Shadowrun 67: Der Schattenlehrling

Wie muss es sein, wenn man als heranwachsender Junge von den Medien ein Bild von den Schatten gezeigt bekommt, das so gar nicht zur Realität passen will? Wenn es auch noch viel zu positiv gezeichnet ist? Und wenn man dann mit seinem eigenen Leben als Sohn eines Konzernangestellten unzufrieden wird?

von Holger Angenent

 

Boris, der Hauptcharakter des „Schattenlehrlings“ steckt genau in dieser Situation. Seine Wünsche und Träume sehen so aus, dass er Runner werden will, genau wie sein Vorbild „Viper“. Dieser Viper ist natürlich ein Charakter aus dem Trid und hat somit wenig mir der Realität in den Schatten zu tun. Er erledigt jeden Auftrag erfolgreich, ist ziemlich cool dabei und hat auch noch Erfolg bei den Frauen. Man kann sich leicht ausmalen, dass ein Junge, der noch nie fernab der wohl behüteten Konzernwelt gelebt hat, so etwas erwartet, wenn er von seiner bekannten Welt in die Schatten eintaucht, und dass er im Traum nicht darauf kommen würde, dass es für ihn tatsächlich gefährlich werden könnte.

Boris brennt also mit ein paar Credsticks seines Vaters durch und versucht sich nun eine Karriere als Runner aufzubauen. Die gestohlenen Credsticks erweisen sich im Rest des Romans noch als deutlich wichtiger als Boris je geahnt hätte, was der Story noch so mache überraschende Wendung gibt. Nicht nur, dass es selbst großes Glück braucht, um überhaupt zurechtzukommen. Gleichzeitig bringt er seine Eltern in wesentlich größere Schwierigkeiten, als ihm lieb ist. Sein anfängliches Glück (zumindest für die eigene Person) setzt sich auch in langen Teilen des Romans fort und so bestehen seine Sorgen eher darin, Abenteuer zu erleben, als überhaupt zu überleben, was die Spannung stellenweise etwas herabsetzt.

Dies muss aber kein Kritikpunkt sein, da so der Fokus des Erzählers auf andere Dinge gelenkt wird, wie die Lebensweise der Runner, denen sich Boris angeschlossen hat. Diese sind im Gegensatz zu so manch anderem Romanrunnerteam keineswegs glorreiche Helden, sondern eher Loser, die versuchen, überhaupt ein Auskommen zu finden. Ihre Situation, zusammen mit Boris’ vom Trid geprägten Sicht der Welt, lassen einen durchaus hin und wieder schmunzeln. Dass diese eher actionarme Art der Handlung irgendwann umschlägt und der Leser durch die Art der Handlung regelrecht schockiert wird, kommt nicht vollkommen überraschend. Ob das Ende dermaßen hätte ausfallen müssen, darüber kann man sicherlich streiten.

Ein weiterer Pluspunkt dieses Romans ist die Tatsache, dass er im „SR4“-Universum und damit im Jahr 2070 spielt. Im Gegensatz zur ersten Auflage des Romans gibt es jedoch kein Vorwort mehr, das explizit darauf hinweist. Der Unterschied zu alten Romanen ist nicht frappierend, jedoch fällt beispielsweise die fortwährende Benutzung der „Augumented Reality“ durch die Charaktere auf, da die Matrix jetzt kabellos ist.

Fazit: Insgesamt überzeugt „Der Schattenlehrling“ durch eine erfrischend neue Idee und abwechslungsreiche Handlung. Die Mischung von mehr und weniger actionshaltigen Teilen ist in Ordnung. Einmal in die Hand genommen, konnte ich den Roman nicht mehr so schnell weglegen und kam dem Ende ziemlich schnell näher. Einerseits deutet dies auf eine spannende Handlung hin, andererseits zeugt es von nicht allzu viel Anspruch. Den würde man bei einem „Shadowrun“-Roman aber wohl auch nicht erwarten.


Der Schattenlehrling (Shadowrun-Roman Nr. 67)
Rollenspiel-Roman
Boris Koch
Heyne 2009
ISBN: 978-3-453-52493-4
282 Seiten, Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 7,95

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