Runebound: Sands of Al-Kalim

„Runebound“ ist ein tolles Spiel. Ich könnte es jedes Wochenende – na gut, jedes zweite – spielen und trotzdem würde es mir nicht langweilig werden. Es gefällt mir einfach, mit kleinen Heldenfiguren über einen Weltenspielplan zu ziehen, Monster zu bekämpfen, Questen zu lösen und Gold und Artefakte zu sammeln. Beim aktuellen Spieletest zu „Sands of Al-Kalim“, der neusten, großen Boxen-Erweiterung zu „Runebound“, sah ich mich allerdings mit einer gänzlich anderen Sicht der Dinge konfrontiert, der ich mich hier wohl oder übel stellen muss …

von Bernd Perplies

„Das ist mir alles viel zu kompliziert und es dauert auch viel zu lange.“ So lautet das Fazit meines Rezensionskollegen C., der – jeden Siegeswillen verloren – leicht trübsinnig vor „Elaim the Dervish“ sitzt, einem der sechs neuen Charaktere, mit denen man die Wüste von Al-Kalim erforschen kann, um, so das Ziel dieser Erweiterung, durch das Vollbringen von vier legendären Taten zur 100. Legende des mit 99 Legenden bereits an Geschichten nicht armen Landes zu werden. Es ist Freitag kurz vor Mitternacht, wir spielen bereits seit etwa drei Stunden und er hat noch keine einzige legendäre Tat bewältigt, keine „Legendary Location“ erforscht, kein „Legendary Mount“ gezähmt, keine „Legendary Rune“ hergestellt, kein „Legendary Artifact“ gefunden und keinen „Legendary Ally“ rekrutiert (um die fünf verschiedenen Arten von Taten, die man vollbringen kann – und von denen man vier vollbringen muss – aufzuzählen).

 

Zugegeben, das liegt auch ein bisschen an ihm selbst, denn regeltechnisch dürfte er bereits zwei Legendary Deeds vor sich liegen haben. Ob man ein, zwei, drei oder vier vollbrachte respektive ausstehende Taten, die in Form von doppelseitig bedruckten Aufgabenkarten (vorne Queste, hinten Belohnung) in Stapel zu je fünf neben dem Spielbrett auf mutige Helden warten, vor sich liegen haben darf, entscheidet der Grad der Erfahrung des Charakters.

 

Wir erinnern uns: In „Runebound“ gibt es so genannten „Adventure Tokens“ mit aufsteigendem Schwierigkeitsgrad (1 = grün, 2 = gelb, 3 = blau und 4 = rot). Diese Tokens liegen auf speziell markierten Feldern überall auf dem Spielplan herum. Ein Held, der ein solches Feld betritt, kann im „Adventure Step“ seines Zuges die Herausforderung annehmen und eine Ereigniskarte der entsprechenden Farbe ziehen. In „Sands of Al-Kalim“ gibt es, im Gegensatz zum Grundspiel, nur noch Monsterkarten. Die kleinen Encounters (= Miniquesten) und die weltbeeinflussenden Events fehlen, denn hier wird kein fertiges „Abenteuer“, wie etwa der Kampf gegen den Drachenlord Margath, gespielt, sondern die Helden selbst – als Anwärter auf den Legendenstatus – stehen im Mittelpunkt. Hat man das so gezogene Monster besiegt, erhält man die farbige Spielmarke als Erfahrung.

 

Gibt man diese Erfahrung nun im „Experience Step“ aus, so wird die Marke mit der höchsten Zahl (1, 2, 3 oder 4), die man ausgegeben hat, um die eigenen Werte zu steigern, vor dem Charakter abgelegt. Diese gibt nun den Level an beziehungsweise wie viele Legendary Deeds man angehen oder gelöst haben darf. Auf diese Weise muss sich ein Held durchaus bis zu den heftigen roten Monstern durchschlagen, bevor er seine vierte Tat in Angriff nehmen darf und so gewinnen kann.

 

Nun ja, C. hat, wie gesagt, um Mitternacht noch keine einzige Großtat vollbracht, ich ebensowenig – auch wenn ich es immerhin zweimal erfolglos versucht habe –, nur S., der dritte Spieler im Bunde, kann sich rühmen, einen fliegenden Teppich gewebt zu haben; unser Held! Was uns zu Vorwurf 2 führt: Das Spiel dauert zu lange. Ja, leider muss ich C., trotz meiner glühenden Verehrung für „Runebound“ hier Recht geben. Das ist vor allem dem Spielelement der „Legendary Deeds“ geschuldet. Denn während man im normalen Spiel gewinnt, indem man eine gewisse Art und/oder Menge von Gegnern bezwingt, muss man hier, neben den ständigen Kämpfen, auch noch vier nicht ganz leichte Questen durchziehen.

 

Dazu muss man meist über den halben Spielplan wandern, was durch das Wüstensetting so erschwert wird, dass man nur ziemlich langsam vorankommt. Denn läuft man tagsüber (jeder Spieler muss zu Beginn seines Zuges „Tag“ oder „Nacht“ ansagen), schwitzen die Charaktere und Allies wie ein Eskimo in der Sahara, was sich kräftig in Fatigue-Punkten niederschlägt, die man nur durch ständiges Heilen oder eben regelrechtes Schleichen in den Griff bekommt. Läuft man indes nachts, wird man garantiert von Räubern angegriffen – das bringt zwar Erfahrung, aber leider kein Gold, dafür indes zumeist zusätzliche Wunden, die wieder geheilt werden wollen, wofür man dann reguläre Monster bekämpfen muss, um mit dem Gewinn in der Stadt den Heiler aufzusuchen, weswegen man kein Bares für Artefakte und Allies hat, die einen allein vor weiterem Harm bewahren würden. Denn das ist unser zweites Fazit nach drei Stunden: Ich habe einen Schuppenpanzer, C. einen Zaubertrank und S. gar keine Ausrüstung. Es liegt einfach zu wenig Gold im Wüstensand herum.

 

Erschwerend kommt hinzu, dass „Adventure“, „Story“ und „Market Step“ zusammengelegt wurden. Das heißt in „Sands of Al-Kalim“ darf man als Held entweder ein Monster bekämpfen oder sich um seine eigene Legende kümmern oder einen Bazaar (Markt) besuchen. „Adventure“ und „Market Step“ zusammenzulegen, ist keine schlechte Idee, da Abenteuer ohnehin nur in der Wildnis und Bazaare ohnehin nur in einer Stadt zu finden sind und man selten beide „Steps“ in seinem Zug durchführt (auch wenn dies gewissen Sonderkarten erlauben). Den „Story Step“ aber nicht einzeln abzuhandeln, verzögert das Gesamtspiel meines Erachtens spürbar (siehe oben). Zudem man natürlich bei „Legendary Deeds“ versagen kann, ich bin das lebende Beispiel, und diese dann verliert, was dazu führt, dass man sich eine neue Karte ziehen muss, die einen möglicherweise ans ganz andere Spielplanende führt. Es gibt sogar gewisse Monster, die einen zum Ablegen einer gelösten Tat zwingen – wenn man sie besiegt, wohlgemerkt! Das ist uns Möchtegern-Legenden zum Glück nicht passiert, aber DAS zieht das Spiel wirklich unnötig in die Länge.

 

Was Vorwurf 1 angeht, so würde ich vorsichtig mit einem „möglicherweise“ antworten. Zugegeben, es gibt einige neue Spielmechanismen – etwa die Entscheidung für Tag oder Nacht, den Sandsturm, der irgendwie relativ folgenlos kreuz und quer über den Spielplan weht, oder den so genannten „Story Die“, den man im „Story Step“ würfeln kann und dessen Symbole unterschiedliche, kleine Spieleffekte erzeugen. Aber in all das findet sich der „Runebound“-Veteran schnell hinein – auf Neulinge indes (und für C. war es „das erste Mal“) wirken die Brettspiele von FFG zugegeben immer etwas erschreckend komplex und die Abweichung von der Norm in dieser Box mögen die Sachen nicht einfacher gemacht haben.

 

Dieser „Story Die“ hat mir übrigens sehr gut gefallen, denn wann immer man mit dem Charakter irgendwo in der Pampa herumsteht und so gar nichts machen kann, kann man hier zumindest den Würfel würfeln und findet vielleicht 1 Goldstück oder eine der drei „Lost Citys“ von Al-Kalim, die inmitten der Dünen urplötzlich vom Wind vor den staunenden Augen des Helden freigeweht werden können.

 

Das gesamte Spielmaterial ist hochwertig verarbeitet und sieht obendrein sehr hübsch aus, wenngleich man sich vielleicht noch ein paar mehr Monsterkarten gewünscht hätte – die grünen Challenges hatten wir rasch durch, sodass sie anfingen, sich zu wiederholen. Und da die Kreaturen unterschiedliche Lebenspunktwerte für Tag- und Nachtzeiten aufweisen, kann man auch nicht einfach Monster aus anderen „Runebound“-Erweiterungen mit einmischen. Hier können im Moment nur Hausregeln (etwa, dass ein Monster – Kellos-Anhänger ausgenommen – nachts ein bis zwei Lebenspunkte mehr hat) Abhilfe schaffen.

 

Fazit: Der Sandsturm ist ein eher unsinniger Spielmechanismus, einige Monster, die „Legendary… Thingys“ klauen, erscheinen mir sehr unfair und ein Spiel dauert schlicht und ergreifend unglaublich lange (okay, letzteres kann man auch positiv bewerten, sofern alle Spieler Spaß an Mammutbrettspielsessions haben). Von diesen Mankos abgesehen, hat mir die sich doch spürbar anders zu spielende Box-Erweiterung „Sands of Al-Kalim“ eigentlich sehr gut gefallen, besser jedenfalls als „The Island of Dread“ und mindestens genauso gut wie die „Midnight“-Erweiterung. Und auch wenn ich vermutlich C. nie wieder dazu bringen werde, mit mir „Runebound“ zu spielen, werde ich mich mit Sicherheit einmal mehr der Herausforderung stellen, zur 100. Legende von Al-Kalim zu werden.


Runebound: Sands of Al-Kalim
Erweiterungsset
Robert Vaughn, John Goodenough
Fantasy Flight Games / Heidelberger Spieleverlag 2006
ISBN: 1-58994-330-9
Box mit Spielplan, Heldenfiguren, Spielkarten und -marken, englisch
Preis: $ 39,95