Runebound: Character Decks

Bislang war „Runebound“ ein relativ klassisches Fantasy-Quest-Brettspiel: Man suchte sich einen Charakter aus, mit dem man über die Landkarte von Terrinoth zog, Monster verprügelte, Schätze sammelte und durch Erfahrungspunkte langsam zum Helden aufstieg, der letztendlich den Drachenlord Margath herausfordern konnte. Mit den „Character Decks“ wird das Spiel gleich in zweierlei Hinsicht deutlich erweitert.

von Bernd Perplies

Zum einen bringen die „Character Decks“, von denen es im Augenblick sechs an der Zahl gibt („Runemaster“, „Shadow Walker“, „Blade Dancer“, „Wildlander“, „Battlemage“ und „Spiritbound“) einen gewissen Sammelkartenaspekt ins Spiel. In jedem Deck befinden sich 30 neue Karten (darunter 25 so genannte Class Cards und 5 Talent Cards), 10 Menace Counter und das jeweils identische Regelheftchen, das die Verwendung der Decks erklärt. Jeder Mitspieler muss für seinen Helden ein „Charakter Deck“ besitzen und obwohl die einzelnen Decks in ihrer Kartenzusammenstellung an bestimmte Helden angepasst sind – so spielt sich das „Wildlander“-Deck ganz gut mit Ronan of the Wild, das „Shadow Walker“-Deck passt zu Bogran the Shadow und Silhouette und das „Battlemage“-Deck bietet sich nicht nur vom Titel her für ein Spiel mit Battlemage Jaes an –, erreichen die Decks ihre maximale Effektivität, wenn man die Karten aller Decks nach eigenem Belieben und strategischem Vorhaben mischt. Der Einsatz speziell zusammengestellter Kartensets, die das eigene Spiel befördern und den Gegner hemmen, ist nun typisch für das klassische Sammelkartenspiel.

Zum anderen erhöht die Verwendung der „Character Decks“ die Interaktivität zwischen den Spielern. Während im normalen „Runebound“ jeder Spieler seinen Zug im Prinzip alleine durchführte, ist es seinen Mitspielern nun möglich, ihm durch den Einsatz der Class Cards aktiv Steine in den Weg zu legen. Diese Steine können dabei verschiedene Form annehmen: So gibt es ganz gewöhnliche Challenge Cards, also Monster, die es außer der Reihe zu besiegen gilt (natürlich zumeist ohne Lohn), es gibt Spells, also Zauber, die mehr oder minder unangenehme Effekte haben, Feats (für die Nichtmagier), die ähnlich funktionieren, und Locations, also ortsgebundene Effekte, die überwiegend in der Bewegungsphase gespielt werden. Wann die anderen Karten gespielt werden dürfen, geht entweder aus Symbolen oder dem Kartentext hervor.

Natürlich bestehen die „Character Decks“ nicht nur aus Karten, die einem das Leben schwer machen. Die Challenges ausgenommen, gibt es alle Kartentypen (Spell, Feat, Location) auch mit hilfreichen Effekten, die man selbst als Spieler, der am Zug ist, nutzen kann, um sich Vorteile zu verschaffen. Die Mischung der Class Cards ist mit 15 „bösen“ und 10 „guten“ Karten relativ ausgewogen, vor allem, wenn man die 5 Talent Cards noch in die Rechnung einbezieht, die jeweils als dauerhafter Effekt neben die Stat-Card des eigenen Helden gelegt wird und diesem besondere Fähigkeiten verleiht, die einerseits in einem Gametext niedergelegt sind, andererseits in Form von Symbolen die Voraussetzung erfüllen, die gewisse Spells und Feats einfordern, wenn man sie spielen will. Diese Voraussetzungen werden „Proficiency“ genannt und als typisches Beispiel mag „Wizardry“ dienen, das für die meisten Spells benötigt wird.

Während Talente von Level 1 bis Level 5 durch Erfahrungspunkte im „Experience Step“ am Ende eines Zuges gekauft werden können (leider darf man immer nur ein Talent besitzen, das heißt, wann immer man ein neues kauft, muss man das alte zurück auf den Talentkartenstapel legen), wird der Einsatz der Class Cards durch die so genannten Menace Tokens gesteuert. Spielt ein Spieler in seinem Zug „gute“ Class Cards, muss er seinem Menace Pool die den Kosten der Karte entsprechende Menge an Menace Tokens entnehmen und diese auf seinen Helden legen. Diese Tokens können die Mitspieler nun einsetzen, um „böse“ Class Cards zu spielen. Diese Balance würde für ein vergleichsweise ausgegelichenes Spiel sorgen, bestünde nicht die Gefahr, dass ein Spieler überhaupt keine „guten“ Karten spielt und somit den Gegnern die Tokens zum Spielen der „bösen“ Karten verwehren würde.

Um dieses Ausweichmanöver auszuhebeln, wurde zusätzlich die Regel eingeführt, dass jede reguläre Challenge, die ein Held angeht, um im Spiel Erfahrungspunkte zu sammeln, auch Menace Tokens kostet – und zwar entsprechend der Erfahrungspunkte, die sie danach einbringt. Dies wiederum hat zur Folge, dass man erheblich mehr Tokens anhäuft, als Vorteile in Kartenform erhält. Für das Spiel bedeutet dies, dass mit erheblich härteren Bandagen gekämpft wird, als im regulären Grundspiel von „Runebound“. Ständig liegen Menace Tokens auf dem eigenen Helden, ständig bekommt man von seinen Mitspielern Challenges, Spells usw. um die Ohren gehauen. Der Knockout des Helden wird zum wiederkehrenden Ereignis, auch weil Spells und Feats, die man im Kampf abkriegt, den eigenen Escape Test deutlich erschweren. Und mit jedem Knockout gehen Gold und Ausrüstungsgegenstände dahin. Fazit: Der Weg zum Sieg ist härter und steiniger denn je.

Fazit: Die „Character Deck“ für „Runebound“ sind möglicherweise nicht jedermanns Sache. Auf der einen Seite sorgen sie zwar für mehr Abwechslung im Spiel, indem sie den vorgefertigen Helden eine durch eigenes Zusammenstellen der Karten persönliche Note geben und zudem durch einen regen Austausch von Class Cards die Interaktivität zwischen den Spielern fördern, auf der anderen Seite wird das Spiel dadurch merklich schwerer, gemeiner und langwieriger. Für eher kooperativ eingestellte Spieler (oder solche, denen „Runebound“ schon im regulären Modus lange genug dauert) sind die „Character Decks“ eher ungeeignet, wer seine Freund indes gerne leiden sieht, sollte sich diese Kartenerweiterung nicht entgehen lassen!


Runebound: Character Decks
Erweiterungsset
John Goodenough
Fantasy Flight Games / Heidelberger Spieleverlag 2006
ISBN: 1-58994-243-4 (Runemaster)
ISBN: 1-58994-244-2 (Battlemage)
ISBN: 1-58994-245-0 (Shadow Walker)
ISBN: 1-58994-246-9 (Blade Dancer)
ISBN: 1-58994-247-7 (Wildlander)
ISBN: 1-58994-248-5 (Spiritbound)
30 Karten, englisch
Preis: $ 7,95