Runebound: Midnight

In der Welt von „Midnight“ herrscht das Böse über das Land und die wenigen verbliebenen Helden sehen sich furchtbaren Gegnern in erdrückender Überzahl gegenüber. Schon lange als düster-dramatisches Rollenspiel-Setting erhältlich, hat Fantasy Flight Games nun in einem Spiele-Crossover eine „Midnight“-Expansion für ihr erfolgreiches Brettspiel „Runebound 2nd Ed.“ herausgebracht. Ein völlig neues Abenteuer im finsteren Lande Eredane erwartet die Spieler ...

von Bernd Perplies

Die „Midnight“-Expansion ist die zweite großformatige Erweiterungbox für „Runebound“ nach „The Island of Dread“. Genau wie die letztgenannte Box bietet „Midnight“ ein komplett neues Spielbrett, das diesmal das in gedeckten Grau-Braun- und Grüntönen gehaltene, vom Krieg schwer gebeutelte Land Eredane abbildet. Dazu gibt es 77 neue Abenteuerkarten der Farben grün, gelb, blau und rot, 52 Marktkarten und 8 neue Helden (samt Plastikminiatur). So weit, so bekannt.

An dieser Stelle hören indes die Ähnlichkeiten mit dem klassischen „Runebound“-Spiel fast schon auf. Denn im Gegensatz zu „The Island of Dread“ ist „Midnight“ nicht nur eine Material-Expansion, deren neue Spielmechanismen  trotzdem das Grundspiel noch deutlich erkennen lassen, es handelt sich vielmehr von den Regeln und dem Spielverlauf her um ein fast komplett eigenständiges Brettspiel, das sich nur noch geschickt des bestehenden „Runebound“-Spielmaterials und einiger Regeln bedient.

So heißt es beispielsweise nicht mehr jeder gegen jeden, sondern einer gegen alle. Ein Spieler übernimmt die Rolle eines der Night Kings des dunklen Gottes Izrador, der nach seiner Verbannung auf die Welt Eredane durch die Lords of Light diese Welt als sein Eigen erklärte. Die vier Nachtkönige sind machtvolle Unholde, jeder für sich ein veritabler Endgegner, deren Werte und Fähigkeiten auf speziellen Karten abgedruckt sind, von denen der Night King Player zu Beginn eine nach dem Zufallsprinzip auswählt.

Die übrigen Spieler mimen Freiheitskämpfer, die sich der Herrschaft Izradors und seiner Schergen entgegenstellen. Im Gegensatz zum klassischen „Runebound“ dürfen die Helden hier nicht darauf hoffen, am Ende den Oberbösen im Zweikampf stellen zu können. Viel zu mächtig wären der dunkle Gott und selbst die Nachtkönige. Stattdessen ist es das Ziel der Spieler, Izradors Netzwerk aus Spionen und Patrouillen zu unterwandern und seine Quellen der Macht, eine Reihe schwarzer Spiegel, die in seinen Festungen quer über Eredane (den Spielplan) verteilt verborgen liegen, zu zerstören.

Die Spieler gewinnen das Spiel, wenn sie 1+1 pro Helden Black-Mirror-Spielmarken vernichtet haben. Der Night King Player gewinnt, wenn das Threat Level 10 auf dem Threat Tile erreicht wurde.

Womit wir nochmal zum Spieler des Nachtkönigs zurückkommen. Dieser ist mehr als nur ein Spielleiter, der die NSC-Monster auf dem Spielbrett verschieben darf. Tatsächlich hat er vermutlich sogar den meisten Spaß der Spielrunde, denn seine Möglichkeiten, die Spielerhelden unter Druck zu setzen, sind enorm. Zum einen droht er mit jeder Runde, den Threat Level zu heben. Dazu legt er einen Doom Counter aus dem Grundspiel unter die neue Threat Track Karte, die sowohl das aktuelle Threat Level (1 bis 10), als auch die Threat Difficulty (zwischen 12 und 20), die ihm Spiel vorherrscht, festhält. Mit 2W10 plus der Anzahl an Doom Countern versucht der Night King Player nun, die Threat Difficulty zu erreichen. Gelingt dies, steigt der Threat Level um 1 und der Sieg des Bösen rückt einmal mehr näher. (Und es gelingt bei einer Standard-Schwierigkeit von 16 leider häufiger, als es den Spielern lieb sein kann.)

Wichtiger indes ist die Fähigkeit des Night Kings, Gold zu scheffeln und etwa für Bonus-Marken oder Patrouillen auszugeben. Patrouillen sind bewegliche Challenges, die je nach Heldenlevel aus grünen, gelben, blauen oder roten Monstern bestehen und versuchen, die Helden zu fangen und umzubringen – wobei sie nicht einmal Belohnungen oder Erfahrung einbringen, wenn man sie besiegt. Mit den Bonus-Marken kann der Nachtkönig seine Patrouillen noch verstärken, heilen oder beweglicher machen. Gemeinsam mit den üblen Spezialfertigkeiten, welche die Night Kings auf ihren eigenen Werte-Karten aufweisen, werden die Helden hier vor eine recht heftige Zusatzaufgabe gestellt (abgesehen vom regulären Monstermetzeln, Schätze sammeln und Spiegel zerstören).

Weitere neue Regeln betreffen beispielsweise die Bewegungswürfel, die in „Midnight“ als Aktionswürfel genutzt werden und nicht nur zum Bewegen (für 1 Würfel kann man sich 1 Feld weit fortbewegen), sondern auch zum Heilen und zum Handel eingesetzt werden können – wenn man denn das (Würfel)Glück hat, in den unwirtlichen Landen von Eredane einen freundlichen Heiler oder Händler zu treffen. Das hat den Vorteil, dass man zum Heilen oder Handel nicht jedes Mal in eine Stadt muss, was auch ganz gut so ist, denn die Städte in „Midnight“ sind in Feindeshand oder unter Belagerung und so muss ein Spieler, der eine Stadt betreten will, stets zuvor einen „Infiltration Test“ schaffen, die umso schwerer werden, je teurer (also extravaganter) die eigene Ausrüstung wird.

Fazit: Alles in allem stellt die „Midnight“-Erweiterung eine faszinierende und vor allem völlig neue Spielvariante zum klassischen „Runebound“ dar. Die Eigenheiten der finsteren Rollenspielwelt wurden treffend umgesetzt und die Herausforderung, selbst für eine vereinte Heldengruppe, ist enorm. Dass auch der Night King Player (diabolisch grinsend) voll auf seine Kosten kommt, zeichnet das Spiel obendrein aus. Wenn ihr „Runebound“ besitzt und nach einer Erweiterung sucht, die kräftig Abwechslungs ins normale Spiel bringt, kann ich die „Midnight“-Expansion nur wärmstens empfehlen!


Runebound: Midnight
Erweiterungsset
Robert Vaughn
Fantasy Flight Games / Heidelberger Spieleverlag 2005
ISBN: 1-58994-236-1
Box mit Spielplan, Heldenfiguren, Spielkarten und -markern, englisch
Preis: $ 39,95