Orkensturm

Im Jahre 1010 nach Bosparans Fall ist Kaiser Hal verschwunden. Während Prinz Brin sich auf die Suche nach seinem Vater macht, schwingt sich der mächtige Answin von Rabenmund in der Hauptstadt auf den Thron. Als auch noch die Orks zu Tausenden ins Mittelreich einfallen, muss Prinz Brin wider die Horden ziehen, um sein Land zu schützen. Im Brettspiel können die Spieler sich auf die Seite Answins oder Brins schlagen und in der Hauptstadt um Macht und Ansehen ringen. Der Einfluss der Spieler entscheidet schließlich, wer siegt und ob den Orks standgehalten werden kann.

von Ansgar Imme

Mit „Orkensturm“ veröffentlicht Ulisses Spiele nach einigem zeitlichen Abstand mal wieder ein Brettspiel als Ergänzung zum Rollenspiel „Das Schwarze Auge“, in dem vor allem aventurische Geschichte in taktischer Hinsicht erlebbar sein soll. Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine Eigenentwicklung, sondern um eine aventurisierte und entsprechend von Begriffen und Hintergrund angepasste Form des Originals „Richard I.“, in dem es um die Abwesenheit Richard Löwenherz vom englischen Thron und die Usurpation durch John Ohneland geht. Ganz ähnlich ist es im Mittelreich, als Prinz Brin gegen die Orks ziehen muss und Answin von Rabenmund sich auf den Thron des Mittelreichs schwingt. Die Spieler müssen als Berater eine der beiden Parteien ergreifen, Einflusskarten sammeln und damit den Kampf Brins gegen die Orks unterstützen oder sabotieren. Der Verlauf des Orkensturms ist dabei entscheidend für spätere Punktevergaben.

„Orkensturm“ ist ein Strategiespiel für 3 bis 8 Spieler, wobei erst mit höherer Spieleranzahl die taktischen Überlegungen an Wert gewinnen. Das Spiel dauert etwa 60 bis 90 Minuten und ist für Spieler ab 14 Jahren geeignet. Die Spieler sind Berater für Answin oder Brin und versuchen, Entscheidungen für die eine oder andere Seite voranzutreiben und positiv zu beeinflussen. Wer am Ende die meisten Ansehenspunkte gesammelt hat, gewinnt das Spiel. In der Box sind neben einem großen Spielbrett ein kleines Ergänzungsbrett für Auszählungen von Karten, die farbige Spielanleitung, ca. 200 Spielkarten sowie für jeden Spieler zwei Spielfiguren und 4 Zählsteine enthalten.  

Das Spielbrett enthält (kreisförmig) verschiedene Zählerleisten, die Ansehenspunkte der Spieler, die Stärke der Truppen des Mittelreichs sowie der Orks, den Inhalt der königlichen Schatzkammer und die verbleibende Zeit bis zur Rückkehr Prinz Brins in die Hauptstadt wiedergeben. Dazu gibt es im Inneren der Zählkreise acht verschiedene Charaktere (Kaufherr, Regent, Magierin etc.), mit deren Einsatz die Spieler Karten wie auch Ansehenspunkte bekommen können. Der Spieplan enthält außerdem den Vorratsstapel und den Reservestapel für verschiedenfarbige Einflusskarten (Handel, Vermögen, Zeit, Bündnisse, Truppen des Mittelreichs, Truppen der Orks), die Beraterkarten für Brin und Answin sowie weitere Ereigniskarten.

Zu Spielbeginn wird ein Startspieler bestimmt und der Vorratsstapel aus jeweils 12 Einflusskarten pro Bereich gemischt. Jeder Spieler erhält daraus 6 zufällige Karten (bei 5 bis 8 Spielern 7 Karten). Die Spieler müssen sich nun – mit dem Startspieler beginnend – für eine der beiden Seiten (Answin, Brin) entscheiden und die entsprechende Karte ziehen, wobei gleichermaßen Karten vorhanden sind. Dazu erhält jeder Spieler eine Beraterkarte seiner Fraktion. Zuletzt werde die Zählsteine auf ihre Leisten gesetzt und der „Orkensturm“-Stapel aus verschiedenen Karten zusammengestellt, der von der Anzahl der Spieler und deren Fraktionen abhängt.
 
Eine Spielparte von „Orkensturm“ findet in Spielzügen statt, die jeweils wieder in einzelnen Schritten abgehandelt werden. Sofern mit den optionalen Ereigniskarten gespielt wird, wird eine davon vorab gezogen und gilt für das Ergebnis des späteren Orkensturms. Im ersten Schritt platzieren die Spieler, mit dem Startspieler beginnend, ihre Spielfigur auf einem freien Charakterfeld, wobei nicht das Feld aus der Vorrunde genutzt werden kann. Als zweites wird eine der zwei Aktionen ausgeführt, die der jeweilige Charakter bietet, den man gewählt hat. Hier kann man Einflusskarten gewinnen und/oder Ansehenspunkte bekommen. Zum Teil geschieht dies auch in Interaktion mit den anderen Spielern (in Form von Kartenvergleichen einer bestimmten Sorte, wobei man verdeckt die Anzahl der Karten auswählt). Im Folgenden legt jeder Spieler in der dritten Phase zwei seiner Handkarten (Einflusskarten) verdeckt in den Orkensturmstapel. Nur wenn man nicht genügend Karten besitzt, muss man sich nicht oder nur mit einer Karte beteiligen, erhält aber einen Abzug von einem Ansehenspunkt je fehlender Karte. Im vierten und abschließenden Schritt wird der Ausgang des Orkensturms für diesen Spielzug ermittelt, wobei so viele Karten aufgedeckt werden wie es der doppelten Anzahl der Spieler entspricht. Die aufgedeckten Karten beeinflussen die Handlung bzw. Zählkreise. Die Differenz der Truppen Brins und der Orks wird dem jeweiligen Verlierer abgezogen. Der Vergleich aus Karten von Handel und Zeit führt zum Senken oder Erhöhen der Zeitleiste um einen Punkt (keine Differenzberechnung) und beeinflussen also Brins Rückkehr. Beim Vermögen und Bündnissen geht es dagegen wiederum um die Differenz, die den Wert der Schatzkammer erhöht oder senkt. Zudem wird schließlich die Zeitleiste (ohne Karteneinfluss) um einen weiteren Punkt herabgesetzt. Beim Nutzen der Ereigniskarten wird das Ergebnis daraus noch abgehandelt (Bsp. Bei Sieg Brins zusätzlicher Verlust beim Orkheer). Im letzten kurzen Schritt werden die ausgelegten Karten aus dem Orkensturm in die Reserve zurückgelegt.

Das Spiel kann jederzeit am Ende eines Spielzuges enden, wobei vier unterschiedliche Siegbedingungen möglich sind: Die Truppen des Mittelreichs oder der Orks fallen auf Null, die Kaiserliche Schatzkammer ist leer (= 0), oder die Zeitleiste ist bei 0 angekommen. Je nach stattgefundener Siegbedingung gibt es noch Bonuspunkte für die Spieler der Seite Answins oder Brins.

Kritik

„Orkensturm“ stellt ein relativ schnell erlernbares Taktikspiel dar, welches eine Mischung aus einfacher Ressourcenverwaltung (in Form der Einflusskarten) und Bieter- bzw. Setzverfahren (der Schritt Orkensturm) in sich vereinigt. Die Regelelemente bleiben dabei durch die kurzen Spielzüge nach wenigen Wiederholungen prägnant im Gedächtnis hängen. Auch die Bilderanleitungen unter den Charakteren auf dem Spielbrett sind alle nach einem System vereinheitlicht und nach einem Durchlauf selbsterklärend. Damit kann die Spielanleitung sehr schnell beiseite gelegt werden, womit man kein Nachschlagen benötigt, was den Spielablauf bei anderen Spielen oft verlangsamt. Damit einher geht allerdings eine fehlende Tiefe der taktischen Elemente oder längerer Planungen, wie beispielsweise bei „Battlestar Galactica“ oder „Der Eiserne Thron“, was aber im Gegensatz zu diesen das Spieltempo beschleunigt und zu geringen Wartezeiten für die anderen Spieler sorgt.

Positiv hervorzuheben ist weiterhin die Mischung aus Zusammenarbeit und Einzelinteressen: Einerseits will man selbst seine Ansehenspunkte steigern, andererseits muss man mit den Mitspielern seiner Fraktion dafür sorgen, dass die eigene Seite vorteilhaft abschneidet, da man sonst schnell Boden auf die Spieler der anderen Fraktion verliert. Die Zusammenarbeit hätte man dabei aber vielleicht noch etwas verstärken können, da in der Phase Orkensturm doch viel Glück dabei ist, was die anderen abwerfen und was auch noch an Karten gezogen wird. Generell ist die Interaktion im Spiel leider gering, da jeder Spieler seine Aktion(en) für sich durchführt (und höchstens durch das Besetzen eines Charakters anderen Spielern diese Ressourcen in einer Runde „verweigern“ kann). Nur in der Phase Orkensturm erfolgt ein Hauch von Interaktion durch das Zusammenlegen der Karten. Ein Spieler der Testrunde drückte es humorvoll aus: „Interaktion? Ah ja, kannst du mal meine Spielfigur setzen?“ Die optionalen Ereigniskarten sollte man zudem nicht als optional betrachten, sondern auf jeden Fall nutzen, da diese das Spiel dynamischer machen, die Taktik etwas vertiefen und die Spieler mehr zum Nachdenken anregen, welche Karten sie für den Orkensturm ablegen, da sich sonst ein zusätzlicher Malus für sie ergeben kann.

Die Aventurisierung des Spiels „Richard I.“ ist recht gut gelungen. Das Cover der Box wurde explizit an Persönlichkeiten aus der Welt des „Schwarzen Auges“ angelehnt, und auch das Spielbrett wie auch die Anleitung wurden mit passenden Illustrationen versehen. Ebenso wurde der Hintergrund wie auch die beschreibenden Texte dazu passend ausgewählt – allerdings hätte man bei dem Titel „Orkensturm“ vermutlich weniger ein Taktikspiel mit Bieten und Karten sammeln vermutet, sondern eher etwas um Kämpfe von Armeen. Leider hat die Aventurisierung vor dem Material in Form der Spielfiguren und Zählmarker Halt gemacht, die als günstige Standardware im Spielwarenhandel zu bekommen sind und auch schon in anderen Spielen beilagen. Natürlich muss der recht kleine Ulisses Verlag hier ein wenig auf die Kosten achten und wird das Spiel sicherlich nicht in der Auflage wie ein Kosmos Verlag produzieren. Schön wäre es trotzdem gewesen, wenn es wenigstens Figuren aus dem Bereich der Fantasy gewesen wären. Dazu hätte man einen Nachteil des Originalspiels noch schnell ausgleichen können: Es fehlen kleine Karten mit Beschreibungen der eigenen Möglichkeiten und Zuordnung der Spielfarbe.

Fazit: Wer ein schnell erlernbares Spiel mit leichten Taktikelementen sucht, das aber auch nicht zu schnell vorbei ist, wird hier fündig. Neben den einfach zu erlernenden Regeln glänzt das Spiel durch schöne aventurische Illustrationen und ein attraktives Spielbrett. Liebhaber umfangreicher Strategien und hoher Interaktion zwischen den Spielern werden hier nur begrenzt glücklich. Für alle anderen  ein klarer Kauf, um einen Herbstabend für mehr als eine Stunde in einer anderen Welt zu verbringen.

Ein Dank an meine Spieletester Tanja, Balthasar, Christian und Ulrich.


Orkensturm
Brettspiel für 3 bis 8 Spieler ab 14 Jahren
Andrea Chiarvesio
Ulisses Spiele 2015
ISBN: 4260091156376
Sprache: Deutsch
Preis: EUR 34,95

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