Schatten über Camelot

„Eine einsame Schwalbe ist am grauen Himmel über Cornwall zu sehen… Die Mächte des Bösen sammeln sich rund um Camelot.“

von Jorge C. Kafka

 

Die überwiegende Mehrzahl an Brettspielen, die auf dem deutschen und internationalen Spielemarkt verfügbar sind, ist kompetitiver Natur, das heißt sie erfordern es, dass die Spieler gegeneinander antreten. „Schatten über Camelot“ ist gleichzeitig eine der wenigen und eine der herausragenden Ausnahmen. Kooperation bei „Schatten über Camelot“ ist beinahe alles. Drei bis sieben Spieler, die die Rollen tapferer Recken übernehmen, versuchen gemeinsam, den Fall Camelots zu verhindern. Gawain, Galahad, Kay, Palomides, Parzival, Tristan und sogar König Artus selbst können als Spielfigur geführt werden. Der ewig währende Krieg gegen die Pikten und die Sachsen, der Kampf gegen den Schwarzen Ritter, die Suche nach dem Heiligen Gral, der Rüstung des verschollenen Lanzelot und des Schwertes Excalibur, die Bedrohung durch die Belagerungsmaschinen und gar einen Feuer speienden Drachen vor den Toren Camelots machen das kooperative Zusammenspiel zwingend notwendig. Die Ritter der Tafelrunde müssen gar ihr eigenes Leben opfern, um das Böse zu besiegen und bangen dennoch immer wieder darum, keinen Verräter in den eigenen Reihen zu haben.

Das Spiel besteht aus einem Hauptspielplan und drei kleineren, doppelseitig bedruckten Questtafeln (Der Heilige Gral, Excalibur und Lanzelot/Drache), die ebenfalls als Spielpläne genutzt werden. Auf diesen vieren sind die sieben Standard-Questen dargestellt. Im Spielverlauf versuchen die Ritter, diese Herausforderungen zu bestehen und dafür eine Belohnung in Form eines oder mehrerer weißer Schwerter einzuheimsen, die auf dem runden Tisch der Tafelrunde platziert werden. Misslingt eine solche Queste, sind es schwarze Schwerter, die dort landen. Das Ende des Spiels ist (vorzeitig) erreicht, wenn alle Ritter ihre Lebenspunkte verloren haben, sieben oder mehr schwarze Schwerter in Camelot liegen oder zwölf Belagerungsmaschinen rund um Camelot aufgestellt wurden. Wenn das zwölfte Schwert nach Camelot gebracht wurde, endet das Spiel ebenfalls und die Spieler haben gewonnen, wenn die Mehrheit der Schwerter weiß ist.

Das liest sich recht einfach. Im Grunde ist es das auch, zumal die Spieler sich – unter Einhaltung gewisser Regeln – untereinander koordinieren dürfen. Absichtserklärungen sind gestattet, ebenso allgemeine Aussagen über die eigenen Ressourcen. Tabu sind konkrete Wertangaben oder spezielle Informationen. Über seine Absichten und Ressourcen darf der Spieler aber auch lügen (das begünstigt das Spiel des Verräters), betrügen jedoch ist niemandem gestattet.

Vorangetrieben wird das Spiel von den schwarzen und weißen Karten. (Die in sich noch einmal unterteilt sind in Standard- und Spezial-Karten.) Fünf weiße Karten erhält jeder Spieler bereits vor Beginn des Spiels. Dazu vier Lebenspunkte, eine Merlin-Karte und eine zufällig gezogene Treue-Karte. Die Lebenspunkte werden mit einem sechseitigen Würfel dargestellt, der auf der Wappenkarte platziert wird, die sich der Spieler zu Beginn mit der dazugehörigen Spielfigur ausgesucht hat.

Der Spielablauf teilt sich in zwei Phasen auf. Phase eins dient dem „Fortschritt des Bösen“ und verlangt vom Spieler, entweder eine schwarze Karte zu ziehen (den Text verdeckt zu lesen und den Anweisungen zu folgen), eine Belagerungsmaschine vor Camelot stellen oder einen Lebenspunkt zu verlieren. Phasen zwei stellt die „Heldentat“ dar, die ein Spieler vollführt, indem er entweder zu einer neuen Queste reist, eine spezielle Aktion einer Queste durchführt (auf der er sich gerade befindet), eine weiße Spezial-Karte ausspielt, sich selbst heilt oder einen anderen Ritter als Verräter anklagt. Für die letztere Aktion müssen aber bestimmte Bedingungen erfüllt sein – es müssen mindestens sechs Belagerungsmaschinen vor Camelot stehen oder sechs beliebig farbige Schwerter auf dem Tisch der Tafelrunde liegen. Sind diese beiden Phasen von einem Spieler abgeschlossen, ist der nächste an der Reihe.

Wie am Spielmaterial – vor allem am zusätzlich zu den Spielregeln beiliegenden Questen-Buch – zu erkennen ist, sind die Questen von entscheidender Bedeutung in „Schatten über Camelot“. Sie sind unterteilt in Solo- und Teamwork-Questen. Insgesamt sind es sieben Standard-Questen: das Turnier gegen den Schwarzen Ritter (Solo) und die Lanzelot-Queste (Solo), die Drachen-, die Excalibur-, die Grals-, die Pikten- und Sachsen-Queste (alle Team). Darüber hinaus gibt es zwei Spezial-Questen, die Camelot selbst betreffen. Die Belagerung von Camelot, in der verhindert werden muss, dass zwölf Belagerungsmaschinen vor Camelot aufgefahren werden, und die Queste der Tafelrunde, in der keinesfalls zwölf oder mehr schwarze Schwerter auf dem Tisch der Tafelritter landen.

Für das Erfüllen der Standard-Questen ist das zufällige Ziehen der schwarzen und weißen Karten entscheidend. Das mögliche Ziehen der schwarzen Karten hat ebenso seinen Einfluss auf den Verlauf der Questen wie das Ausspielen der weißen Karten, die zwingend notwendig sind zur Beendigung einer Queste. Für die Grals-Queste beispielsweise müssen sieben weiße Karten ausgespielt sein, sind es sieben schwarze, ist die Queste und damit der Gral unwiederbringlich verloren. Die Schwarzer Ritter-, Lanzelot- und Drachen-Questen sind etwas komplexer, denn die weißen Karten müssen in bestimmten Kombinationen abgelegt sein, als Paare, als Fullhouse oder als Drillinge. Für die anderen Questen gibt es ähnliche Regeln, die – ebenso wie die Belohungen für einen Sieg oder die Folgen einer Niederlage – übersichtlich im Questen-Buch aufgeführt sind.

Neben verschiedenen anderen Aspekten, die hier ungenannt bleiben, das Spiel aber nicht weniger spannend werden lassen, ist die Verräter-Regelung der ultimative Clou des gesamten Spiels! Wie bereits erwähnt, zieht der Spieler zu Beginn verdeckt eine so genannte Treue-Karte, die seine Gesinnung wiedergibt. Da es acht Treue-Karten gibt, ist nie sicher, ob unter den bis zu sieben Spielern überhaupt ein Verräter steckt. Doch seid versichert, liebe Leser und Spieleprofis, selbst wenn KEIN Verräter unter euch ist, habt ihr es schwer, das Spiel zu besiegen! Ziel des Verräters ist es natürlich, dem Bösen zum Sieg zu verhelfen, ohne dass es die anderen Mitspieler bemerken. Diese können wiederum – ab einem bestimmten Zeitpunkt im Spiel – einen anderen Ritter anklagen. Bleibt der Verräter bis zum Ende des Spiels unentdeckt, werden zwei der weißen Schwerter umgedreht und in schwarze verwandelt. Das kann böse ins Auge gehen in der Endwertung! Wird der Verräter jedoch entdeckt, sind die Fronten zwar geklärt, doch der verräterische Ritter nicht aus dem Spiel, sondern wird nur aus der Tafelrunde ausgestoßen und darf fortan offen gegen die hehre Ritterschar operieren. Und seine zusätzlichen Aktionen haben es ab da in sich: Er darf den getreuen Rittern eine weiße Karte ziehen und ablegen und entweder für sich eine schwarze Karte ziehen und ins Spiel bringen oder Camelot mit einem Katapult bedrohen! Ein Spiel zu dritt inklusive Verräter ist nicht zu gewinnen, daher hat der Spieleverlag Days of Wonder sehr schnell mit einer Regelergänzung reagiert, und festgelegt, dass die Treue-Karten erst mit dem sechsten Schwert in Camelot gezogen oder umgedreht werden dürfen. Das garantiert, dass sich alle drei Spieler bis dahin als getreue Ritter verhalten.

Als sehr spielerfreundlich erweist sich die Website des Spieleverlags Days of Wonder, die unter www.shadowsovercamelot.com nicht nur eine ausführliche FAQ anbietet, sondern unter anderem auch die kompletten Spielregeln, das Questen-Buch und die Wappentafel für eine weitere Spielfigur: Sir Bedivere. Wie selbstverständlich werden die pdf-Dateien in englischer, deutscher, französischer, italienischer und koreanischer zur Verfügung gestellt.

Wer Zeit, Muße und Geschick besitzt, kann sich die schönen Kunststoff-Figuren auch bemalen. Oder beim Spieleverlag das Set von acht bemalten Ritterfiguren aus Kunststoff für 19,95 EUR bestellen. Wären diese Zinnfiguren, stünden sie bereits in meiner heimischen Vitrine.

Fazit: „Schatten über Camelot“ ist definitiv für 2005 meine Weihnachtsgeschenkempfehlung! Unerreicht ist das hohe Maß an Teamwork, das für das Spiel erforderlich ist und somit stellt „Schatten über Camelot“ ein fantastisches Familienspiel dar. Zudem sind die Regeln unkompliziert und schnell zu erlernen, weshalb auch die Altersempfehlung von 10 Jahren gerechtfertigt ist. Unzählige und nie langweilige Spieleabende sind somit gesichert. Das stimmungsvolle Design und die liebevoll gestalteten Spielfiguren vergrößern nur die Lust, mit der man in die Welt von König Artus als Ritter der Tafelrunde eintauchen möchte.

Als kleines Manko muss erwähnt werden, dass die optimale Spielerzahl vier bis fünf betragen sollte, denn zu dritt ist das Spiel auch ohne Verräter nahezu unschlagbar. Hat man aber bis zu sieben Leute zusammen, einen Verräter darunter, ist der eisige Winterabend gerettet und die „Schatten über Camelot“ können vertrieben werden. Also: Kaufen, Freunde einladen, spielen!


Schatten über Camelot
Brettspiel für 3 bis 7 Spieler
Serge Laget, Bruno Cathala
Days of Wonder 2005
ISBN: B0009JKVX8
Sprache: deutsch
Preis: EUR 49,95

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