Mystery Rummy – Fall 1: Jack the Ripper

1888. London. Nacht. Nebel. Opfer. Jack the Ripper hat zugeschlagen. – Im kurzweiligen und atmosphärisch dichten Kartenspiel „Mystery Rummy – Fall 1: Jack the Ripper“ dürfen 2 bis 4 Spieler nunmehr auch auf Deutsch Runde um Runde taktieren, wer der Ripper gewesen sein soll.

von Lars Jeske

In London trieb seinerzeit ein Mörder sein Unwesen, der alsbald als „Jack the Ripper“ berühmt-berüchtigt wurde. Die Aufgabe der Spieler ist es, in der Rolle eines Ermittlers von Scotland Yard Beweise für die Schuld oder Unschuld der sechs im Spiel vorgegebenen Tatverdächtigen zu sammeln. Je eindeutiger die Sachlage, umso mehr Punkte bekommt man für die richtigen Hinweise. Wenn aber der Ripper nach seinen fünf Morden entkommt, sind alle gesammelten Hinweise wertlos. Die Geschichtsstunde basiert auf dem Spielprinzip des klassischen Kartenspiels Rommé, ist jedoch durch die Ereigniskarten und das bekannte historische Szenario deutlich spannender.

Optik & Ausstattung

Allein schon die Verpackung des Kartenspiels macht einiges her, denn diese ist wie ein Buch gehalten. Die sehr stabile Hochglanzbox überzeugt auch nach dem Öffnen, nicht nur weil alles aus einem Stück ist und im Deckel der Schachtel die möglichen Verdächtigen portraitiert sind. Die lediglich 66 Spielkarten liegen zudem ordentlich in zwei passgenauen Mulden, die jeweils mit einem Lesebändchen entnommen werden können. Kein Vergleich zu den im Gegensatz dazu lieblos in die Schachtel geworfenen Karten bei „Munchkin“ und ähnlichen Spielen. Hier ist alles auf Luxus getrimmt und bekommt optisch schon einmal die Bestnote.

Das Kartendesign ist dem Spielthema und der Atmosphäre Londons des Jahres 1888 sehr gut angepasst. Sämtliche Bilder auf den stabilen, laminierten Karten sind Bleistiftzeichnungen in Schwarz-Weiß. Zur eindeutigen Unterscheidung und leichten Zuordnung haben die Karten zusätzlich am linken Rand verschiedene Farbstreifen und andere Symbole.

Neben 4 Übersichtskarten für die Spieler, sind die übrigen 62 Spielkarten in Hinweise (5 je Tatverdächtigem, 2 Joker und 4 neutrale Hinweise) und diverse Ereignisse (etwa die 5 historisch korrekten Opfer und Tatorte des Rippers) unterteilt, sowie einmalig die Spezialkarte „der Ripper entkommt“.

Für ein vermeintlich simples Kartenspiel mit „nur“ 62 Spielkarten mutet die 10 Seiten lange, klein gedruckte Spielregel sehr viel an, jedoch gibt es 11 verschiedene Klassifikationen für die Karten, die erläutert werden wollen. Die Regeln sind dabei logisch aufgebaut, aber eben recht viele auf einmal. Vor allem muss man dahinter steigen, wann welche Karten gespielt werden dürfen. Nach diesem zeitlich etwas langwierigen, aber nicht allzu komplizierten Regelstudium, ist schon fast alles klar und es kann anschließend einfach losgespielt werden.

Um „Mystery Rummy“ spielen zu können, benötigt man zusätzlich, wie auf der Packung angegeben, noch ein paar Zettel und Stifte.

Spielregeln & Spielweise

Wer es nicht kennen sollte: Beim Kartenspiel Rommé bekommt man zufällige 13 Karten ausgeteilt und kombiniert diese mit den nachgezogenen zu Reihen mit mindestens 3 Karten. Diese ausgelegten Reihen (die ersten eigenen Reihen müssen mindestens 40 Punkte wert sein) können dann von allen Mitspielern rechts und links ergänzt werden. Es gewinnt derjenige, der zuerst keine Karten mehr auf der Hand hat.

Ähnlich geht es bei „Mystery Rummy“ zu. Jedem Spieler werden dabei abhängig von der Spielerzahl 8 bis 10 Handkarten ausgeteilt, und es darf analog zum richtigen Rommé auch nur mindestens in Dreiergruppen von Hinweisen für eine tatverdächtige Person gemeldet (also ausgelegt) werden. Ohne Fall keine Ermittlungen, also dürfen wie im richtigen Leben solche Hinweise natürlich erst ausgespielt werden, wenn es etwas zu melden gibt, also mindestens ein Opfer im Spiel ist – dieses ist somit die alternative Startbedingung zu den 40 Punkten. Da jeder ausgespielte Hinweis zwei Punkte wert ist, werden die zusätzlichen Hinweise nicht angelegt, sondern jeder Spieler platziert diese selbst ausgespielten Karten im eigenen Bereich, um sie später gegebenenfalls werten zu können. Genauso können andere Karten erst später gespielt werden, der „Verdacht“ erst, wenn es Hinweise für diesen speziellen Verdächtigen gibt, ebenso benötigt nur ein „Alibi“, gegen wen etwas vorliegt.

Ein Durchgang endet in der Regel entweder sobald ein Spieler alle Handkarten ablegen konnte oder wenn nach allen fünf Opfern die Karte „der Ripper ist entkommen“ gespielt wurde. Das Spiel gewinnt derjenige, der nach mehreren Durchgängen zuerst mehr als 100 Punkte erreichen konnte.

Ein Spielzug ist einfach. Man zieht eine Karte, spielt – so erlaubt – eine beliebige Anzahl von Hinweisen aus, sowie maximal ein Ereignis pro Runde, und wirft am Ende seines Zuges eine Karte ab. Zusätzlich ist es jedem Spieler einmal erlaubt, vor dem eigenen Zug eine Verdächtigungstipprunde einzuberufen. Dafür benötigt man die Extrastifte und Zettel, um geheime Tipps bezüglich des Täters abzugeben. Jedoch darf man seinen einmal abgegebenen Tipp, der bei der Verifizierung am Ende mit 10 Bonuspunkten belohnt wird, nicht revidieren, somit passiert das Tippen eher selten und auch meist erst spät im Spiel.

Spielanreiz & Komplexität

Dem historischen Hintergrund – nämlich dass nie eindeutig geklärt werden konnte, wer Jack the Ripper war – wurde wunderbar Rechnung getragen. Mit jedem ausgespielten Hinweis oder zugehörigem Verdacht verschiebt sich das Bild, wer denn vermutlich der Ripper ist, da je mehr Indizien für einen der Verdächtigen sprechen, dieser es dann am Ende des Durchgangs ist. Somit verläuft trotz der historischen Eingrenzung jede Partie anders und passt sich stimmungsvoll in den Spielmechanismus ein.

Falls der Ripper geschnappt wird, werden alle ausliegenden Punkte für diesen Verdächtigen als Siegpunkte für die Spieler verdoppelt, wodurch man als Spieler natürlichen versucht, den Verdächtigen zu belasten, für den man selbst viele Punkte kassieren würde. Dumm nur, wenn ein anderer plötzlich mit einem Alibi auftaucht und den schönen Plan zunichte macht. Noch weniger Punkte gibt es, sollte Jack the Ripper sogar entkommt. Somit geht das Spiel über ein einfaches Ablegespiel hinaus, da man die eigenen Karten zum richtigen Zeitpunkt ausspielen muss (oder eben zurückhalten), um den größten Nutzen davon zu haben.

Praxistest

Wie bei jedem Kartenziehspiel hat man eher wenig Einfluss auf die Karten, die man zieht. Somit hängt einiges vom eigenen Kartenziehglück ab. Wer viele Hinweise zieht und diese ausspielen kann, bekommt prinzipiell mehr Punkte. Dennoch gibt es durch die vielen Ereigniskarten und das alternative Ende ausreichend Chancen, Strategien zu nutzen, um seinem Ziehglück auf die Sprünge zu helfen. Dem wird auch dadurch Rechnung getragen, dass keine Minuspunkte für nicht ausgespielte Hinweise, die hätten angelegt werden können, gegeben werden.

Durch dieses unbestrafte, absichtliche Zurückhalten von Karten kann man das Spiel signifikant beeinflussen. So man, was hier sehr gut möglich ist, das Spiel zu zweit spielt, ist es sogar noch strategischer als in größerer Besetzung. Da man in der Regel mehr Handkarten ausspielen können wird, sind sogar um die 30 Punkte pro Runde möglich, wodurch man mit 3 bis 4 Runden pro Partie hinkommt.

Bei 3 bis 4 Spielern freut man sich womöglich sogar schon über 20 Punkte pro Durchgang, wodurch man eine verhältnismäßig lange Spielzeit für ein Kartenspiel erhält. Wer sich dabei wider erwartend nicht für die Spielidee begeistern kann, dem wird es dadurch zu langatmig und langweilig. Allen anderen wir ein rundum stimmiges Spiel geboten, welches bis zum Ende hin spannend ist.

Eine Besonderheit, die sich zu erwähnen lohnt, ist die bereits oben angekündigte, einmal enthaltene Sonderkarte „der Ripper entkommt“. Im wahrsten Sinne des Wortes die Killerkarte, vor allem bei mehreren Mitspielern. Diese Karte birgt das höchste Risiko, aber auch den höchsten Gewinn. So man es schafft, diese auszuspielen (alle fünf Opfer müssen dafür ausliegen), sind die schönen Pläne der anderen Spieler alle hinfällig, und es gibt keine Punkte für die ausgespielten Hinweise, lediglich die maximal 10 mickrigen für alle Opfer und Tatorte. Dem, der diese Karte spielen konnte, werden jedoch 35 Punkte gutgeschrieben. Eine unverhältnismäßig hohe Punktzahl, die aber das Spiel über weite Strecken offen gestaltet und jedem Spieler bis zum Ende seine Siegchance bewahrt. Allerdings erhält man auch ordentlich Minuspunkte, wenn man sich verzockt und die Karte bis zum Ende nicht ausspielen kann. Das macht hierbei den besonderen Nervenkitzel aus.

Fazit:
10 Jahre nach der englischen Erstausgabe darf man nunmehr auch in deutscher Sprache taktieren, wer Jack the Ripper denn nun (vermutlich) war. Die bearbeitete Optik und Qualität des Spielmaterials sind super. Ein relativ eingängiges Ablegespiel wurde in eine stimmige Geschichte gegossen, die rundum zu begeistern weiß. Wenn man die Regeln kennt, ist „Mystery Rummy – Fall 1: Jack the Ripper“ auch als schöner Absacker oder für Zwischendurch geeignet, da es, einmal verstanden, recht leicht zu spielen (aber nicht leicht zu gewinnen) ist. Je weniger Mitspieler, desto taktischer kann man agieren, sodass es wirklich für 2 bis 4 Spieler geeignet ist. Auf die nachfolgenden Fälle darf man gespannt sein.


Mystery Rummy – Fall 1: Jack the Ripper
Kartenspiel für 2 bis 4 Spieler
Mike Fitzgerald
Pegasus Spiele 2008
ISBN: 4-250231-778506
66 Karten, Spielregeln, deutsch
Preis: EUR 9,95

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