Qin

Wenn vor ihm eine Karte mit unbesiedeltem Land liegt, erwächst im geneigten Brettspielfreund meist nur ein Gedanke: erobern, erobern, erobern. Um nichts anderes geht es auch in „Qin“. Hier kämpfen die Spieler in der Rolle verfeindeter Reiche 2000 Jahre vor unserer Zeit um die Vorherrschaft im chinesischen Hinterland.

von Bastian Ludwig

 

 

Regeln

Ein Spielbrett mit einem Raster aus Quadraten stellt das noch von keinem der großen Reiche eroberte chinesische Hinterland dar. Auf der Hand hat jeder Spieler drei Plättchen, auf denen jeweils zwei „Provinzfelder“ in einer der Farben rot, blau oder gelb darstellt sind. Jedes Provinzfeld entspricht einem der Quadrate auf dem Spielbrett. Reihum legt jeder Spieler ein Plättchen ab – und zieht wieder auf drei Handplättchen nach –, wobei jedes Plättchen an ein schon gelegtes angrenzen muss. Kommen auf diese Weise mindestens zwei gleichfarbige Provinzfelder zusammen, gründet der Spieler eine „Provinz“, die er mit einer „Pagode“, einem seiner Spielsteine, markiert.

Besteht eine Provinz aus mindestens fünf Provinzfeldern, wird sie zur „Großprovinz“ und mit einer zweiten Pagode markiert. Werden zwei Provinzen gleicher Farbe durch ein Provinzfeld ebenfalls der gleichen Farbe miteinander verbunden, entsteht eine Großprovinz, die dem Spieler gehört, dessen Provinz vor dem Zusammenschluss die größere war. Großprovinzen sind unangreifbar. Auf dem Spielfeld gibt es Dörfer, die an eine Provinz angeschlossen werden, wenn sich Dorf- und Provinzgrenze treffen, und dem Spieler eine weitere Pagode sichern. Grenzen die Provinzen verschiedener Spieler an das gleiche Dorf, gehört es demjenigen Spieler, der auf seinen angrenzenden Ländereien mehr Pagoden hat. Das Ziel des Spiels ist es, am Ende die meisten Pagoden auf dem Spielfeld zu haben.

Besprechung

„Qin“ erfüllt wohl gerade so das Mindestmaß an Regeln, die ein Spiel haben muss, um überhaupt als Spiel durchzugehen, baut auf dieser schmalen Grundlage aber eine durchaus tiefe Mechanik auf, die vom Spieler strategisches und taktisches Denken fordert.

Versucht man sich lieber an kleinen Provinzen, deren Umgebung man dann so zubaut, dass sie nicht mehr angegriffen werden können, oder geht man den etwas risikoreicheren, weil längeren Weg zur Großprovinz, die dafür dann nicht nur sicher, sondern auch für eine offensivere Strategie wertvoll ist? Und überhaupt, hält man sich lieber zurück, während sich die Mitspieler gegenseitig bekämpfen, oder stürzt man sich ebenfalls ins Getümmel? Legt man sein Plättchen nun an diese Stelle, um möglicherweise im übernächsten Zug jenes Dorf dort an die eigene Provinz anschließen zu können, oder verbaut man dem ärgsten Kontrahenten lieber erst einmal den Weg zu der Provinz, die er allem Anschein nach als nächstes erobern will?

„Qin“ ist geprägt von strategischen und taktischen Fragen, die dafür sorgen, dass gerade bei fortgeschrittenem Spiel ein Zug auch mal ein paar Minuten dauern kann. Im besten Fall plant man nämlich nicht nur die nächsten fünf Züge, die man selbst machen will, sondern stellt auch Überlegungen darüber an, wie sich die Mitspieler in dieser Zeit wohl verhalten werden. Wer nicht versucht, den Fortgang des Spiels vorauszuahnen, kann schnell ins Hintertreffen geraten, denn eine eben noch ausgeglichene Partie „Qin“ kann vom einen Zug auf den anderen zugunsten eines Spielers kippen. Das liegt in erster Linie daran, dass Großprovinzen nicht mehr angegriffen werden können. Hat sich ein Spieler ein oder zwei solcher Provinzen an einer zentralen Stelle des Spielbrettes aufgebaut, kann er von dort aus gut das umliegende Land kontrollieren. Man muss also immer auf der Hut sein.

Zusätzliche taktische Tiefe erhält „Qin“ durch die Tatsache, dass man auch Züge machen kann, von denen man selbst nicht betroffen ist. Man kann zum Beispiel die Provinz des einen Mitspielers an die Großprovinz des anderen Mitspielers anschließen, ohne dass einer der beiden etwas dagegen tun könnte. Punkte bekommt man dafür zwar keine, doch man hat so die Möglichkeit, das Machtgefüge auf dem Spielfeld – und den Punktestand – zu verschieben und die Mitspieler vielleicht zu bestimmten Reaktionen zu zwingen.

Grundsätzlich ist „Qin“ also ein Spiel für Strategen und Taktiker und auf dieser Ebene funktioniert es auch recht gut, allerdings gibt es ein Spielelement, das die gesamte Mechanik in gewisser Weise konterkariert: das Nachziehen der Provinzplättchen. Dabei schlägt dann nämlich das Glücksmoment voll zu und schränkt die Optionen des Spielers mit einem Mal massiv ein. Man kann nämlich den schönsten Plan haben, die besten Voraussetzungen für einen gelungenen Zug, wenn man nicht die richtigen Plättchen auf der Hand hat, ist das alles umsonst. Und zu allem Übel weiß man auch nie, wie die Plättchen der Mitspieler aussehen, was es natürlich deutlich erschwert, deren nächste Züge vorauszusehen.

Das Spielmaterial von „Qin“ ist ausgezeichnet verarbeitet, wie man es von Pegasus gewohnt ist. Die Illustrationen reißen zwar keine Bäume aus, chinesisches Hinterland samt Dörfern, verschiedene Gebäude im asiatischen Baustil und exotische Versatzstücke wie Schriftzeichen oder Drachen sorgen aber für das richtige Chinaflair. Auffällig ist allenfalls, dass man sich für die Pagoden die Mühe gemacht hat, eigene Spielsteine zu entwerfen, obwohl auf den ersten Blick auch jegliche 08/15-Steine gereicht hätten. Auf den zweiten Blick ist es aber ungemein nützlich, dass sich die Pagodensteine aufeinanderstapeln lassen, stellt man die zwei Pagoden, die auf eine Großprovinz gehören, nämlich nebeneinander, lässt sich im späteren Spielverlauf nur schwer unterscheiden, ob die Pagoden auf einer oder auf zwei nebeneinanderliegenden Provinzen stehen. Eine kluge Designentscheidung im Sinne der Übersichtlichkeit also.

Fazit: „Qin“ ist ein kleines, feines Spiel, schnell erklärt und schnell gespielt, aber doch vielschichtig. Ein Titel, der in hohem Maße auf Strategie und Taktik setzt, dessen Mechanik aber auch auf einem großen Glücksmoment fußt. Es ist kein Spiel für stundenlange Spielesessions, aber für die gelegentliche Partie zwischendurch bestens geeignet.


Qin
Brettspiel für 2 bis 4 Spieler ab 8 Jahren
Reiner Knizia
Pegasus Spiele 2012
EAN: 4250231704482
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 29,95

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