Prador Mond

Das Polis-Kollektiv verkörpert den Gipfel der raumfahrenden Menschheit. Geprägt durch die Wissenschaft, reicht sein Einfluss von Earth Central bis in die Tiefen der Galaxis. Doch eines Tages trifft die Polis auf außerirdisches Leben in Gestalt feindseliger, krabbenähnlicher Karnivoren, die als Prador bekannt werden. Und die wollen von den Menschen nur das eine: ihr saftiges Fleisch!

von Frank Stein

Das Ganze beginnt als scheinbar harmloser, diplomatischer Erstkontakt. Nachdem man schon vor einer ganzen Weile das Zweite Königreich der Prador – eine Verballhornung von „Predator“, der Name wird den Fremden natürlich von der Menschheit gegeben – entdeckt hat, soll nun auf der Station Avalon ein erster Dialog stattfinden. Der lautet dann ungefähr so: Pradorsprecher: „Ich nehme zwei Lendchen, ein Hüftsteak und etwas Brust – von eurem Chefdiplomaten.“ Chefdiplomat: „Oh! Ah! Argl!“ Danach herrscht Krieg zwischen den beiden Völkern.

Mitten drin befinden sich insgesamt fünf Gestalten: der Agent der Earth Central Security Jebel Krong, der zum Kriegsheld werden soll, Moria, die Runcibletechnikerin mit der experimentellen Mensch-Computer-Schnittstelle (Runcibles sind so etwas wie Stargates, nur in groß und von den KI gesteuert, die auch die Polis regieren), Tomalon, der einen neuen Job als vernetzter Pilot des größten Schlachtschiffs der Polis antritt, Conlan, ein Psychpath und Separatist, der die KI hasst und den Prador helfen will, und schließlich Immanenz, ein erwachsener Prador, der sozusagen die Speerspitze der Angriffsflotte darstellt und von sich selbst seltsamerweise auch als Prador denkt. Ihrem Schicksal folgen wir, während sich der Krieg entwickelt und zu einem zeitweiligen Höhepunkt gelangt.

„Prador Mond“ ist dramaturgisch ein etwas seltsames Buch. Es hat 285 Seiten, wovon gute 100 Seiten praktisch die erste Konfrontation der Prador mit den Menschen an der Station Avalon beschreiben. Danach folgen zwei, drei Szenen Mittelteil, die schlaglichtartig vom Krieg erzählen, deren zeitliche und räumliche Einordnung aber nicht immer ganz klar ist. Ab Seite 120 etwa wird dann schon die finale Konfronation eingeleitet, die ab Seite 180 zunehmend Fahrt aufnimmt. Das Ganze gipfelt im Kampf um das Trajeen- und das Boh-Runcible. Danach ist der Roman vorbei. Eine Schlacht ist geschlagen. Über den Verlauf und das Ende des Krieges wird kein Wort verloren. Auch ist nicht klar, ob das Buch als erster Band einer Reihe gedacht ist, die vom Krieg der Prador gegen die Menschen erzählt, oder nicht. Angedeutet wird eine Fortsetzung jedenfalls nicht.

So haben wir es hier mit einem Roman zu tun, der von einem galaktischen Krieg zu erzählen versucht, ohne die nötige epische Breite zu besitzen, um solch ein Schlachtenpanorama zu entfalten – das ist auf 285 Seiten auch gar nicht möglich. Doch er wählt auch nicht den Ansatz der intensiv persönlichen Kriegserfahrung, bei der wir dem Schicksal eines traurigen Helden folgen. Stattdessen gibt es fünf Handlungsstränge, die dem Leser wenig Zeit lassen, den Figuren nahe zu kommen – zumal Asher immer wieder Szenen mit Komparsen einschiebt, die den Figuren von außen begegnen. Mehr als grob gezeichnete Charaktere entstehen dabei nicht. Wenn also das epische Schlachtengemälde und das persönliche Kriegsdrama beide fehlen, könnte im Grunde nur die spannende Entwicklung einer Entscheidungsschlacht oder eines dramatischen Einsatzes das Thema sein. Doch durch die ausgedehnte Anfangssequenz, den zerfaserten Mittelteil und das zugegeben dichte, wenn auch willkürlich gewählte Ende, versagt der Roman auch darin.

Doch wenngleich die Geschichte als Ganzes irgendwie fragmentarisch wirkt, so als würde die Hälfte fehlen, entwickelt sie in den eigentlichen Szenen durchaus ihre Bannwirkung. Natürlich lässt sich nicht verhehlen, dass Asher sich hier vor allem mit Schockwerten über Wasser hält. Seine Prador-Krabben sind einfach eklige Sadisten. Ihre von Mord und Heimtücke geprägte Gesellschaftsform lässt einen fragen, wie sie es überhaupt zu den Sternen geschafft haben. Die Menschen sind für sie einfach Sklaven und Futter – und bieten ihnen hübsche neue Planeten zum Besiedeln. Es handelt sich um Monster in Reinkultur, und Asher wird nicht müde, Horror-Szenen von Zerfleischung, Fressen und Gefressenwerden zu beschreiben, die selbst den Film „Starship Troopers“ wie Ringelpiez mit Anfassen erscheinen lassen. Keine Frage, dass man mit der gequälten Menschheit zittert und sich über jeden noch so kleinen Sieg freut. Auch in den Actionsequenzen geht er schön nah dran und lässt uns als embedded author Dreck, Granatensplitter und Eingeweide um die Ohren fliegen.

Grundsätzlich spannend ist das Konzept einer Menschheit, die von den KI beherrscht wird. Das hat Asher allerdings nicht für „Prador Mond“ entwickelt, sondern für „Der Drache von Samarkand“, den Beginn eines – wie es in seiner Vita heißt – „lockeren Romanzyklus um die ECS-Agenten in einem Universum, das mit düsteren Farben gezeichnet ist.“ Wie viele dieser Bände vor „Prador Mond“ angesiedelt sind und inwiefern sie dazu in Beziehung stehen, wird leider nicht deutlich gemacht (was in meinen Augen gleichermaßen das Versäumnis des Autors wie auch der deutschen Verlagsredaktion ist).

Fazit: „Prador Mond“ enthält viele spannende Gedanken und Szenen und bietet technischen „sense of wonder“, gepaart mit dem Grauen einer B-Movie-Alien-Invasion übelster Sorte. Das alles macht den Roman durchaus lesenswert. Allerdings verliert er auf dramaturgischer Seite. Einer langen Exposition folgt ein Fragment von Mittelteil, bevor es gleich zum willkürlich gewählten Finale weitergeht. Die Zeitabläufe der Szenen zu rekonstruieren, habe ich lieber gar nicht versucht. Man hat das Gefühl, dass Asher viel Spaß am jeweiligen Punkt seiner Erzählung hatte, aber entweder zu wenig Zeit oder zu wenig Platz, um aus den Einzelteilen ein rundes Ganzes zu schmieden. So bleibt der Roman in meinen Augen hinter seinen Möglichkeiten zurück. Für Fans blutiger Alien-Stories zum Preis von knapp sieben Euro trotzdem zu empfehlen.


Prador Mond
Science-Fiction-Roman
Neal Asher
Bastei Lübbe 2011
ISBN: 978-3-404-23352-6
285 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 6,99

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