Requiem for Rome

Rom und Vampire: Das war schon zu „Maskerade“-Zeiten ein Wunschtraum vieler Fans für ein historisches Setting. Mit dem vorliegenden, opulent und ansprechend gestalteten Band nimmt sich nun „Requiem“ dieses Traumes an und entführt den Leser in die Welt der Vampire der ersten Jahrhunderte nach Christus- und darüber hinaus.

von Christian Beier

 

Nach der für White-Wolf-Bücher obligatorischen Kurzgeschichte eröffnet das Buch mit einem breiten Repertoire von mit Rom zusammenhängender Geschichte und Literatur. Von Anfang an werden wunderbare Andeutungen und Plothooks gesät, welche das untote Rom wirklich „lebendig“ werden lassen. Die dazu gehörenden Quellenangaben sind etwas kurz gehalten, erfüllen aber ihren Zweck (und weiteres Material über das alte Rom zu finden, dürfte auch nicht sonderlich schwer sein).

Chapter One: The History of Rome

Das Kapitel beginnt mit einer erfrischend ehrlichen „Aufklärung“ durch Kenneth Hite über die historische Exaktheit (beziehungsweise deren Abwesenheit) dieses Buches. Gleich von Anfang an stellt er klar, dass der Ausgangspunkt für „Requiem for Rome“ der Gedanke ist, dass die römische Geschichtsschreibung auf Fakten beruht, auch wenn dies durch neuere Forschungen mehrfach widerlegt wird. Auf diese Weise jedoch kann das Setting sowohl seinem Anspruch als spannendes Erzählspiel, als auch dem tatsächlichen römischen Geschichtsverständnis treu bleiben.

Die gesamte Geschichte Roms auf nur knapp 40 Seiten zu umreißen, ist natürlich selbst unter diesen Voraussetzungen kein einfaches Unterfangen (besonders da sich das Buch nicht nur auf die Stadt Rom selbst bezieht, sondern auch das Reich mit einbezieht), dementsprechend konzentriert sich der Autor hauptsächlich auf den vampirischen Teil der Geschichte und überlässt es dem Leser, sich selbst über die „realen“ Ereignisse zu informieren. Wie ich schon in meiner Rezension des Buchs „Ancient Kingdoms: Mesopotamia“ zum Ausdruck gebracht habe, begrüße ich diese Einstellung, muss jedoch zugeben, dass es mir unter diesem Vorzeichen doch etwas schwer fiel, die Ereignisse in den richtigen historischen Kontext einzuordnen.

Chapter Two: Players Guide

Die Regierung der Vampire Roms, der Camarilla, wird in Flügel aufgeteilt, welche alle eine wichtige Funktion in der vampirischen Gesellschaft haben. Teilweise kann man in diesen Flügeln die Ansätze der späteren Bünde erkennen, jedoch ist die Art, wie diese, teilweise recht gegensätzlichen, Ansichten unter einer gemeinsamen Ägide organisiert sind, wirklich herausragend. Die Clans sind größtenteils dieselben wie im „Requiem“-Grundbuch (bis auf die Julii, welche den Platz der Ventrue einnehmen), aber alle wurden von der Beschreibung her ebenfalls an das altrömische Flair angepasst.

Die Regeln dieses Teils des Buches sind größtenteils vernünftig und bodenständig. Die Fähigkeiten wurden um unpassende Eigenschaften wie „Computer“ und „Schusswaffen“ bereinigt und um der Zeit angemessene bereichert. Die Merits sind alle interessant und behandeln von Formationstaktik bis hin zu verschiedenen Stilen der öffentlichen Debatte (wichtig wegen dem Verbot der Gewalt zwischen „zivilisierten“ Vampiren und regeltechnisch behandelt durch das Debattensystem im nächsten Kapitel).

Chapter Three: Rome and Necropolis

Dieses Kapitel behandelt die Stadt Rom und ihre geheimen, nur den Vampiren bekannten Orte. Die Geographie wird elegant beschrieben und vermittelt ein Bild der Stadt, welches die Vorstellungskraft des Lesers anregt und einen hohen Wiedererkennungswert besitzt. Außerdem enthält dieses Kapitel eine großartige Behandlung von Regierungsform, Religion, Sport, Theater, Sklaverei, Armut und einer Handvoll anderer Themen, welche für einen Bürger des damaligen Roms interessant sein könnten. Ebenso werden die Dinge präsentiert, die man wissen muss, um als untoter Vampir in Rom zu überleben.

Besonders interessant ist, dass jeder Ort seine eigenen Regeln mitliefert. Ob man nun die Stadt durch die Aquädukte verlassen oder im Porticus Sanguineus auf die Jagd gehen möchte, man findet direkt bei der Beschreibung der Orte die dafür relevanten Regeln.

In diesem Kapitel findet sich auch das schon angesprochene System für öffentliche Debatten, bei dem man den Gegner auf verbaler Ebene angreift und welches (analog zum Kampfsystem) reichlich Tricks und Kniffe bietet, um seinem Gegner öffentlich bloßzustellen und ihm das Wort im Mund herum zu drehen.

Chapter Four: Storytelling and Antagonists

In diesem Kapitel finden sich Abenteuerideen, Spiele in anderen Epochen als der Vorgeschlagenen, große Geschichte als Teil des Spiels, Handlungsbögen und was sonst noch das Erzählerherz begehrt. Das alles ist solide und nützlich, aber wo dieses Kapitel mich wirklich überrascht hat, war darin, was die Charaktere sich für Ziele setzen können. Dass sich einige Chroniken um die Gründung eines neuen Kultes oder den Kampf um die Führung eines Flügels drehen könnten, war mir schon klar, aber hier wird explizit von der Rettung des Römischen Weltreiches vor seinem Untergang als legitimes Ziel der Chronik gesprochen. Ein epischer Sprung von den eher bodenständigen Zielen, die ein Charakter in den anderen „World of Darkness“-Linien verfolgt.

Es folgt eine kurze Behandlung von NSCs, die als Verbündete oder Antagonisten (besonders die Stirges- körperlose Geister mit einem Hass auf Vampire- sind interessant und erwähnenswert) der Charaktere agieren könnten, sowie drei Blutlinien.

Fazit: „Requiem for Rome“ ist ein höchst ansprechender Band, der alle in ihn gesetzten Erwartungen erfüllt und sogar übertrifft. Lediglich zwei Kritikpunkte könnte man (aus meiner Sicht) den Autoren vorwerfen: Zum Ersten mag ich zwar die kurzen Geschichten zur Auflockerung des Spielmaterials, finde jedoch, dass drei bis vier Seiten für jedes Kapitel zu viel sind. Zum Zweiten finde ich es zwar gut, dass sich Vampire (im Gegensatz zur „Maskerade“) größtenteils aus der menschlichen Politik heraushalten, allerdings wird kein wirklich überzeugender Grund genannt, warum dies der Fall ist. Diese (kleinen) Kritikpunkte tun jedoch der Qualität des Bandes keinen Abbruch.


Requiem for Rome
Quellenbuch
Ray Fawkes, Will Hindmarch, Kenneth Hite u. a.
White Wolf 2007
ISBN: 978-1-58846-270-1
156 S., Hardcover, englisch
Preis: $ 31,99

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