Shadowrun 80: Für eine Handvoll Daten

Ein Mix aus schweren Waffen, mächtiger Magie, allmächtigen Konzernen, Orks, Zwerge, Elfen und Trolle, aufgemotzt mit Cybertech – das macht „Shadowrun“ aus. Der Titel des Buches erinnert an einen bekannten Italowestern mit Clint Eastwood, und irgendwie erwartete ich damit eine ähnliche „Lone Gun“-Geschichte vor „Shadowrun“-Hintergrund. Aber wie es so schön heißt: Der erste Eindruck täuscht meistens.

von Andreas Loos

 

Die Krypta ist ein in Seattle bekannter Ort der Zuflucht, wenn sich ein Shadowrunner mit den falschen Leuten angelegt hat. Als Anführer fungiert Bonaerges, ein Schamane, der eine Magieschule in der Krypta unterhält. Der Ort selbst ist wenig mehr als der unterirdische Rest eines verfallenen Lagerhauses, der nicht nur Shadowrunnern auf der Flucht, sondern vor allem Obdachlosen eine einigermaßen sichere Bleibe bietet. Diese mehr als bescheidene Idylle gerät unversehens in den Fokus zweier skrupelloser Konzerner.

Der Hutmacher und der Märzhase, zwei Angestellte des Aztlan Konzerns, stets darauf bedacht, ihr Gehalt nebenbei aufzubessern, wähnen sich auf der richtigen Spur zu einem alten Geheimnis aus der Zeit des Zusammenbruchs. GNX IV, angeblich das Heilmittel gegen die Goblinisierung, ist während der Unruhen verloren gegangen. Gut 40 Jahre danach deutet einiges darauf hin, dass sich dieser Gral in den Ruinen eines alten Lagerhauses befinden könnte.

Um ungestört danach suchen zu können, kaufen die beiden das Grundstück, unter dessen Oberfläche sich die Krypta befindet und heuern eine ortsfremde Gruppe Söldner an, um die Obdachlosen zu vertreiben. Kaum haben die Bewohner der Krypta von diesem Vorhaben Wind bekommen, organisieren sie ihren Widerstand. Boanerges ruft seine Schüler zusammen und auch einige andere erfahrene Runner finden sich zur Verteidigung der Krypta ein.

Stephen Dedman spinnt schon von Anfang an bei fast allen Akteuren ein feines und oftmals undurchsichtiges Netzwerk aus Bekanntschaften und Beziehungen persönlicher und beruflicher Natur. Verschiedene Runner haben bereits miteinander gearbeitet, und während des ganzen Handlungsverlaufs wird ständig auf Teamwork gesetzt. Jedoch haben die gemeinsam geplanten Aktionen nicht immer den gewünschten Erfolg. Nicht immer sind die Beteiligten ehrlich zueinander und manches Mal erweisen sich die jeweiligen Agenden der einzelnen Beteiligten kontraproduktiv zu den gemeinsamen Zielen. Gerade so, wie man es von einem „Shadowrun“-Hintergrund erwarten darf – viele Schattierungen von Grau und jeder der Beteiligten ist wirklich weder Engel noch Heiliger.

Einzig der treibende Part des Konzernduos – der Hutmacher – zeichnet sich durch eine hier atypische Schwarzzeichnung aus. Er ist sich nicht zu schade auch persönlich Mitwisser, Zeugen oder auch Unbeteiligte, die ihm im Weg stehen, mit Gewalt zu entfernen, praktisch ein Bösewicht, wie er im Buche steht und der wirklich fast nur negative Seiten zeigt.

Auch wenn ich mich persönlich nicht für die Magie- und Fantasy-Komponente von „Shadowrun“ begeistern kann, hat der Autor beides gut in die Handlung eingeflochten. Jede taktische Planung auf beiden Seiten beschäftigt sich mit Magie und konventionellen Waffen gleichermaßen. Positiv fiel mir dabei auf, dass sich alle Seiten (vom Hutmacher einmal abgesehen) in diesem Konflikt um minimale (Personen-)Schäden bemühen. So wird mit Vorliebe Betäubungsmunition oder betäubende Magie eingesetzt.

Da nur selten in die Handlung Ruhephasen eingebaut sind, überschlagen sich die Ereignisse immer wieder. Es gelingt Dedman, Schauplatzwechsel und vor allem den für „Shadowrun“ typischen Hintergrund gekonnt in Szene zusetzen. Manchmal allerdings wirkt in meinen Augen die hier beschriebene Schere zwischen Arm und Reich arg übertrieben, andererseits machen gerade diese Extreme auch den Shadowrun Hintergrund aus. 

Der große Knall, der in Form von GNX IV wie ein Damoklesschwert über der Handlung schwebt und im Verlauf derselben auch noch moralische Diskussionen entfacht, bleibt allerdings aus. Schließlich muss ja die Integrität des Hintergrundes gewahrt werden, denn ohne eben jene Fantasy-Komponente bliebe lediglich Cyberpunk übrig. Das Ende fand ich dann fast schon wieder für das Genre etwas sehr untypisch, da es nach meinem Geschmack viel zu versöhnlich ausgeht.

Ein wenig gestört hat mich das Fehlen eines Glossars, da sich die Bedeutung etlicher Begriffe nur aus der Handlung ergibt oder einfach im Raum stehen gelassen wird.

Fazit: „Für eine Handvoll Daten“ hat mehr mit den „Glorreichen Sieben“ als mit „Lone Gun“ Eastwood zu tun. Der Roman bietet eine spannungsreiche und recht ausgefeilte Handlung, die gekonnt in den Hintergrund von „Shadowrun“ eingebunden ist und vor allem Teamwork in den Vordergrund stellt. Dem Leser wird solide, aber keine wirklich überragende Kost geboten, die sich aber auch für solche Leser eignet, die mit „Shadowrun“ nur bedingt etwas anfangen können.

Mit freundlicher Unterstützung von Fantasy Productions GmbH, www.fanpro.com und www.f-shop.de.


Für eine Handvoll Daten (Shadowrun-Roman Nr. 80)
Rollenspiel-Roman
Stephen Dedman
Fantasy Productions 2007
ISBN: 978-3-89064-571-1
374 S., broschiert, deutsch
Preis: EUR 9,00

bei amazon.de bestellen