Myths and Legends: Bruderschaft

Nachdem dieser farbenfrohe „Magic“-Klon aus dem fernen Chile sowohl im Heimatland als auch in Nordamerika einen wahren Siegeszug hinter sich gebracht hatte, war es nur eine Frage der Zeit, bis es einen Versuch geben würde, auch Deutschland zu erobern. Und genau den hat Amigo mit Erscheinen des 170 Karten starken Bruderschaft-Sets jetzt unternommen.

von Michael Wilhelm

 

Zunächst springen beim Öffnen der Booster und Starter die farbenfrohen Karten-Designs ins Auge. Besonders die Königlichen, derer in jedem Starter drei und in jedem Booster einer zu finden sind – entsprechend der seltenen Karten in anderen Sammelkartenspielen – wissen obendrein durch Prägedruck und Silberglanz zu gefallen. Doch bei genauem Hinsehen entpuppt sich das Kartendesign als Luftnummer. Der Spieltext ist zwar gut zu lesen, dafür fällt es aber bei manchen Karten wirklich schwer, den senkrecht am linken Rand gedruckten Kartentitel zu entziffern. Dennoch, vor allem die seltenen Königlichen machen optisch eine Menge her.

Ob das natürlich reicht, um sich auf dem heiß umkämpften Markt zu behaupten? Leider entlarvt sich „Myths and Legends“ schon ziemlich schnell als eher einfallsarmer „Magic“-Klon. Möglicherweise liegt darin einer der Gründe für den überraschenden kommerziellen Erfolg des Spieles. Wer keine neuen Regeln lernen braucht, freundet sich eben vielleicht schneller mit einem „neuen“ Spiel an.

„Myths and Legends“ ist in einer mythischen Welt angesiedelt, die Elemente aus Legenden und Mythologien vieler verschiedener Kulturkreise miteinander verbindet. So finden sich hier Kreaturen und Figuren wie Perseus und Ikarus, der Pegasus und das Einhorn, Basilisken und die Sphinx, Merlin, Baal und viele andere mehr oder weniger namenlose Zauberer, Exorzisten und Kreaturen. Vielen anderen begegnet der Europäer wohl zum ersten Mal, da sie ihre Ursprünge eher in süd- und mittelamerikanischen Sagenwelten haben dürften.

Beide Spieler vertreten mächtige mythische Königreiche, die mithilfe mythischer Verbündeter das gegnerische Reich bekämpfen. Dazu dient das aus 50 Karten bestehende Schloss, sprich Deck, das gleichzeitig als Nachschub und Lebensenergie gedacht ist. Ist das Schloss aufgebraucht, verliert der Spieler, was zumindest das Buchführen mit Spielsteinen oder einem 20-seitigen Würfel überflüssig macht. Verbrauchte oder verlorene Karten, wie zum Beispiel getötete Verbündete, wandern auf den Friedhof. Neben den Verbündeten gibt es drei weitere Kartentypen. Goldkarten dienen als Ressourcen zum Ausspielen anderer Karten, analog zu Standardländern bei „Magic“. Die der Hexerei bei „Magic“ entsprechenden Totem-Karten haben einen dauerhaften Effekt und können wie Verbündete nur im eigenen Spielzug ausgespielt werden, während die wie Spontanzauber verwendbaren Talisman-Karten einen kurzfristigen Effekt haben und teilweise auch im gegnerischen Zug gespielt werden können.

Das Spielfeld ist in neun Regionen aufgeteilt. Da sind zunächst die oben schon besprochenen Regionen Schloss und Friedhof. In der Schatzkammer befinden sich die Goldkarten, die nach Gebrauch nicht getappt werden, sondern in der Goldschmelze landen. Karten, die aus dem Spiel entfernt werden, landen im Exil, und eine Karte, die das Spiel verlässt, aber noch Einfluss auf das Spielgeschehen hat, kommt ins Archiv. In der Verteidigungslinie finden sich normalerweise Verbündete, die zum Angreifen in die Angriffslinie kommen. Dort bleiben sie, bis sie sich in der Rückzugsphase erholen. Als letztes ist die Unterstützungslinie zu nennen, in der sich die Totem-Karten befinden.

Als grundsätzlicher Unterschied zu „Magic“ kann man zusammenfassend sagen, dass Karten durch Gebrauch nicht getappt werden, sondern lediglich die Region wechseln.

Wenn man sich geeinigt hat, wer das Spiel beginnt, zieht jeder Spieler acht Karten aus dem Schloss auf die Hand und spielt eine Goldkarte aus. Jeder Spielzug beginnt mit der Rückzugsphase. In dieser werden Verbündete aus der Angriffslinie in die Verteidigungslinie zurückgezogen und Goldkarten aus der Goldschmelze zurück in die Schatzkammer gelegt. In der nun folgenden Wachtphase kann eine Goldkarte gespielt werden und es können Totems und Verbündete ins Spiel gebracht werden. Verbündete können, analog zur „Summoning Sickness“ in „Magic“, in der ersten Runde nicht angreifen.

In der dann folgenden Kampfphase kann der aktive Spieler seine Verbündeten, außer den eben neu gespielten, als Angreifer deklarieren. Daraufhin teilt der Gegner jedem Angreifer bis zu eine blockende Kreatur zu. Nun können noch Talismane gespielt werden, die ins Kampfgeschehen eingreifen. Da jeder Verbündete außer seinen Goldkosten nur über einen Stärkewert verfügt, sind Kämpfe schnell entschieden. Der stärkere Verbündete erledigt den schwächeren. Ist der Angreifer stärker, erleidet der verteidigende Spieler zusätzlich Schaden an seinem Schloss in Höhe der Differenz. Darüber hinaus können noch die besonderen Fähigkeiten der einzelnen Verbündeten das Ergebnis beeinflussen. Ein ungeblockter Verbündeter verursacht direkten Kartenverlust am gegnerischen Schloss in Höhe seiner Stärke.

Nach der Kampfphase wird in der Endphase eine Karte auf die Hand gezogen. Dann ist der Gegner an der Reihe.

Erhältlich sind bisher vier vorgefertigte Starter mit je drei seltenen Karten und Booster mit acht Vasallen genannten Commons, zwei Höflingen genannten Uncommons und einem seltenen Königlichen. Das sagt aber nichts über den Kartentyp, lediglich über die Seltenheit.

Fazit: Ein paar nette Ideen hatten die Designer auf jeden Fall. Anstatt der üblichen Common/ Uncommon/Rare-Nomenklatur werden die Seltenheitsstufen Vasallen, Höflinge und Königliche genannt. Auch die Aufteilung des Spielfeldes ist eher innovativ im Vergleich zum restlichen Spieldesign. Viel Taktieren ist aber sicher nicht gefragt. Man spielt eben, was man so auf der Hand hat. Wer als erster seinen Kartenstapel aufgebraucht hat oder dezimiert bekommt, verliert. Ob das zu Anfangszeiten von „Magic“ so viel anders, war wage ich zu bezweifeln, aber ist es wirklich nötig, dafür in ein neues Sammelkartenspiel zu investieren? Zugegeben, viele der Karten sind nett anzusehen. Mir reicht das aber nicht.


Myths and Legends: Bruderschaft
Sammelkarten-Grundset
Amigo 2004
ASIN: B0009RNP38 (Booster)
170 Karten, deutsch
Preis: ca. EUR 7,99 (Starter), ca. EUR 2,49 (Booster)

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