Open Grave – Secrets of the Undead (v.4.0)

Furchtsam munkelt man von einem unheimlichen Buch, das einst von Nekromanten erschaffen ward und zwischen dessen Buchdeckeln Grauen erregendes Wissen über die abscheuliche Menagerie untoter Schrecken auf den Leser warten – Wissen über Geschöpfe, welche die dunkelsten Ecken unserer Welt behausen. Dieses Buch trägt den Namen „Open Grave“, und auf Wegen, die ein Sterblicher nicht gehen sollte, ist es in meine Hände gefallen.

von Jakob Schwarz

 

Das Verderben blickt mich von den festen Buchdeckeln des 224 Seiten dicken Bandes an, ein allen Göttern spottender Leichnam, aus dessen leerer, linker Augenhöhle arkane Magie dampft. Ich erkenne ihn nur undeutlich, denn sein Abbild ist matt und dunkel. Doch wer sich näher beugt und genau hinschaut, dem läuft ein Schauer über den Rücken, und er ahnt, was auf ihn zukommen wird, wenn er das Buch aufschlägt.

In vier großen Kapiteln haben sich die Schöpfer dieses düsteren Werks dem Unleben all jener grausigen Kreaturen gewidmet, die ein Mensch niemals zu treffen hofft, will er sich seine geistige Gesundheit bewahren.

Das erste Kapitel belehrt über das Wesen Untoter. Wer mutigen Herzens ist, kann hier einiges über die verschiedenen Ursprünge untoter Kreaturen erfahren. Auch die Folgen, die das Nichtleben auf Körper und Geist haben, werden vor Augen geführt. Wie sieht eine korrumpierte Seele die Welt um sich herum? Und welch blasphemische Gesellschaftsformen haben sich im Laufe der Jahrtausende gebildet? Es mag schrecklich klingen, doch es existieren tatsächlich Orte auf Erden – so etwa die Stadt Eredu –, in denen das Unleben offen unter den Lebenden weilen darf. Von solch grausigen Stätten wie dem Reich Hantumah, das vollständig dem Bösen verfallen ist, ganz zu schweigen. Zuletzt führt uns die Reise nach Shadowfell, jenes finstere Echo unserer Welt, in der die Geister leben. Es ist nicht viel, was über all jenes bekannt ist, und kundige Scholaren werden das meiste hiervon bereits wissen. Doch es ist ein guter Einstieg für all jene, denen das Leben jenseits des Lebens bislang fremd war.

Das zweite Kapitel wendet sich an die wahren Meister, jene unter uns, die alles wissen wollen und müssen, um einfacheren Sterblichen – Abenteurern – davon zu künden. Staunenden Auges erfahre ich, dass nicht alle Begegnungen mit Untoten im tödlichen Zwist enden müssen. Manches Mal helfen auch Überredungskünste und Wissen, um machtvolle Geschöpfe der Finsternis zu überwinden. Spukerscheinungen – und welche Formen sie einnehmen können – werden direkt im Anschluss einer näheren Betrachtung unterzogen. Fragmente grausiger Geschichten, die von kurzen Begegnungen bis hin zu epischen Questen berichten, verdeutlichen die Vielfalt untoten Treibens, mit dem ein Meister neugierige Abenteurer konfrontieren kann. Ehrfurcht gebietende Artefakte von wundersamer Kraft ebenso werden umfangreich vorgestellt – mich schaudert, als ich vom Familienschwert der von Zarovichs lese –, wie unheilige Rituale und – hier beginnt mein Verstand zu wanken – das Transplantieren untoter Körperteile! Welcher Horror erwartet mich noch auf diesen Seiten?

Die Antwort ist schnell gegeben: die Reiche der Untoten. Denn in Kapitel drei werden sie vorgestellt, all die einsamen Türme und düsteren Katakomben, die feuchten Grabhügel und verfluchten Tempel. Nach einigen kurzen allgemeinen Beobachtungen folgt ein erstaunlicher Reiseführer zu den Stätten der Verdammten. Erschreckend detailliert – samt Hintergrundwissen, möglichen Abenteuern, genauem Kartenmaterial und den zu erwartenden Monstrositäten – werden auf jeweils mehreren Seiten all jene Orte beschrieben, um die ein Mensch, der noch halbwegs bei Sinnen ist, einen weiten Bogen machen sollte. Neun grausige Stätten gibt es zu erforschen, die schrecklichste von allen zweifellos der gewaltige Leichnam eines toten Gottes, der in der endlosen silbernen Leere der Astral Sea treibt!

Das vierte und letzte Kapitel versammelt schließlich in Form eines Lexikons des Schreckens zahllose Abscheulichkeiten, die im Unleben gefangen sind oder ihre Bestimmung gefunden haben. Untote Beholder erblickt das vor Entsetzen geweitete Auge des Lesers, ebenso aus Leichenteilen zusammengenähte Blasphemien, belebte Knochenhaufen, Gehirne im Glas und Horden abgeschlagener und von dunkler Magie zu grausigem Eigenleben erweckter Hände. Geister, Mumien und Ghoule spuken auf diesen Seiten. Ein gewaltiger, aus Grabsteinen bestehender Golem erschüttert das Weltbild manches braven Friedhofgängers. Und eine ebenso verführerische wie tödliche Vampirische Muse erwartet die leichtfertige Dichterseele. Den Abschluss bildet eine teuflische Tafelrunde, an der die ganz Großen unter den Untoten sitzen – Ctenmiir the Cursed etwa, Osterneth, the Bronze Lich, der grausame Strahd von Zarovich, vampirischer Herr von Barovia, und Vecna, der Herr der Untoten selbst, ein Feind, dem nur die größten aller Helden wagen dürfen entgegenzutreten, ohne sofort vernichtet zu werden.

Fazit: Meine Hände zittern, als sie „Open Grave“ zuschlagen. Zu furchtbar war das, was ich auf den letzten über 200 Seiten sah. Und doch muss ich mit Widerstreben gestehen: Dieses Buch ist eine wahre Fundgrube des Wissen um das Leben nach dem Tod in all seinen Facetten. Einfache Geister – Abenteurer – dürften dieses Wissen eigentlich nicht erwerben, denn es dürfte sie verzagen lassen. Doch wahre Meister, die zudem ein Interesse an Geschichten um feuchte Gräber und schlurfende Schatten in der Finsternis hegen, finden hier beinahe alles, was ihr schwarzes Herz begehrt.


Open Grave – Secrets of the Undead
Quellenbuch
Bruce R. Cordell, Eytan Bernstein, John Snead u. a.
Wizards of the Coast 2009
ISBN: 978-0-7869-5069-0
224 S., Hardcover, englisch
Preis: $ 34,00

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