von Andreas Loos
„Raumhafen Adamant“ ist das Action-Rollenspiel aus der Feder von André Wiesler. Dieser hat schon mit dem Rollenspiel „LodlanD“ und verschiedenen Romanen im Bereich Fantasy und SF von sich Reden gemacht. „Raumhafen Adamant“ ist das Rollenspiel zu Wieslers Science-Fiction-Roman „Die vergessene Schlacht“. Ulisses Spiele haut mit dem Rollenspiel in die gleiche Kerbe, wie auch schon mit dem „John Sinclair Abenteuerspiel“ und dem Abenteurspiel zu „Markus Heitz’ Justifiers“. Als alter Rollenspielveteran, der sich über Jahrzehnte an großformatig aufgemachte Rollenspielsysteme mit mehreren hundert Seiten Umfang gewöhnt hat, war ich schon gespannt, was André Wiesler auf knapp 100 Seiten im Format A5 gepresst hat. Das Ergebnis hat mich durchaus positiv überrascht. Wie auch der Roman, dessen Ursprünge in einer Online-Fortsetzungsgeschichte liegen, ist auch das Rollenspiel auf Action, Action und nochmals Action aufgebaut. Ein Cliffhanger jagt den nächsten, und weder die Charaktere noch die Spieler können und sollen zu Atem kommen.
Aber der Reihe nach. Zunächst gibt es eine kleine Kurzgeschichte zur Einstimmung. Dann folgen ein paar Grundlagen zum Universum von „Raumhafen Adamant“, zum Beispiel wie man schneller als das Licht reist und wo die wichtigsten Planeten zu finden sind. Der Hauptaugenmerk liegt aber auf dem Ausflugsplaneten Adamant, der sich von einem unwirtlichen Bergbauplaneten dank Terraforming in einen extrem angesagten Ressortplaneten verwandelt hat, um den sich das gesamte Universum zu drehen scheint. Sowohl der Planet als auch die Raumstation im Orbit werden unter die Lupe genommen, von der Besatzung bis hin zu den wichtigsten Institutionen, mit denen es die Spieler zu tun bekommen können. Dabei fällt gleich der lockere Tonfall auf, wie auch die Tatsache, dass sich das Spiel selbst nicht so ernst nimmt. Ein paar ausgesuchte Lokalitäten nebst einigen Abenteuerideen runden die Einleitung ab.
Damit man das Setting auch mit Leben füllen kann, werden danach die in dem Universum von „Raumhafen Adamant“ vertretenen Rassen vorgestellt. Und davon gibt es ganze elf, die unterschiedlicher und exotischer nicht sein könnten. Von Menschen über die Vulbrina, die ihre Gestalt verwandeln können, bis hin zu den wurmartigen Sath, die sich in Roboterkörpern fortbewegen, existieren eine Menge ungewöhnlicher Aliens, die man spielen kann.
Und damit kommen wir schon zum Regelwerk. Hier gilt vor allem, dass die Regeln nicht in Stein gemeißelt sind. Wenn eine Regel einer coolen Aktion oder der Story im Wege steht, dann sollte sie der Situation angepasst werden. Daneben sind die Regeln extrem einfach gehalten.
Ein Charakter verfügt über sechs Attribute, die in zwei Bereiche aufgeteilt werden. So gibt es 3 körperliche Attribute (Kraft, Geschick, Konstitution) und 3 geistige Attribute (Ausstrahlung, Verstand, Wille) jeweils mit einem Wert von 1 bis 5. Über die Gesamtsumme der jeweiligen körperlichen und geistigen Attribute erhält man den Widerstand gegen körperliche Angriffe beziehungsweise den Widerstand gegen Angriffe gegen den Geist.
Über ein paar allgemein gehaltene Fertigkeiten, bei denen es keine Möglichkeit auf Spezialisierung gibt, werden die Charaktere weiter definiert. Dabei deckt die Fertigkeit „Pilot“ zum Beispiel alles ab, was fährt, schwebt oder fliegt. Fertigkeiten können einen Wert von 0 bis 5 haben.
Etwas genauer geht es da schon bei den PSI-Fertigkeiten zu. Hier gibt es aber eine recht breit gefächerte Auswahl. Zum Schluss sucht sich der Spieler noch „Gaben“ aus, Besonderheiten in Form von Fähigkeiten, welche der weiteren Personalisierung dienen. Einige „Gaben“ sind bestimmten Rassen vorbehalten.
Die eigentlichen Regeln zur Charaktererschaffung umfassen gerade einmal eine Seite. Grob gesagt verteilt man nach Gutdünken 18 Punkte auf seine sechs Attribute wobei man mindestens 1 auf ein Attribut legt und maximal das, was für die ausgewählte Rasse zulässig ist.
Dann werden Punkte auf die Fertigkeiten verteilt, wobei man hier 30 Punkte zur Verfügung hat. Man erhält noch zwei Hobbyfertigkeiten mit einem Wert von 2, und schon ist auch dieser Abschnitt fast abgeschlossen. Nun müssen noch vier „Gaben“ ausgesucht werden, wobei die Rasse einen Teil der zu verwendenden Gaben bereits vorbestimmt. Nach Rücksprache mit dem Spielleiter werden noch Ausrüstung und Geld verteilt, und schon kann man loslegen.
Wie schon oben erwähnt, steht bei „Raumhafen Adamant“ die temporeiche und actionreiche Story im Vordergrund. Die Regeln kommen nur dann zum Tragen, wenn es gar nicht anders geht. Dabei wird vom Spielleiter in Betracht gezogen, wie gut der Charakter eine Sache beherrscht. Ein Charakter mit Pilot 4 wird nicht dazu genötigt, zu würfeln, ob ihm die unkomplizierte Landung seines Raumgleiters gelingt. Bei einem Flugschüler mit einer Fertigkeit von 1 sieht das dagegen schon anders aus.
Bei einer Probe addiert man zunächst den Wert des maßgeblichen Attributs und die einzusetzende Fertigkeit, addiert gegebenenfalls noch einen Bonus oder zieht einen Malus ab, der vom Spielleiter festgesetzt wird. Die ermittelte Anzahl ergibt die Anzahl von Würfeln, mit denen die Probe durchgeführt wird. Die Anzahl der Paschs bestimmt die Anzahl der erreichten Erfolge. Einserpaschs werden abgezogen. Die Augenzahl der erzielten Paschs ist dabei nicht von Bedeutung. Die Regeln für den Kampf und den Raumkampf umfassen jeweils eine Seite. Die Regeln fallen damit wirklich minimalistisch aus.
Besonders gut fand ich die Regeln zum Actionpunkt. Dieser Punkt, der nur von einem der Spieler besessen werden kann, ermöglicht es, während des Spiels eine Aktion erheblich zu beeinflussen. Sobald der Punkt aufgewendet wurde, erhält der Spieler mit der meisten Coolness den Actionpunkt. Coolness erhält man für lustige, actionreiche und spektakuläre Aktionen. Der Actionpunkt dient also vor allem dazu, die Spieler zum coolen Rollenspiel zu animieren und die Spielgeschwindigkeit weiter zu erhöhen.
Wenn ein Abenteuer vorüber ist, würfelt man um seine Erfahrung. Je erfolgreicher diese Probe verläuft, desto größer fällt der Fortschritt für den Charakter aus. Im schlechtesten Fall kann man eine seiner Fertigkeiten steigern. Werden mehr Erfolge erzielt, bekommt man eine weitere Gabe oder darf ein Attribut steigern. Wer die Höchstzahl der möglichen Erfolge erreicht, darf alle drei Dinge auf einmal steigern. Die Idee ist ganz nett, ich persönlich wäre aber eher dafür, die Vergabe von Erfahrung an die Leistung im Spiel zu koppeln und nicht nur an das Würfelglück.
Anschließend kommen wir in den Bereich für den Spielleiter. Hier gibt es die obligatorischen Tipps zum Leiten eines Rollenspiels, die sich in der Regel darum drehen, das Regelwerk zugunsten einer coolen Story umzustoßen. Ganz brauchbar fand ich die Aufteilung in Schergen und Schurken. Erstere fallen schon mit einem Treffer um. Für die Schurken dagegen gelten die gleichen Regeln wie für die Spielercharaktere. Das erleichtert die Buchführung allgemein, und erlaubt es zudem, ohne großen Aufwand ganze Horden von Gegnern gegen die Spieler ins Feld zu führen.
Ein paar generische Gegner und ein exemplarisches Bestiarium vervollständigen den Bereich. Im Anschluss folgt ein Kapitel über Ausrüstung und Waffen. Hier findet man ein paar Abbildungen, die einem vor allem eine Vorstellung über das Aussehen der Waffen und der hier ebenfalls aufgeführten Raumschiffe vermitteln sollen.
Dann folg ein sechs Seiten langes Abenteuer mit dem schönen Titel „Traumschiff“. Das Abenteuer ist wirklich rudimentär und linear gehalten. Das Thema und die Handlung bereiten ein klassisches Thema auf; für einen Veteranen ist das Abenteuer also nicht mehr als Durchschnittskost.
Das Buch ist vollfarbig und wird durch ein paar stimmige Bilder aufgelockert. Um den Leser noch weiter zu animieren, findet sich neben etwas Werbung für den Roman „Die vergessene Schlacht“ auch das erste Kapitel einer neuen Fortsetzungegeschichte, die man auf der Homepage des Verlages weiterverfolgen kann. Am Ende gibt es noch die Charakterbögen.
Fazit: „Raumhafen Adamant“ hält genau das, was es verspricht. Es ist ein actionreiches Science-Fiction-Rollenspiel, das sich selbst nicht ganz ernst nimmt. Das Spiel besticht vor allem durch seine einfachen und leicht verständlichen Regeln, die sich einer coolen Story immer unterordnen sollen. Für Regelfuchser ist das Spiel also weniger geeignet. Auch die vom Autor geforderte atemlose Action dürfte in der hier angedachten Intensität nur sehr selten so umgesetzt werden können. Wer aber ein Rollenspiel für Zwischendurch haben möchte, das mit den coolsten Aliens aufwartet, die ich in den letzten Jahren gesehen habe, ist mit „Raumhafen Adamant“ sehr gut bedient.
Raumhafen Adamant – Das Action-Rollenspiel
Grundregelwerk
André Wiesler
Ulisses Spiele 2010
ISBN: 978-3868890570
125 S., Softcover, deutsch
Preis: EUR 19,95
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