuen Aufgabe stellen.

Die Idee, mit einem Musikinstrument den Helden Hinweise in lyrisch verschlungener Form zu geben, gefällt mir als Einstieg sehr gut. Die Spur in den Norden ist aber etwas wirr und letztlich scheint es der Zufall zu sein, der die Helden wirklich auf die richtige Spur bringt. Doch sobald die Helden in der Knechtschaft sind, wird das Abenteuer wieder richtig gut (vielleicht liegt das aber auch an meinem sadistisches Meisterherz, dem hier zahlreiche Garstigkeiten einfallen, wie man die Spieler ärgern kann). Der Hof der Neuhjaldingarder sowie deren Bewohner werden stimmig beschrieben und mit Hilfe der zahlreichen Kurzszenarios kann man den Spielern ein gutes Bild von der Lebensweise der rauen Nordmänner vermitteln. Mit dem Eintritt der mysteriösen Ereignisse bekommt das Abenteuer noch eine düstere Atmosphäre, was gut dazu beiträgt, die langen Nächte noch unheimlicher zu machen.

Im letzten Teil der Jandra-Saga, „Blutiger Schnee“, verschlägt es die Helden noch tiefer in das Gjaskerland. Die Spur der Verbannten führt die Helden schließlich in ein Dorf, in dem der Stamm der Schneeeule lebt. Dort werden sie zwar freundlich empfangen, doch bekommen sie bald mit, dass das Dorf große Sorgen hat. Ihr Schamane hat gesehen, wie ihr heiliges Tier von einem Dämonen befallen worden ist, und nun droht dem Stamm furchtbarer Schaden. Die Helden müssen erst dem Stamm helfen, ehe sie ihre ursprüngliche Queste erfüllen können.

Der Abschluss der Kampagne ist schwerpunktmäßig im Bereich des Übersinnlichen angesiedelt. Magie, Rituale und Geister spielen bei der Lösung des Ganzen eine wichtige Rolle. Da mich diese Themen aber nur mäßig interessieren, hat mich das Abenteuer auch nichts sonderlich mitgerissen. Es steht jedoch qualitativ den anderen in nichts nach.

Insgesamt ist die Jandra-Saga ein solides Werk, das vor allem deswegen zu gefallen weiß, weil es dem Meister genügend Freiraum lässt, um eigene Ideen ins Spiel zu bringen und dem Abenteuer seine persönliche Note zu geben. Wer sich zum Abschluss noch wundert, warum das Ganze Jandra-Saga heißt, obwohl ich den Name keinmal erwähnt habe, dem möchte ich noch sagen, dass ich den Namen absichtlich ver- bzw. umschwiegen habe, da ansonsten die Rezension entweder zu viel verraten hätte oder aber (scheinbar) unlogisch geworden wäre...

Die Versunkenen

Dieses Abenteuer spielt im Seufzermoos, einer entlegenen Gegend im rauen Norden, wo der Aberglaube noch so stark ist, dass die Bevölkerung sogar bereit ist, Menschen zu opfern, um das grausige Moor zu besänftigen. Eigentlich sollten die Helden nur einige verstreute Siedlung am Rande des Moors aufsuchen, um die Bewohner vor einem furchtbaren Sturm zu warnen, den ein Ifirngeweihter vorhergesehen hat. Doch schon bald befinden sie sich auf der Suche nach einem verschwunden Mädchen, um das sich ein ganzes Dorf auffällig besorgt zeigt. Die Spur führt natürlich in das Moor, wo es ein grausiges Geheimnis zu lüften gibt, das die Helden vor eine schwierige Entscheidung stellt.

Das Abenteuer ist einfach gestrickt und sehr linear, aber gerade deswegen gefällt es mir sehr gut. Die Spieler brauchen kein Hintergrundwissen, um das Abenteuer zu bestehen, sondern werden schlicht durch eine stimmige Geschichte geleitet. Eine Portion Aberglauben, eine schaurige Gegend sowie ein nahender Sturm tragen ihr übriges dazu bei, um eine dichte Atmosphäre zu erzeigen.

Stille Wasser

Dieses Abenteuer spielt an der Grenze zwischen Nostria und Andergast und somit mitten im Herzen der streitenden Königsreiche. Die Helden werden von einem Händler beauftragt, herauszufinden, was aus seinen Verwandten geworden ist, die seit knapp 20 Jahren im letzten Krieg spurlos verschwunden sind. Die Nachforschungen der Helden führen rasch in ein kleines Schmugglernest, in dem die verdächtigen Personen zugleich die wichtigsten Bewohner des Dorfes sind...

Bei vorliegendem Abenteuer bin ich etwas gespalten. Das Abenteuer an sich habe ich regelrecht verschlungen, da der Hintergrund packend zu lesen war und die Örtlichkeiten sowie die Nichtspielercharaktere wundervoll ausgearbeitet worden sind und die erforderliche Tiefe besitzen. Einziges, aber leider gravierendes Manko ist die Handlung im Dorf. An „richtige“ Informationen über den Verbleib der Verwandten können die Helden kaum kommen, stattdessen baut das Abenteuer darauf, dass sich die Verdächtigen durch eigene Handlungen verraten und so den Helden Hinweise geben, wer mit dem Verschwinden etwas zu tun haben könnte. Mich selbst überzeugt das nicht, doch ist der Hintergrund so gut ausgearbeitet, dass man als Meister genügen Informationen besitzt, um das Abenteuer so zu ändern, wie man es haben möchte.

Fazit: „Skaldensänge“ ist ein liebevoll gemachter Abenteuerband, bei dem allein das Lesen schon eine Freude ist. Auch die Abenteuer wissen alle, trotz teilweiser kleinerer Schwächen, zu gefallen. Als Ergänzung zum Regionalband „Unter dem Westwind“ ist das Werk uneingeschränkt zu empfehlen; als eigenständiges Werk macht sich das Fehlen einer brauchbaren Karte über die nördliche Regionen bemerkbar.


Skaldensänge
Abenteuerband
Daniel Jödemann, Julian Marioulas, Jörg Middendorf u. a.
Fantasy Productions 2005
ISBN: 3-89064-394-9
96 S., Hardcover, deutsch
Preis: EUR 16,00

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