Player’s Handbook Races: Dragonborn (v.4.0)

Vor Jahrtausenden erschuf der erste der Drachen, Io, das Volk der Drachengeborenen. Mit dem Tode Ios, und der gleichzeitigen Geburt der ungleichen Drachengötter Bahamut und Tiamat, tritt dieses Volk ein schweres Erbe an. Versprengt in kleine Lager, trachten die heutigen Drachengeborenen danach, ihrer einst glorreichen Zivilisation neues Leben einzuhauchen. – Willkommen beim ersten Völkererweiterungsband zum „Player’s Handbook“ für „Dungeons & Dragons“!

von Stefan Koller

 

Mit „Player’s Handbook Races: Dragonborn“ geht der Verlag Wizards of the Coast neue Wege. Erstmals versucht der Verlag sich an einem kleineren Format von einem 30-seitigen Softcover-Büchlein, und erstmals erscheint eine Erweiterung zur 4. Edition von „Dungeons & Dragons“, die nicht klassen- sondern völkerorientiert ist. Als eines der bei der 4. Edition „neuen“ drei Völker, die im ersten „Player’s Handbook“ vorgestellt wurden, fiel die natürliche Wahl auf die Drachengeborenen – Folgebände zu den anderen beiden neuen Völkern, den Tieflingen und Eladrin, sind bereits in Vorbereitung.

Kurz vorweg worum es sich bei diesem Volk überhaupt handelt. Drachengeborene sind eine Art humanoide Drachen, die aufrecht auf zwei Beinen gehen, ohne Flügel auskommen müssen, dafür aber die gefährliche Odemwaffe ihrer größeren Verwandten ihr Eigen nennen. Konzipiert wurde die Rasse auch als besonders ehrenhaft, tapfer, und selbstlos, als Kämpfer, die einen strikten Verhaltenskodex befolgen – quasi die Klingonen der „D&D“-Fantasywelt – und die damit für die Klasse des Paladins prädestiniert sind. Ursprünglich erschaffen vom Drachenvater Io, verehrt das Gros der Drachengeborenen heutzutage den edelmütigen Drachengott Bahamut.

Damit sind auch schon die zwei Eckdaten des (der Rezension zugrunde liegenden) Bandes genannt – der thematische Schwerpunkt liegt auf der weiteren Gestaltung des Volkes anhand der für das Volk typischen Merkmale, wie der Bevorzugung der Paladinklasse und der Veehrung Bahamuts. Der Band wird über eine dreiseitige Kurzgeschichte eingeleitet, deren Protagonist ein solcher typischer Vertreter ist und im Rahmen seiner Heldengruppe einen alten Drachentempel erforscht. Die Geschichte aus der Hand des Autors James Wyatt ist sehr gelungen und eine tolle Einstimmung auf das Buch selbst.

Bevor wir näher zum (Folge-)Inhalt kommen, noch zwei Sätze zur äußeren Produktaufmachung. Der Band ist 32 Seiten lang, durchgehend farbig, und hochwertig gedruckt was Auflösung und Schärfe betrifft. Der Einband besteht aus relativ dicker Pappe, was dem Band eine erhöhte Lebensdauer versprechen wird; als Vergleichswert mögen die (ähnlich hochwertig produzierten) „Pathfinder“-Module und -Companions dienen, die übrigens auch thematisch eine gute Parallele abgeben (wie etwa „Gnomes of Golarion“ als völkerspezifischer Erweiterungsband).

Damit zurück zum Inhalt des Buches. Nach der schon erwähnten Kurzgeschichte folgen zwei Rubriken zum Schöpfungsmythos des Volkes. Dieser erwähnt Io, Bahamut, und Tiamat, und stellt klar, dass sich jeder (Spieler eines) Drachengeborene(n) letztlich auch zwischen einer der letzteren beiden Gottheiten entscheiden muss. Außerdem gibt es einen historischen Abriss zur untergegangenen Zivilisation des Volkes, Arkhosia. Diese Rubriken sind jeweils zwei Seiten lang, äußerst informativ und unterhaltsam. Auch der Ehrbegriff des Volkes wird erstmals näher erläutert. Damit geht der Band über, das Clan- beziehungsweise Familienbewusstsein der Drachengeborenen zu schildern, und skizziert auch gleich brauchbare Charakterhintergründe für Spielercharaktere.

Die nächsten vier Rubriken (Seite 10-21) gehen auf klassenspezifische Drachengeborene ein, je nach Kraftquelle ihrer Mächte: arkan, göttlich, martialisch, und primal. Auf jeweils drei Seiten bekommt der Spieler klassenspezifische Hintergründe geliefert (wie etwa zum Swordmage und Bard), die größtenteils gut durchdacht und stimmig beschrieben sind, sowie einen Legendären Pfad (engl. „Paragon Path“). Wie die anschließenden vier Seiten neuer Talente für Drachengeborenen liegt der Schwerpunkt der neuen (durch Legendäre Pfade gewonnenen) Fähigkeiten hier darauf, bestehende Volkseigenschaften der Drachengeborenen, wie ihre Odemwaffe, zu erweitern und spezifizieren. Sehr gut wissen hier die Kombinationen mit einzelnen Klassenfertigkeiten wie der „Divine Challenge“ des Paladins oder dem „Marking“ des Kämpfers zu gefallen.

Danach folgen drei Seiten magische Gegenstände, von denen die Hälfte von einem (in „Adventurer’s Vault 2“ erstmals vorgestellten) Gegenstände-Set namens „Silver Dragon Regalia“ eingenommen werden; während mir letzteres inhaltlich sehr gefällt, wage ich zu bezweifeln, dass viele Spielergruppen die Voraussetzungen des Sets erfüllen werden: Alle SC müssten Drachengeborene sein, um in den vollen Genuss des Sets zu kommen.

Der Band wird schließlich von drei Seiten zu Questen und einer epischen Bestimmung beschlossen. Hier liegt der Schwerpunkt weniger auf Spielmechanik – wenngleich die epische Bestimmung hier zu punkten weiß, indem sie dem Drachengeborenen Drachenflügel verleiht – sondern (fast) ausschließlich auf dem Rollenspiel eines Drachengeborenen. Dieser Aspekt wird auch dadurch unterstützt, dass sich quer über den Band so genannte „Sidebars“ finden, die kleinere Rubriken zur Unterstützung des Rollenspiels enthalten. So erfährt man etwa über die Geburtsriten und die Namensgebung von drachengeborenen Kindern (hier wird die Namensliste aus dem „Player’s Handbook 1“ gehörig erweitert), oder über für das Volk typischen Redewendungen, die man am Spieltisch einbringen kann (letzteres besser nicht inflationär).

Bewertung

Ich sage es gleich vorweg: Ich bin kein Freund von Drachengeborenen als Spielervolk. Auch war ich von der Rekonzeptualisierung des Volkes im Zuge der 4. Edition als Quasi-Klingonen nicht angetan, und von der Vorgänger-Konzeptualisierung (in „Races of Dragon“) weit überzeugter. Aber dennoch konnte mich dieser Band begeistern. Endlich versucht der Verlag, dieses Volk näher zu beleuchten, und ihm ein stärker ausgeprägtes Profil zu geben, gerade was dessen Innenleben und Verhaltensweisen betrifft. Anstatt lieblos Regelmaterial herunterzuleiern, wie wir das von den so genannten „Power“-Ergänzungsbänden gewohnt sind, liegt hier der Schwerpunkt auf Rollenspiel und Hintergrundwissen. Von der ersten Seite (einer Kurzgeschichte) bis zur letzten (einer auf Io zugeschnittenen epischen Bestimmung) schafft es der Band, die Drachengeborenen zum Leben zu erwecken, ihren mythologischen und historischen Hintergrund zu verdeutlichen.

Damit ist der Band nicht allein für Spieler von Drachengeborenen wertvoll, sondern für jeden Spielleiter, der diesem Volk einen gut durchdachten Platz in der hauseigenen Kampagnenwelt zuweisen möchte. Persönlich halte ich bei gängigen Kampagnen weiter daran fest, Drachengeborene eher für Nichtspielercharaktere zu reservieren, und diese nur im Rahmen monströser SC-Gruppen (wie vormals im Sinne des Buches „Savage Species“) zuzulassen. Ein guter Teil der Information im Band ist auch unabhängig von der Wahl eines Drachengeborenen zur eigenen SC-Wahl wertvoll – Spieler von Paladinen etwa bekommen hier einen guten Einblick in den für die Klasse bezeichnenden Ehrenkodex –, und wieder andere Teile sind auch nutzbar, wenn man Drachengeborene weniger als Verehrer Bahamuts und mehr als Verehrer Tiamats beziehungsweise Thakisis‘ versteht, also als Drakonier im Sinne des „Drachenlanze“-Settings. Auf letztere Möglichkeit geht der Band auch punktuell ein (Seite 5).

Darüber hinaus erfüllt der Band natürlich seine vorgesehene Funktion, und gibt Spielern, die immer schon einen Drachengeborenen spielen wollten oder dies bereits tun, eine schön selektierte Palette neuer Möglichkeiten in die Hand. Gerade die Aufwertung bestehender Klassenfertigkeiten über Volkseigenschaften wissen hier zu überzeugen.

Fazit: Ein gelungener Einstieg in die neue Serie der volksspezifischen Erweiterungsbände. Hochwertig produziert und inhaltlich wertvoll, lege ich das Buch Spielern und Spielleitern unabhängig davon nahe, ob sie einen (Nicht)Spielercharakter des Volkes spielen möchten. Aktive und potenzielle Spieler von Drachengeborenen hingegen sollten sich den Band absolut zulegen, und werden ihre helle Freude daran haben.


Player’s Handbook Races: Dragonborn
Quellenbuch
James Wyatt
Wizards of the Coast 2010
ISBN: 978-0-7869-5386-8
32 S., Softcover, englisch
Preis: $ 9,95

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