Powers 1 – Wer ermordete Retro Girl?

Ein harter Cop, seine taffe Partnerin, ein Mord – so weit nichts anderes als Krimistandards. Doch wenn auch noch Superhelden und -schurken mit mächtigen Kräften die Szenerie bevölkern, kommt Schwung in die Angelegenheit. Willkommen bei „Powers“.

von Bastian Ludwig

 

Inhalt

Retro Girl wurde ermordet. Die beliebte Superheldin liegt erschossen auf einem Schulhof. Wie konnte das angesichts ihrer überragenden Kräfte passieren? Und vor allem, wer kann es gewesen sein? Detective Christian Walker und seine neue Partnerin Deena Pilgrim vom Morddezernat nehmen die Ermittlungen auf. Dabei dringen sie tief in die Superhelden und -schurkenszene der Stadt ein und Pilgrim muss feststellen, dass ihr Kollege unter den Capeträgern kein Unbekannter ist.

Besprechung

„Powers“ startete als monatliche Serie im Jahr 2000 und läuft bis heute. „Wer ermordete Retro Girl?“ beinhaltet den ersten Handlungsbogen, der sich über sechs Einzelhefte erstreckt. Die Reihe ist angelegt als Hybrid aus Cop-Thriller und Superheldengeschichte. Von Ersterem nimmt sie die Ermittlerfiguren, die Atmosphäre und den Handlungsverlauf, von Letzterer das Figurenensemble und die „Gesellschaftsordnung“ der Superhelden- und Superschurkengemeinde.

In diesem Rahmen erzählt Comic-Star Brian Michael Bendis einen Ermittlerplot, der keine merklichen Aussetzer hat, auch wenn hier und da der Zufall eine zu große Rolle spielt, der allerdings auch keine Bäume ausreißt. Nach einer kurzen Einführung der Hauptfigur wird auch schon Retro Girl tot aufgefunden, es gibt eine Menge Befragungen, ein paar Actionszenen und Charaktermomente, die die Vergangenheit der Ermittler beleuchten, irgendwann wird der Übeltäter geschnappt. Ende. So weit Dienst nach Vorschrift.

Die Verortung im Superhelden-Genre ist natürlich das, woraus „Powers“ seinen Mehrwert zieht. Und diese ist gut gelungen, besonders weil das Superheldenuniversum, wie es hier dargestellt ist, eher an die zynische, desillusionierte Welt von „Watchmen“ erinnert, denn an die im Verhältnis dazu naiv-bunten Abenteuer von Marvel oder DC. Schon in diesem ersten Band wird klar, dass bei „Powers“ eine Zuordnung von Figuren zur Gruppe der Superhelden oder zu der der Superschurken oft schwierig, in manchen Fällen auch nur eine Frage der persönlichen Sichtweise ist.

Dazu kommt das grundsätzliche Dilemma, dem sich unsere Helden sicherlich auch in den folgenden Geschichten noch gegenübersehen werden: Wie kann man als einfacher Bulle von der Straße für Recht und Ordnung in einer Gesellschaftsgruppe sorgen, die einem ob ihrer Fähigkeiten bei Weitem überlegen ist und die sich deswegen letzten Endes an gar keine Regeln, außer ihren eigenen halten müsste?

Mit Deena Pilgrim hat Bendis eine starke Frauenfigur gestaltet, Christian Walker wiederum ist der typische mürrische Ermittler mit harter Schale und weichem Kern. Durch ihre Verbindung zur Superheldenwelt bekommt die Figur aber noch eine zusätzliche Ebene verpasst, die ihr sehr gut. Die Geheimnisse, die in „Wer ermordete Retro Girl?“ über Walker enthüllt werden, machen Lust, mehr über die Hintergründe dieses Charakters zu erfahren. Sehr angenehm ist, dass Bendis es sich verkneift, in der Klischeekiste zu kramen und Walker und Pilgrim zu Partnern wider Willen zu machen, die sich erst nicht leiden können, im Laufe ihrer gemeinsamen Arbeit aber erst Respekt, dann Freundschaft zueinander entwickeln. Auch zwischen unseren beiden Helden gibt es Konflikte, aber die sind deutlich plausibler erklärt als durch ein einfaches „Sie sind halt völlig unterschiedliche Typen.“.

Der Zeichenstil von Michael Avon Oeming erinnert an die Zeichentrickserie „Batman Animated“, Christian Walker könnte auch der Bruder von deren Bruce-Wayne-Version sein. Stilistisch orientiert sich Oeming ganz klar an den Mitteln des film noir: nahe Einstellungsgrößen, starke Schwarz-Weiß-Kontraste und eine eher statische Seitenaufteilung sorgen für passende Krimi-Atmosphäre.

Fazit: Egal ob Figuren, Atmosphäre oder Setting, „Powers“ hat auf allen Ebenen Potenzial für viele spannende Polizei-Abenteuer, und „Wer ermordete Retro Girl?“ ist ein gelungener, wenn auch nicht bahnbrechender Auftakt der Reihe.


Powers 1 – Wer ermordete Retro Girl?
Comic
Brian Michael Bendis und Michael Avon Oeming
Panini Comcis 2012
ISBN: 978-3-862013-01-2
208 S., Softcover, deutsch
Preis EUR 19,95

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